Der "letzte Horror-Film" beginnt nach einer interessant gestalteten Titel-Sequenz wie ein belangloser Slasher aus vergangenen Tagen. In einem Diner schlägt sich eine Kellnerin mit den typischen Klischees eines auflauernden Killers herum, aber kurz bevor dieser zuschlagen kann, gibt's eine Bildstörung...
Im Grunde müsste die Rezension mit dieser knappen Inhaltsangabe enden, damit der Film sein größtmögliches Potential entfalten kann. Wer einmal das Glück hatte, seinen Freunden "The Blair Witch Project" als authentisches Hard-to-get-Material unterjubeln zu können, wird wissen was ich meine...
Leider ist allerdings schon die Verpackung verräterisch angelegt und belässt es nicht dabei, tatsächlich als der anfängliche 08/15-Horror-Crap auszusehen. Aber nicht nur die Hülle nimmt der grandiosen Film-Idee etwas von seiner Stringenz: dass Julian Richards Werk nicht ausschließlich als VHS-Kassette vertrieben wird, ist die größte Barriere zu effektivsten Einbindung des Zuschauers.
Nach der Bildstörung machen wir also Bekanntschaft mit Max - einem Serienkiller. Der überaus charismatische Mörder arbeitet als Hochzeits-Filmer, bastelt aber nebenher mit seinem devoten Kamera-Assistenten an einem persönlichen filmischen Manifest über Moral sowie der Faszination von Gewalt und bereits hier sind deutliche Parallelen zu "Muxmäuschenstill" erkennbar, in der ein anderer Psychopath seine Aufklärungs-Arbeit ebenfalls filmisch festhielt.
Max geht allerdings ein ganzes Stück weiter und setzt nicht nur auf den beobachtenden Aspekt, er bindet auch den Zuschauer ein - mit allen Konsequenzen.
Jeder, der sich "The last Horror Movie" in der Videothek ausleiht, wird von Max observiert und bis zur Wohnung verfolgt. Der Film beginnt mit der Diner-Szene, danach hält Max seinen Monolog und präsentiert seine selbstgedrehten Morde von den anderen Ausleihern des Films. Jeder Mord wird auf die Kassette überspielt und wieder zurück in die Videothek gestellt...
Wie Mux in "Muxmäuschenstill" ist Maxs Intention moralische Missetäter zu überführen. Auschweifend ergeht er sich in Vorwürfen, dass man die gezeigten Morde jederzeit abschalten (und damit vielleicht sein eigenes Leben retten) könne, stattdessen schaut man sich die Kassette bis zum Schluß an und wird zum bitteren Ende selbst ein Teil der Anklage.
Neu ist diese Idee des portraitierten Killers seit "Mann beisst Hund" natürlich nicht, auch wenn Richards seine Version eine ganze Ecke fintenreicher angeht und auch weniger Stellung bezieht, als das vielsagende Finale in "Mann beisst Hund". "Abklatsch"-Vorwürfe sind daher vorprogrammiert, allerdings greifen diese zu kurz wenn man beachtet, dass dieser Film die kleinste Differenz zum Zuschauer anstrebt und auch nicht als "Arthouse-Movie" verstanden werden will, wie Max zum Finale betont. TlHM - bzw. Max - ist in seiner Anklage allerdings alles andere als hintersinnig. Er mordet im Off um dem Zuschauer später vorwurfsvoll "alles" zu zeigen, weil man ja schließlich darauf gewartet habe. Trotzdem blitzen einige interessante Denk-Anstösse in Maxs Redseligkeit auf, die zwar nicht sonderlich betroffen machen, aber mir ist seit der Feuerlöscher-Szene aus "Irreversible" kein ähnlicher Film-(Moment) bekannt, der einen dermaßen expilzit zum sinnieren anregt, warum man sich so etwas überhaupt ansieht...
Trotz - oder wegen - seines Homemade-Looks werden einige Szenen aufgefahren, die sensiblen Menschen an die Nieren gehen dürften. Der Splatter-Nerd wird nicht befriedigt: die Effekte sind ersichtlich angelegt, dafür wird man mit einer ausgeklügelten Bildgestaltung verwöhnt. Da man die Morde aufgrund des Konzepts nicht mit Schnitt und Musik dramaturgisch überhöhen kann, spielt die Regie geschickt mit den Morden im Off und beweist eindrucksvoll, wieviel ästehtisches Potential der Doku-Stil besitzt. Während Filme wie z.B. "Series 7" es bei einer einfallslosen Handkamera belassen und man sich damit lediglich auf einen Reality-TV-Stil verlässt, fährt Richards clevere Kniffe auf, um den Zuschauer zu leiten, wie er die Morde zu sehen hat.
Der Hauptdarsteller Kevin Howarth erinnert schon optisch sehr an den "American Psycho" Christian Bale und stemmt mit einer - ohne Pathos - unglaublichen Darstellung problemlos den Film. Egal ob beim Herumalbern mit Kindern oder bestialischem Morden - mit sichtlicher Freude spielt Howarth so so ziemlich jeden Irren aus der jüngsten Film-Landschaft in Grund und Boden!
"The last Horror Movie" ist in vielerlei Hinsicht spektakulär! Seien es die Ideen, die Regie oder einfach der Umstand, wie virtuos man mal wieder bewiesen bekommt, dass man mit wenig Geld etwas Großes produzieren kann.
Uneingeschränkt empfehlen würde ich ihn nicht, weil die Euphorie bestimmt auch überzogene Erwartungen weckt und man schon ein gewisses Faible mitbringen muss, um den Film ohne Vorbehalte genießen zu können. Der kompromisslose Horror-Nerd wird sich weniger unterhalten: es fliesst kaum Blut, er ist nicht sonderlich spannend, die formale Umsetzung ist sperrig und's gibt nicht mal Titten. Auch sogenannte Cineasten dürften sich an einem eingebildeten aufdringlichen Pseudo-Kunst-Kino-Willen stören, der in diversen anderen Kritiken durchschimmerte. Wer etwas mit den besagten "Mann beisst Hund" oder "Muxmäuschenstill" anfangen konnte, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren - ein wichtiger Film! (... in der Original-Version!)