"My Best Friend's Birthday" müsste eigentlich der uninteressanteste Film aller Zeiten sein. Er ist von Amateuren gedreht, schlecht geschnitten, ohne eine wirklich stringente Story und zu allem Überfluss nicht einmal in einer vollständigen Version erhältlich, da der fertige Cut einem Feuer zum Opfer fiel. Warum befasst man sich dann mit einem Abfallprodukt wie "My Best Friend's Birthday"? Nun, weil der Regisseur niemand anderes ist, als Quentin Tarantino. Und so wenig wirklich Konstruktives zu seinem Erstlingswerk zu sagen ist (wir alle wissen, er kann es besser), so kann man anhand dieses ersten Versuches, sich auf filmischem Terrain zu etablieren, die Person Tarantino und seine restlichen Werke sehr schön umreißen.
Technisch konzentriert sich Tarantino bei seinem Debüt aufs Wesentliche. Schwarzweißkamera, bis auf eine aufwendigere Sequenz, statische Aufnahmen, die mit Hilfe des "Video für Anfänger"-Handbuchs in Schnitt-Gegenschnitt-Szenerien aufgelöst wurden. Nichts Besonderes. Inhaltlich wiederum konzentriert sich Tarantino genau auf das, was man von ihm erwartet: Er konzentriert sich auf sein Ego. Obwohl der Film angeblich von dem Geburtstag seines besten Kumpels Micky Burnett (gespielt von Craig Hamann, einer der vielen Tarantino-Protegés, der aber letzten Endes nie in dem Ausmaß von Tarantino gefördert wurde, wie er es ihm zu jenen Tagen versprach), geht es in den übrig gebliebenen 36 Min. fast nur um Tarantino. Tarantino spielt sich selbst, oder viel mehr, spielt sein durch sein Ego verzerrtes Idealbild seiner selbst: Ein plappernder, als Radio-DJ arbeitender Womanizer, der nebenbei ein wandelndes Filmlexikon sein möchte und gleichzeitig eine ziemlich fragwürdige Elvis-Rockabilly-Imitat-Nummer abzieht. Mächtig peinlich wird's wenn es endlich zu dem eigentlichen Plot in "My Best Friend's Birthday" geht:
Das Geburtstagskind Micky wird an seinem Feiertag von seiner Ex-Freundin sitzengelassen und guckt nun ziemlich traurig aus der Wäsche, und möchte in den Arm genommen werden. Das kriegt Tarantino alias Clarence Pool aus uns unbekannten Gründen mit, und engagiert ein Callgirl für Micky. Wie sehr das Callgirl den verlassenen Micky von seiner Depression ablenken kann, wird uns vorenthalten. Viel lieber inszeniert Tarantino eine ausschweifende Szene, in der das Callgirl sich anscheinend völlig unprofessionell in ihn, in Tarantino, verliebt. Den Zenit der Peinlichkeit erreicht der unvollendete Film kurz vor seinem Ende, wenn das Callgirl und Tarantino, wie in dem feuchten Traum eines Filmnerds vom Kaliber eines Tarantinos oder eines Harry Knowles', entdecken, dass sie die gleiche Art von Filmen lieben. Dass Tarantino Frauen und deren Filmvorlieben vermutlich auch nur aus dem Kino oder bestenfalls aus Comics kennt, beweist er dann, wenn er und seine Angebetete gemeinsam von Brian DePalmas "Dressed to Kill" schwelgen.
Ansonsten kann Tarantino die gesamte Laufzeit nicht die Klappe halten. Manchmal funktioniert sein Laberschwall ganz gut, und die Kuriosität seiner Monologe lässt den Zuschauer zu Recht schmunzeln, meistens, und besonders zum Beginn des Films, in dem er ein Radiointerview mit einem Eddie-Cochran-Fanclub-Vorsitzenden hält, aber sind seine nicht aufhören wollenden Satzflutungen weder witzig noch spritzig. Der beste Monolog Tarantinos nimmt fast Wort für Wort den berühmten "I'd fuck Elvis"-Text von Christian Slater in "True Romance" voraus. Interessant in diesem Zusammenhang, das seine einzigen beiden wirklich erfolgreichen Skriptverkäufe, die Tarantino selber für sich verbuchen konnte, nämlich "True Romance" und "Natural Born Killers", beide auf diesem Prototyp "My Best Friend's Birthday" basierten.
Sowieso kann man hier schon viele kleine Tarantinoismen erkennen, die sich in seinen späteren Filmen wiederholen. Die Nutzung eines Rockabilly-lastigen Oldie-Soundtracks (scheinbar hat er all die coolen und hippen Soundtracks und Künstler, die er für seine "Kill Bill"-Soundtracks benutzt hat, erst später kennengelernt) dürfte das auffälligste Tarantino-Merkmal sein. Vergleicht man "My Best Friend's Birthday" mit seinen wichtigsten Werken, etwa "Pulp Fiction" oder "Reservoir Dogs", so fallen ziemlich frappierende Unterschiede in einigen Grundsätzen auf. So nutzt Tarantino Drogen in "My Best Friend's Birthday" als pubertären Anlass für eine völlig schlechte Slapstick-Nummer, während sie in "Pulp Fiction" urplötzlich einen verruchten und authentischen Glanz bekommen. Auch die Art und Weise, wie er mit Gewalt und Gangstern umgeht, scheint in "My Best Friend's Birthday" eine völlig andere zu sein: Sind es in seinem Erstlingswerk alles normale Typen, gute Kumpels um die Ecke, die seine Szenerie beherrschen, so scheint er seine Sympathie für hartgesottene Gangster erst mit "Pulp Fiction", respektive "Reservoir Dogs" entdeckt zu haben. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass genau diese Ideen und Drehbuchparts seiner Klassiker "Reservoir Dogs" und "Pulp Fiction", die Tarantino hier völlig missachtet, weil er lieber eine aus dem Takt geratene Selbstbeweihräucherungsshow abfackelt, aus der Feder Roger Avarys (der hier nur die Kamera bedienen durfte) stammen. Zumindest kam mit dem Aufnehmen Avarys in sein Drehbuchteam urplötzlich Erfolg, Stil und Qualität. Ohne Avary würde "Pulp Fiction" wohl die ganzen 148 Minuten aus der Sicht des Tarantino-Charakters Jimmy erzählen. Nach dem Wegfall Avarys (er distanzierte sich von seinem ehemaligen Jugendkumpel, weil dieser laut Eigenaussage ihm seine Ideen klauen würde) drehte Tarantino "Jackie Brown", dessen Story auf einem Roman basierte und danach lange nichts. Seine beiden neuesten Streiche "Kill Bill Vo.1" und "Vol. 2" sind zwar unterhaltend, aber in ihrer Form nur zusammengeklaute Flickwerke aus allen interessanten Genres, die Tarantino zu Zeiten "Pulp Fictions" oder "My Best Friend's Birthdays" scheinbar noch gar nicht kannte: Italo-Western, Exploitation, Kung-Fu-Filme, und sämtliche Genre-Zwitter, die im Rahmen der Grindhouse-Filme zusammenkamen. Musste Tarantino so lange pausieren, damit er genug Filme sehen konnte, damit er wieder Material hatte, um sich wieder einen Featurefilm zusammenbasteln konnte?
Nach "My Best Friend's Birthday" liegt diese Vermutung sehr nahe. Und genau deswegen ist "My Best Friend's Birthday" ein guter, interessanter Film. Er zeigt uns, wessen Geistes Kind, der Typ mit dem dicken Kinn aus Knoxville, Tennessee doch ist. Wenn ich mich nicht sehr täusche ist dieser begabte Regisseur leider nur so ein Typ mit Elvis-Tolle und vielen Filmen im Gedächtnis, der unheimlich viel Glück hatte und ein paar gute Freunde kannte, die ihm gutgläubig ihre Filmideen erzählten. So könnte man heutzutage "My Best Friend's Birthday" als Dokumentation gegen den blinden Tarantinokult vermarkten. Denn der wahre Kult liegt leider bei den vergessenen Werken, die der Herr für seine Filme plündert – so unterhaltsam sie sein mögen.