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Die lovecraftsche Kurzgeschichte "Nyarlathtotep", die zurecht ein Prosagedicht genannt werden kann, ist reines Kopfkino. So kurz sie ist, so viel überlässt sie in ihren weitreichenden, düsteren Andeutungen dem Leser. Hier zeigt sich das beeindruckende Talent Lovecrafts im Umgang mit der Sprache auf wunderbare Weise. Unter diesen Bedingungen ist eine filmische Umsetzung so schwierig (schließlich dürfen die Andeutungen nicht durch platte Dauerschau zunichte gemacht werden) wie interessant. Wir haben es hier also mit einer alles andere als einfachen Geschichte zu tun.

Wie schlägt sich nun dieser Kurzfilm? Grundsätzlich ist zu sagen, dass er sehr nah an der Geschichte bleibt. Die geheimnisvolle Entität Nyarlathotep, die bei Lovecraft häufig auftritt und sich als ägyptisch angehauchte (Halb-)Gottheit und Botschafter der "other gods" präsentiert (und demnach nicht gerade die freundlichsten Absichten hegt), erwacht im Wüstensand und verzaubert mit ihrer Präsenz und ihrem außerweltlichen Wissen eine Großstadt. Ihr Einfluss verstärkt sich, nimmt totalitäre Züge an; schließlich geht die Welt unter.
So ungefähr hat man sich die Geschichte vorzustellen. Wer jetzt laut "Spoiler!" rufen will, dem sei gesagt, dass es hier nicht auf das "Was", sondern das "Wie" ankommt. Denn es wird im Original nur wenig Konkretes gesagt; Lovecraft belässt es bei gewissen Bildern, die weit mehr hervorrufen als wirklich gesagt wird. Diese geheimnisvolle, bedrohliche und weltverschwörerische Stimmung wird von diesem Kurzfilm tatsächlich umgesetzt - teilweise. So genial einige Bildkompositionen sind, die in ihrer schwarzweiß-verrauschten Qualität wunderbar ungewiss bleiben (und damit genau der Vorlage nacheifern), so peinlich-direkt sind andere Aufnahmen. Die alte Horrorfilmregel gilt auch hier: Rede vom Monster, aber zeige es um Gotteswillen NIE (zumindest nicht in seiner wahren Form)! Nun ja, Nyarlathotep hat ziemlich bald seinen ersten Auftritt als goldbestaubte Pharaonenmumie. Nicht sehr bedrohlich. Wenig geheimnisvoll. Um so besser dann wieder seine Erscheinung in der Stadt: In einem eleganten Anzug sticht er nur mit seinen geschminkten Augen und dem Bart hervor. Seine wahre Gestalt scheint er hier zu verbergen. Wenn er dann in Max Schreck-artiger Manier mit gekrümmten Rücken auf grausige Geschehnisse zeigt, kommt Stimmung auf.
Apropos grausige Ereignisse: Hier wird mir der Film viel zu deutlich. Ich möchte keine billig wirkenden Kriegsbilder sehen, sondern eben nicht genau wissen, was dort eigentlich wirklich passiert. Zum Wort "billig": Budgetprobleme merkt man dem Film selten an, auch wenn er teilweise zu "sauber" wirkt: Einige Requisiten hätten ein paar Gebrauchsspuren vertragen können, sonst allerdings wirkt die Ausstattung sehr stimmig! Die Schauspieler hingegen wirken teils zu bemüht. Einzig Nyarlathotep wirkt in seiner übertriebenen Mimik und Gestik durchgehend überzeugend, einlullend-diabolisch.
Die Musik ist großartig gelungen. Fremdartige Klänge und unbestimmt wummernde Bässe mischen sich in die verrauschten Bilder und erzeugen eine angenehm bedrohliche Atmosphäre.

Fazit: Großartige Szenen mischen sich mit durchwachsenen, Liebevoll-geniales mit Bemühtem; dieser Kurzfilm ist teilweise deutlich als Fanproduktion zu erkennen, wirkt an anderer Stelle dafür professionell und gleichzeitig wunderbar rau und kantig. Ein Blick lohnt sich also auf jeden Fall, denn bestimmte Bilder sind schlicht einzigartig wunderbar; über Schwächen kann man da gerade wegen der geringen Länge leichter hinwegsehen.

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