Er ist hochdotierter Professor, Autor dutzender Bücher, weltweit anerkannter Linguist, politischer Aktivist - und lange Zeit einer der umstrittensten Intellektuellen der Vereinigten Staaten: Noam Chomsky hat mit seinen Theorien über Sprache, Macht und Demokratie seit den späten 60ern großen Einfluss auf die Diskurse dieser Felder genommen. Der Dokumentarfilm „Die Konsens-Fabrik" aus dem Jahr 1992 nähert sich diesem komplexen Themenfeld an und gibt einen Überblick über die Auswirkungen von Chomskys öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten.
Den Filmemachern gelingt es dabei, eine Mischung aus theoretischen Analysen und biographischen Hintergrundinformationen zu erstellen. Der Film ist nicht chronologisch angeordnet, sondern wirft den Zuschauer mitten hinein in die seinerzeit aktuellen Debatten rund um die Macht der Medien und die nur im ersten Moment gewagt klingende Hypothese, Massenmedien seien ein Produkt der Kontrolle und letztlich ein Propagandainstrument. In bunt zusammengewürfelten Ausschnitten aus Interviews, Vorträgen, Lesungen und für den Film selbst erstellten Aufnahmen legt Chomsky hier die Analyse dar, dass auch - und vielleicht besonders - demokratische Gesellschaften eine Instanz der Stabilisierung und Kontrolle benötigen, da sie das Volk nicht wie in Diktaturen mit brutaler Gewalt auf Linie halten können. Diese Rolle würden die Massenmedien einnehmen - zum Zeitpunkt des Films also vor allem Fernsehen und Zeitungen.
Dass „Die Konsens-Fabrik" vor dem globalen Siegeszug der sozialen Medien gedreht wurde, nimmt ihm kaum etwas von seiner Aktualität. Mit glasklarer, komplexer, aber gut nachvollziehbarer Analyse legt der Film die Argumentation Chomskys dar, macht auch deutlich, dass es ihm nicht um eine Verschwörungserzählung von den manipulierten und manipulierenden Medien, sondern um die Grundfunktionsweisen moderner Demokratien geht, und bietet so einige sehr zum Nachdenken anregende Hinweise. Auch heutzutage fühlt man sich in vielen Szenen immer wieder bestätigt, wenn man die Funktionen landesweiter Medien bedenkt - großer Fokus auf Nebensächlichkeiten wie Sport, um die Konsumenten abzulenken, oberflächliche Berichterstattung, kaum transparente Auswahlkriterien für die Nachrichten, die es an die Öffentlichkeit schaffen. Die medientheoretische und politische Analyse, die hier vorgelegt wird, ist von großer Komplexität und Klugheit und lässt sich sicher nicht mit wenigen Worten widerlegen.
Auch wird immer wieder deutlich, wie Recht Chomsky mit seiner Analyse hat, dass die USA nicht so frei sind, wie sie gerne von sich behaupten. Die festgehaltenen Reaktionen auf seine Aussagen sind der deutlichste Beweis - arrogante Moderatoren, schnippische Studierende oder Intellektuelle, die ihm vehement widersprechen, sobald er erklärt, alle Meinungen, die vom Mainstream abweichen, würden bekämpft werden müssen, agieren selbst als eben diese Verteidiger des US-Mainstream-Gedankens. Dabei wird oft die Komplexität seiner Gedanken in der Replik allzu vereinfacht: Zu keinem Zeitpunkt behauptet er, es gäbe keine Meinungsfreiheit; seine These führt vielmehr tiefer in die Grundstrukturen des politischen Betriebs und läuft darauf hinaus, dass auch die Freiheit der Meinungen in einer Demokratie überwacht und gesteuert wird.
Dass diese Grundgedanken mitunter zu zweifelhaften und streitbaren Ergebnissen führen, etwa wenn Chomsky einen französischen Holocaust-Leugner verteidigt (nicht seines Inhalts wegen, sondern eben seiner Meinungsfreiheit wegen), verdeutlicht wiederum, dass auch der Gedanke von freier Meinung irgendwo an seine Grenzen stößt und hier schwierige Kompromisse zu finden sind. Diese Arbeit aber ist eben die Pflicht einer funktionierenden Demokratie.
Mit über zweieinhalb Stunden Laufzeit ist „Die Konsens-Fabrik" keine leichte Kost, zumal man sich bereits nach knapp 15 Minuten leicht überfordert fühlen könnte von dem intellektuellen Niveau, das in Dialogen und Theorien ausgebreitet wird. Aber der Film wirft einige spannende und wichtige Schlaglichter auf grundlegende Probleme moderner Demokratien, warnt vor den Gefahren politisch und finanziell vereinnahmter Medien und hinterfragt demokratische Prozesse, ohne jemals ins Polemische abzurutschen. Dass er dabei filmisch nicht allzu herausragend inszeniert ist - die Fülle an Archivaufnahmen verhindert größtenteils eigene inszenatorische Mittel, und Score und Kameraarbeit werden von ausufernden Gesprächen weitestgehend niedergemacht - sollte man angesichts des komplexen Inhalts wohlwollend übersehen. Immerhin schaffen es die Filmemacher, sich dem porträtierten Intellektuellen gegenüber halbwegs neutral zu verhalten, zeigen seine streitbaren Ansichten ebenso wie seine sehr wohl denkwürdigen Einlassungen, und allzu positive Urteile werden oft schnell wieder revidiert - mitunter von Chomsky selbst.
Als medien- und polittheoretisches Analysewerk ist „Die Konsens-Fabrik" ein anstrengendes, nicht unbedingt unterhaltsames, aber durchaus wichtiges und kluges Werk, das auch Jahrzehnte nach seiner Entstehung und trotz mittlerweile radikal veränderter Medienlandschaft nichts von seinen klugen Grundgedanken verloren hat. Als Einstieg in einen gesellschaftlich relevanten Diskurs unbedingt empfehlenswert.