Wie kommt man dazu, sich einen solchen Film anzusehen? Das ist kurz erzählt. Als deutscher Filmfan kommt man besonders häufig und deutlich mit der Zensur- und Freigabenproblematik in der Filmindustrie in Kontakt. Sehr oft entscheidet in diesem schönen Lande, in dem Zensur ja „nicht stattfindet“, irgendein Gremium, sei es nun die FSK, die BPjM oder sogar ein (übereifriger?) Amtsrichter, was das volljährige Publikum „verträgt“. Da entwickelt man zwangsläufig, wenn man sich ernsthaft mit dem Medium auseinandersetzt, ein gewisses Interesse an der Arbeit dieser Institutionen – wann und warum diese auf den Plan treten.
So auch in diesem Fall. „The Last Horror Movie“ wurde in der ungekürzten Fassung von der FSK als „an der Grenze zum §131 StGB kratzend“ eingestuft, eine Freigabe (wohlweißlich für Erwachsene!) natürlich daher verweigert. Eine gekürzte Fassung erhielt dann per juristischem Gutachten den Segen, wohl nicht (mehr) gegen besagten Straftatbestand zu verstoßen, aber die BPjM hielt auch die Verleihfassung für indizierungswürdig. Eine vollends verstümmelte Fassung erhielt dagegen noch das höchste Siegel der FSK und ist in jedem Supermarkt in der 18er-Abteilung zu finden. Aber die darf man da auch gerne stehen lassen.
Allein aufgrund dieser Begleitumstände ist „The Last Horror Movie“ Pflichtprogramm für jeden ernsthaften Filmfreund.
Als Inhaltsangabe müssen wenige Sätze genügen. Max, ein britischer Serienkiller, der auf den ersten Blick wirkt wie Du und Ich, filmt seine Morde und überspielt diese auf ein Leihtape in einer Videothek. Der Film besteht also de facto nur aus einer Aneinanderreihung von Morden, im Wechsel mit Monologen von Max und Szenen aus dem alltäglichen Leben des „Hauptdarstellers“.
„The Last Horror Movie“ will die Grenzen zwischen Film und Zuschauer verschwimmen lassen, zwischen realem Dokumentationsfilm und gespieltem Slasherhorror. Seine ganze Ausrichtung ist nur auf dieses Ziel ausgerichtet. Die DVD-Hülle ist wie eine Videokassette gestaltet, der Film beginnt mit einem Ausschnitt aus einem (fiktiven) 80er C-Movie Slasher, und der eigentliche „Film“ ist komplett per Amateurkamera gedreht und wirkt auch zuweilen so. Zudem ist auf Musikuntermalung komplett und professionelle Dreh- und Schnitttechniken weitgehend verzichtet worden. Alles ist dem Anspruch untergeordnet, authentisch zu wirken.
Und dies ist auch der Sinn des Films. Er stellt dem Zuschauer durchgehend, wie ein Mantra, die Frage:
„Wer ist hier eigentlich krank?“
Max, der Mörder, oder der Zuschauer, der – dank authentischer Aufmachung – davon ausgehen muss, dass die Morde real sein könnten und trotzdem den Film nicht ausschaltet und zur Polizei rennt.
Natürlich ist die letzte Konsequenz der Wirkung im Zeitalter der DVD kaum zu erreichen, jedoch ist es nicht gänzlich unmöglich diese vom Film gewollte Situation zu hypothetisieren.
Die Morde sind durchweg nicht übertrieben dargestellt, sondern unterliegen ebenso dem Diktat der Authentizität. Daher liegen sie klar unter dem „Blut- und Goreniveau“ aktueller Slasherfilme wie „Saw“ oder „Hostel“. Selbst die ersten Werke des Horrorrevivals der 90er, wie „Urban Legends“ oder „I Know What You Did Last Summer“ (die allesamt eine wohlwollendere Behandlung seitens der FSK erfuhren), bieten brutalere Tötungsszenen. Seine Brutalität zieht „The Last Horror Movie“ fast einzig und allein aus dem bedingungslosen Realismus. Die Morde werden als real dargestellt, und „echte“ Gewalt wirkt nun mal – so sollte es zumindest sein – weitaus abschreckender und brutaler als „gestellte“ Gewalt. Und genau dies war wohl der Punkt, an dem die deutschen Jugendschutzinstitutionen den Daumen gesenkt haben.
Dieses Urteil ist zwar nicht ganz so lächerlich wie das NC-17 Rating der MPAA für „This Film Is Not Yet Rated“, jedoch dürfte „The Last Horror Movie“ auf der Liste der Filme, die von der FSK ungerecht behandelt wurden, recht weit oben stehen.
Wie oben erwähnt zieht dieser Film seine Brutalität – und damit seinen möglicherweise jugendgefährdenden Charakter – einzig und allein aus dem Umstand, dass er vorgibt, ein Snuffmovie zu sein. Wie jedoch, soll, im Zeitalter der DVD, jemand ernsthaft auf die Idee kommen, ein Killer hätte auf die DVD (!!!) echte Morde gespielt? Noch dazu, wie soll bei unseren strengsten Medien- und Jugendschutzkontrollen solches Material in deutsche Videotheken oder Supermärkte gelangen? Noch dazu findet die Handlung bekanntlich in Großbritannien statt.
Damit der Film seine volle Wirkung entfaltet, muss der Zuschauer geistig in der Lage sein, diese Mängel auszublenden – und wer dies schafft, der ist auch fähig, einen solchen Film so einzuordnen, dass sich seine jugendgefährdende Wirkung nicht bemerkbar macht.
Die FSK ist hier (wie leider zu oft) vom „dummen Zuschauer“ ausgegangen, der grundsätzlich jede Aussage im Film falsch versteht und nur die negativen Aspekte aufnimmt.
Dies geht aber nicht, wenn die negative Aussage sich nur auftut, wenn man eben kein „dummer Zuschauer“ ist. Hier wird die Vorsicht der FSK pervertiert.
Und als solches Musterbeispiel allein ist der Film ein wichtiges Stück der Filmgeschichte.