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Aristide Massaccesi, bekannter unter seinem Künstlernamen Joe D'Amato war in erster Linie ein Geschäftsmann. So mag es zu erklären sein, dass seine überaus zahlreichen unter diversen Pseudonymen gedrehten Filme, so es sich bei ihnen nicht ohnehin um Hardcore-Pornographie handelt, in der Regel schnell und billig abgedrehte Reißer sind, die auf den jeweils populären Wellen (Erotik, Endzeit, Zombies usw.) mitschwammen und diese angereichert mit Sex und Gewalt ausschlachteten. Wo Hans Schifferle ihn noch mit einem gewissen Wohlwollen als „Exploitation Dynamo" bezeichnete, stieß sein teilweise aufdringlich kommerzieller Exploitation-Ansatz insbesondere bei deutschen Jugendschützern auf Ablehnung, aber auch in Großbritannien wurden einige seiner Filme als „Video-Nasties" gebrandmarkt und aus dem Handel genommen.
Und in der Tat kann ROSSO SANGUE trotz des für D'Amato eher untypischen Verzichts auf sexuelle Darstellungen gewissermaßen als Prototyp eines „sozialethisch desorientierenden" bzw. „gewaltpornographischen" Machwerks (um nur einige der regelmäßig angeführten Standardfloskeln zu verwenden) angesehen werden.
Der Plot folgt im Wesentlichen der von John Carpenter's HALLOWEEN vorgegebenen Slasher-Formel: ein nahezu unzerstörbarer Killer meuchelt alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, um am Ende von einem kleinen Mädchen gestoppt zu werden. Gleichzeitig verzichtet ROSSO SANGUE aber trotz des nicht zu übersehenden Schielens auf den amerikanischen Filmmarkt, dem neben der geradlinigen, universale Lesbarkeit ermöglichenden Erzählweise auch der Schauplatz der typischen Kleinstadt über die das Böse hereinbricht geschuldet ist, auf die vergleichbaren Schlitzerfilmen inhärente Moral - ROSSO SANGUE ist keine reaktionäre Bestrafungsphantasie an Kiffern oder notgeilen Babysittern, stattdessen sind die jeweiligen Mordopfer relativ willkürlich nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und schwach bis gar nicht charakterisiert. Der radioaktiv verstrahlte Mikos Stenopolis (George Eastman) tötet einfach jeden der das Pech hat seinen Weg zu kreuzen.
Die griechische Herkunft des Killers erklärt sich übrigens daraus, dass ROSSO SANGUE ursprünglich als Fortsetzung zu D'Amatos ebenfalls auf der Beschlagnahmeliste zu findendem ANTHROPOPHAGUS geplant war, allerdings überarbeitete Hauptdarsteller George Eastman das von ihm stammende Skript vor Drehbeginn, da er mit seiner Darstellung des sonnenstichigen Kannibalen aus dem Vorgänger nicht zufrieden war. Wobei allerdings anzumerken wäre, dass der unter anderem vom Flugzeugunglück in den Anden inspirierte ANTHROPOHAGUS eine wesentlich glaubhaftere und auch unheimlichere Figur war als ein zombiehafter Irrer, der Aufgrund seiner radioaktiven Verseuchung über eine ständig wachsende Hirnmasse verfügt, die ihm ordentlich Kopfschmerz verursacht und wohl für seine Aggressivität verantwortlich zeichnet, sowie selbst schwerste Verletzungen in Rekordzeit regeneriert. Das Thema „Kopfschmerzen" scheint ohnedies symptomatisch für den gesamten Film, denn auch die einzelnen sehr ausführlich präsentierten Morde repräsentieren größtenteils Attacken gegen den Kopf: da wird durchbohrt, zersägt und Kopf voraus ins Backrohr geschoben, sogar Mikos selbst kann nur durch die Zerstörung seines Gehirns per finaler Köpfung aufgehalten werden. Da diese ziemlich unerfreulich anzusehenden Vorgänge obendrein vergleichbar mit den Splatterszenen in den Filmen von Lucio Fulci ziemlich gnadenlos und qualvoll wirken (der vergebliche Todeskampf im Backofen erstreckt sich auf ca. 2 Minuten) verwundert das Verbot der deutschen Fassung kaum - denn insbesondere deutschen Behörden bereitet die angebliche sittliche Verwahrlosung der Jugend durch intellektuell niedrige Erwachsenenunterhaltung ja bekanntermaßen noch weitaus größere Kopfschmerzen als jeder Drillbohrer, mögen die Trickeffekte noch so durchschaubar sein.
Sieht man sich allerdings die „bereinigte" freigegebene Fassung des Films an, so muss man feststellen, dass ROSSO SANGUE ohne diese Szenen natürlich überhaupt nicht mehr funktioniert, denn der Rest des Films wirkt größtenteils wie Füllmaterial wenn beispielsweise ewig lang ein Footballspiel angeschaut wird und nebenher Spaghetti gegessen werden bzw. diverse Subplots wie die Sache mit dem von Bikern belästigten Penner zwar ansatzweise auf einen Generationenkonflikt verweisen, letztlich aber im Nirgendwo versanden. Von einigem Interesse hingegen ist der Handlungsstrang um das kleine Mädchen Katia, das nach einem Unfall über den man im Film ansonsten nichts näheres erfährt durch ein Stützkorsett ans Bett gefesselt ist und relativ apathisch nur noch Kreise zeichnet. Das erste, was wir im Film sehen ist eben jener Zirkel, den sie Mikos am Ende in die Augen sticht. Durch dieses ewige Kreisen eines gewissermaßen in seinem eigenen Kopf gefangenen Menschen um sich selbst verweist ROSSO SANGUE letztlich auf die Dialektik von Geist und Körper, die schon Descartes beschäftigte und der bösartige Killer (dessen Taten ja gewissermaßen auf das Hirn als Sitz des Geistes abzielen) kann durchaus als Ausgeburt kindlicher Phantasie angesehen werden, die Katia letztlich dabei hilft, die Kontrolle über den eigenen Körper durch die Zerstörung des feindlichen und vor allem männlichen Anderen wieder zurückzugewinnen. So ist es auch kein Zufall, dass der als labile Figur angelegte Vater von Katia Mikos zunächst mit dem Auto streift, danach einfach weiterfährt und ihn somit erst ins Haus der Familie lockt. Diesem „schwachen" Vater, der eine Fahrerflucht kurzerhand durch Müdigkeit entschuldigt und auf dem Höhepunkt des Films gemeinsam mit der Mutter durch Abwesenheit glänzt korrespondiert das Bild des stumpfsinnig herumtobenden „bösen" Vaters, der entsorgt werden muss - darum zunächst die Blendung als symbolische Kastration und danach ganz konkret die endgültige Trennung von Geist und Körper mittels Enthauptung, die in ihrer Symbolhaftigkeit noch durch sakrale Orgelklänge und das literweise aufs weiße Nachthemd spritzende Blut verstärkt wird.
Wenn sie am Ende heroisch der angerückten Polizei und dem Rest der Familie den Kopf des „schwarzen Mannes" aus der „alten Welt" Europa entgegenschwenkt, der kurz zuvor noch einen ihn verfolgenden Priester als den Repräsentanten der konservativ-christlichen Moral in den Ruhestand befördert hat, dürfte jedenfalls klar sein, dass die kindliche Latenzphase für Katia damit abgehakt ist - auch dies im Vergleich zu den amerikanischen Slasher-Vorbildern ein auffälliger Regelverstoß, da hier zumeist die asexuellen Mauerblümchen über den Butzemann triumphieren, was dann in letzter Konsequenz zum Wunschbild der phallischen Frau (TEXAS CHAINSAW MASSACRE 2) oder - auch dies ein typisch europäischer Konventionsbruch - zur völligen Verschmelzung bzw. Einheit mit dem Mörder führen kann (HAUTE TENSION).Unterm Strich gelingt es D'Amato aber nicht, dem ohnehin nicht sonderlich innovativen Slasher-Subgenre neue Seiten abzugewinnen, vielmehr ist ROSSO SANGUE größtenteils eine etwas dumpfe Angelegenheit mit Hang zu unfreiwilliger Komik, die das zugrundeliegende Coming-of-Age-Drama lediglich andeutet bzw. auf den einigermaßen atmosphärischen Showdown beschränkt und der es auch trotz der für italienische Horrorproduktionen fast schon typischen flotten Musik - die sich einmal mehr am Sound der Rockgruppe Goblin orientiert und nebenbei Erinnerungen an das Titelthema von HALLOWEEN weckt - nicht gelingt, durchgängige Spannung zu erzeugen. Stattdessen schleppt sich der Film wie sein wahnsinniger Hauptprotagonist schwerfällig von einem Mord zum nächsten und folgt damit tatsächlich der Dramaturgie des pornographischen Films. Ein nach wie vor problematischer Titel.



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