Review

In Marinekreisen ist die Bismarck eine Legende: Das größte Kriegsschiff des Zweiten Weltkriegs und Vorzeigeprojekt des Dritten Reichs war genau neun Tage im Einsatz, bevor es in einer heftigen Schlacht von englischen Kreuzern versenkt wurde. Wer, wenn nicht der Mann, der mit „Titanic" den berühmtesten Schifffahrtsfilm aller Zeiten gedreht hat, wäre prädestiniert dafür, sich dieser maritimen Legende in einer 90-minütigen Dokumentation anzunehmen: James Cameron? Mit modernster Tauchtechnik erkundet er das gigantische Wrack, das in über vier Kilometer Tiefe auf dem Grund des Atlantiks liegt, und bringt einige (kleine) neue Erkenntnisse und vor allem spektakuläre Bilder mit an die Meeresoberfläche.

Die größte Stärke dieser sonst etwas verqueren Dokumentation sind tatsächlich die Unterwasseraufnahmen: Die lebensfeindliche Tiefe der Ozeane, die verstreuten Überreste des Schiffs und schließlich die Bismarck selbst, die sich aus der Dunkelheit wie ein Koloss aus verrostetem Stahl erhebt, sind wirklich beeindruckend. Für Gänsehaut sorgen auch die Aufnahmen aus dem Inneren, die mittels eines kleinen Tauchroboters gelangen, und die die Zerstörungen eindrucksvoll aufzeigen, die zum einen die englischen Torpedos und zum anderen die 60 Jahre (zum Zeitpunkt der Dreharbeiten) auf dem Meeresboden an diesem Meisterstück menschlicher Ingenieurskunst angerichtet haben. Auch gefällt die implizite Symbolik des Vergänglichen: Was einst geschaffen wurde, um zu zerstören und zu töten, wird nun besiedelt von rostfressenden Bakterien, Seeanemonen und Korallen. Vielleicht bildet dieses gigantische Wrack eines Tages die Grundlage für ein ganz neues Korallenriff - eine Kriegsmaschine, die den Start für ein menschenfernes Unterwasseridyll bietet.

Am spannendsten ist die „Expedition: Bismarck" immer dann, wenn sie solcherlei Gedankenspiele anreißt oder über die rein physikalischen und biologischen Prozesse berichtet, die das Versenken eines Schlachtschiffs mit sich bringt - etwa, dass das Wrack bei seinem Sinkflug die vier Kilometer bis zum Boden innerhalb von zehn Minuten hinter sich legte und knapp 100.000 Tonnen Wasser sich mit zog, wodurch eine Art Unterwasserlawine entstand. Solcherlei Details geben einen Eindruck davon wider, mit welchen gigantischen Kräften die Natur ausgestattet ist.

Andere Stellen fallen dafür etwas irritierend aus, vor allem die kurzen Verweise auf die Geschichte des Dritten Reiches, die in dieser US-Produktion auf eine Art inszeniert werden, wie es eine deutsche Dokumentation niemals wagen würde: Originalaufnahmen riesiger Nazi-Aufmärsche werden da mit martialischem Hard Rock unterlegt, von Hitler heißt es, er sei ein Halbgott für das deutsche Volk gewesen, und die gigantomanische Selbstinszenierung der Nazis wird hier bedenkenlos übernommen. Auch die Interviews mit Überlebenden der Bismarck fallen sehr unkritisch aus, auch wenn diese zugeben, verblendet gewesen zu sein und sich heute alljährlich mit englischen Matrosen der damals verfeindeten Kriegsschiffe zu treffen.

Aber „Expedition: Bismarck" will eben keine Historien-Dokumentation über politische oder gesellschaftliche Zustände sein, sondern hauptsächlich den Reiz der Vergänglichkeit unter Wasser erkunden. Warum die Dramaturgie sich dann auf eher schlecht als recht nachgespielte Szenen von Bord der Bismarck verlässt oder billig animierte Seeschlachten liefert, sei dahin gestellt. Dieses Schwanken zwischen maritim-biologischer Forschung und historisch oberflächlichem Kitsch wirkt insgesamt recht unausgegoren, zumal die beinahe wie eine kriminalistische Spurensuche inszenierte Erkundung des Wracks bei näherem Blick kaum wirklich Neues zu Tage fördert.

Es bleibt zu konstatieren: Hier hat ein von Meer und Schiffswracks begeisterter Filmemacher sich einfach mal austoben wollen. Das Ergebnis ist durchaus unterhaltsam und bietet spektakuläre Unterwasserbilder, wirklich erkenntnisreich ist es nicht.

Details
Ähnliche Filme