Auch der angenehm klischeelose, innovative Teenager-Werwolffilm „Ginger Snaps“ wurde mit einer Fortsetzung „gesegnet“, wobei die Anführungszeichen hier aber eigentlich fehl am Platze sind. Schlecht geworden ist es nämlich nicht, was der kanadische Regisseur Brett Sullivan mit seinem Spielfilmdebüt 2004 ablieferte. Das Drehbuch hat die Allegorie auf das Erwachsenwerden um den Aspekt der Drogenabhängigkeit traumatisierter, problembehafteter Jugendlicher erweitert, wobei Brigittes „Droge“ das Eisenhutserum ist, das sie sich in immer höheren Dosen gegen ihre Werwolfwerdung injiziert, bis sie nach einer Überdosis in einer Entzugsklinik landet. Dabei wird sie verfolgt von Visionen ihrer toten, als Werwölfin gestorbenen Schwester, die ihr beharrlich die Unabänderbarkeit ihres Schicksals suggeriert. Um festzustellen, wie schnell ihre Wunden verheilen (denn je schneller, desto werwölfiger ist sie bereits), ritzt Brigitte sich die Arme auf, was auf Außenstehende wie Symptome eines Borderlinesyndroms wirkt. Durch den Tod Gingers im ersten Teil wurde Teil 2 natürlich besonders stark auf Brigitte zugeschnitten, die wieder von Emily Perkins vollends überzeugend gespielt wird. Nahm sie im Original aber noch die Rolle des „hässlichen Entleins“ ein, hat man sie hier zwar öfter sexualisiert und vorteilhafter in Szene gesetzt, sich aber dennoch nicht getraut, gänzlich auf die Anwesenheit der attraktiven Katharine Isabelle als Ginger zu verzichten. Doch einen wesentlich größeren Teil nimmt Tatiana Maslany als sehr jung und kindlich wirkende „Ghost“ ein, auf die Brigitte in der Klinik trifft und beide eine Zweckgemeinschaft eingehen. Maslany wirkt in ihrer Rolle als in einer Phantasiewelt lebende, naive Ghost, die selbst – ebenso wie Brigitte – unter Außenseitern noch eine Außenseiterin ist, aber ein dunkles Geheimnis birgt, authentisch bis beängstigend und sorgt dafür, dass ebenso wie im Original wieder ein ungewöhnliches, starkes Östrogen-Duo zusammenfindet – das sich schließlich nicht nur eines seine Machtposition und damit die Patientinnen missbrauchenden Pflegers, sondern auch eines bereits vollendet mutierten Werwolfs erwehren müssen. Durch den gesamten Film zieht sich eine düstere, kalte, bedrohliche Atmosphäre; Brigittes Situation offeriert keinen Rückzugspunkt zum Kräftesammeln oder Entspannen, zudem ist sie, von Ghost einmal abgesehen, auf sich allein gestellt. Ein Gefühl, wie es viele mit dem Erwachsenwerden überforderte Jugendliche kennen und teilen. Der Alltag in der Entzugsklinik wird, soweit ich das beurteilen kann, relativ realistisch gezeichnet. Brigitte ist natürlich ein Fremdkörper, dem aber niemand Glauben schenkt, was zu Konfliktsituationen führt. Helfen kann ihr dort niemand, doch sich das einzugestehen, ist die auf verständnisvoll und wissend machende Klinikleitung nicht gewillt. Etwas unklar wird aber ab einem bestimmten Zeitpunkt die Rolle des Pflegers, der kurz vor seinem Ableben plötzlich weniger mies als zuvor dargestellt wird, was mir ein wenig konstruiert erscheint. Außerdem geriet das zwar überraschende, aber nicht unbedingt 100%ig stimmige Ende für meinen Geschmack zu unbefriedigend; ich hätte mir einen eindrucksvolleren, angemesseneren Schlusspunkt gewünscht. Trotzdem ist „Ginger Snaps II“ ein empfehlenswerter, intelligenter Film im Teenage-Horror-Gewand mit klasse Darstellerinnen, die sich überaus angenehm vom Teenager-Einheitsbrei anderer Genrefilme absetzen. Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die gelungene Titelmelodie. Ich zücke daher vollauf verdiente sieben Punkte, gestehe Sullivans Regiedebüt aber noch Luft nach oben zu.