Review
von Alex Kiensch
Nur ein Jahr nach Takashi Miikes skandalumwittertem Gewalt-Streifen „Ichi the Killer" schob der japanische Regisseur Masato Tanno dieses Prequel nach, das die Highschool-Jahre des späteren Mafia-Schlächters erzählt - und wie aus dem verschüchterten Außenseiter durch die brutalen Einwirkungen diverser Schlägertrupps ein blutrünstiger Killer mit fragwürdiger sexueller Obsession wird.
Ob diese Geschichte unbedingt nötig war, ist dabei eine andere Frage. Wirklich erklärt wird hier nämlich auch nichts: Ichi ist und bleibt ein fürchterlich verklemmter, kaum zu offener Kommunikation fähiger Verlierertyp, der unter extremem Druck und Androhung körperlicher Gewalt ganz wie von selbst zu seinen schier übermenschlichen Kampf-Kräften findet - und angesichts der von ihm angerichteten Massaker auch gerne direkt abspritzt. Wie das eine mit dem anderen zusammenhängt, woher seine Kräfte und starken Tricks kommen und wie daraus schließlich für die Yakuza Kapital geschlagen werden soll, wird bestenfalls angedeutet. Viel mehr ist „1-Ichi" daran interessiert, diese seltsame Figur in ein ebenso schräges Umfeld zu packen und sich dort austoben zu lassen.
Dieses Umfeld wirkt auch alles andere als glaubwürdig: Die Schule besteht nur aus verschiedenen Schlägertrupps, die ihren fragwürdigen Gewalt- und Ehren-Kodizes ungestört nachgehen (im ganzen Film taucht nicht ein einziger Lehrer auf), die einzelnen Figuren können erstaunlich viel einstecken - mitunter wird jemandem der Arm gebrochen, der ein paar Szenen später mit beiden Armen direkt weiterkämpft - und überhaupt hangelt sich der ganze Streifen quasi nur von Kampfszene zu Kampfszene. Da es hier auch um keine besondere Martial Arts-Form, sondern um wüste Schulhofprügeleien geht, hat das auch keinen sonderlich ästhetischen Anspruch. Dramaturgisch kippt „1-Ichi" permanent ins Leere, wodurch spätestens in der zweiten Filmhälfte viel Langeweile aufkommt.
Dass vor allem Fans des ersten Teils dennoch einen Blick wagen können, liegt zum einen an den ziemlich skurrilen Figuren, deren teils unvorhersehbare Reaktionen dann doch für den einen oder anderen Spannungsanfall sorgen, und der schrill-verqueren formalen Inszenierung: Bild- und Dialogwiederholungen, irrsinnige Kamerazooms, überraschende Perspektiven, Zeitlupen und Überblendungen, teilweise im 3D-Look, sorgen immer wieder für visuelle Reize, die dem Gezeigten interessante Züge verleihen. Dass am Ende einige seltsame Schnitte für höchst verwirrende Andeutungen sorgen, die den gesamten Inhalt des Films in Frage stellen, ist schon beinahe ein typisch japanisches Element, besonders in Horrorfilmen.
Insgesamt ist „1-Ichi" eine nicht unbedingt nötige, leidlich spannende, dafür reichlich brutale und eher inhaltsleere Fortsetzung. Neue Erkenntnisse oder Perspektiven, die für den Vorgänger relevant wären, findet man hier kaum, und auch als psychologische Studie versagt der Film völlig. Aber wer mit Streifen à la „Crows Zero" etwas anfangen kann, wird wohl auch hieran seinen Spaß finden.