Review

Jan Svankmajer ist als einer der bedeutendsten Animationsfilmer in die Filmgeschichte eingegangen. Die Tendenz zur Animation macht sich auch in "Kyvadlo, jáma a nadeje" bemerkbar, obwohl Svankmajer Stop Motion hier vergleichsweise verhalten einsetzt und zudem (was bei ihm allerdings auch keine Seltenheit ist) einen Darsteller herbeigezogen hat, um gleich zwei klassische Beispiele der Horrorstory zu inszenieren.

Diese Geschichten (Poes "The pit and the pendulum" und Comte de Villiers de L'Isle-Adams "La torture par l'esperance" aus seinen "contes cruels") eignen sich aus zwei Gründen (ein inhaltlicher, ein formaler) für eine Verfilmung, die beide Stoffe vereint.
Auf inhaltlicher Ebene [Achtung: Spoiler!] ist "La torture par l'esperance" eine pointierte Variation von Poes Darstellung der Folterung: im Mittelpunkt steht nicht die umfangreiche Schilderung der Folter selbst, sondern der Fluchtversuch eines Gefangenen und erst in der Pointe blitzt der Moment der Folter wieder kurz auf, die hier keine körperliche, sondern eine geistige ist. Die Handlung eignet sich also bestens, um - unter Auslassungen des Schlusses von Poes Erzählung - als Fortsetzung zu funktionieren, und steigert zudem den perfiden Erfindungsreichtum der Folternden.
"Kyvadlo, jáma a nadeje" zeigt so zuerst die Akte der Folterung über die Grube, das Pendel und den sich verengenden Raum aus Poes Erzählung, lässt aber nicht die Befreiung des Protagonisten folgen, sondern bloß einen Fluchtversuch. Das Folteropfer schleicht verstohlen durch dunkle Gänge, verbirgt sich vor vorbeiziehenden Inquisitoren, erblickt die Folterungen an Mitgefangenen, entkommt schließlich ins Freie - und erblickt einen der Inquisitoren: die vermeintliche Flucht wurde erst durch seine Folterer ermöglicht, seine enttäuschte Hoffnung erweist sich als weiterer Akt der Folter.
An den Anfang und das Ende setzt Svankmajer Zitate von Poe und Villiers de L'Isle-Adam, dazwischen arbeitet der Film jedoch auf nonverbaler Ebene.

Und hier erweisen sich die Vorlagen auch auf formaler Ebene als perfekt vereinbar: Poe wie Villiers de L'Isle-Adam nutzen beide (Poe über eine homodiegetische, Villiers de L'Isle-Adam über eine heterodiegetische Erzählfigur) überwiegend die interne Fokalisierung, wenngleich sie sich bei Villiers de L'Isle-Adam nur auf bestimmte Segmente beschränkt.
Svankmajer kann daher problemlos über die sinnliche Erfahrung seiner Hauptfigur arbeiten, aus deren Blickwinkel der Zuschauer durchgängig das geschehen erlebt: mal sieht man die Hand des Protagonisten, mal - wenn dieser nach unten blickt, seine Füße oder den gesamten Körper von der Brust an abwärts. Svankmajer vermeidet dabei die künstlich wirkenden, recht statischen Einstellungen ähnlich arbeitender Film (allen voran natürlich "The Lady in the Lake" (1947), aber auch die 32er Version von "Dr. Jekyll and Mr. Hyde" oder der Humphrey Bogart Klassiker "Dark Passage" (1947)) und bleibt durchweg dynamisch-glaubwürdig.
Geschickt hervorgehobene, feine Gesten - etwa die Handbewegungen beim Betrachten der "eigenen" verletzten Hand - und die wechselnde Schnelligkeit des umherschweifenden Blickes - etwa das schnelle Wegschauen bei einsetzenden Folterungen anderer - lassen das Innenleben der Hauptfigur ebenso erschließbar werden, wie es die verbale Vermittlung in den Vorlagen schafft, ohne dass Svankmajer Mimik oder Tonfall einsetzen müsste. Auf diese Weise bleibt Svankmajer der Struktur der Vorlage so treu, wie es einem nonverbalen Film überhaupt möglich ist - wenn auch ein paar nur verbal fassbare Informationen auf der Strecke bleiben müssen.

Insgesamt bleibt der Film - vor allem was die bedrückende Stimmung betrifft - sehr dicht an den Vorlagen, die durch ihre einfach gehaltenen, nicht sonderlich komplexen Handlungsabläufe ohne Kürzungen in das Medium Film übertragen werden können.

Diese Vorlagen harmonisieren bei Svankmajer ebenso miteinander, wie auch die vom Animationsfilm zum großen Teil deutlich abgerückte Vorangehensweise dennoch mit der Ästhetik des Animationsfilms vereinbar ist: dadurch, dass der Darsteller nur sehr begrenzt mal das Filmbild einnimmt und die Kamera neben vereinzelten Körperteilen und einigen wenigen Ratten (bei Verwundungs- bzw. Tötungsszenen dann tatsächlich in der Stop Motion Technik des Animationsfilms, was auch für Körperteile des Darsteller gilt) vor allem ausgiebig Wandmalereien einfängt, ist die Nähe zum Animationsfilm durchaus gegeben - die abgefilmten Zeichnungen an den mechanisch bewegten Wänden der Folterkammer sind zwar produktionstechnisch vom Zeichentrickfilm zu unterscheiden, kommen ihm der Wirkung nach jedoch recht nahe: der Zuschauer bekommt hier quasi eine eigenwillige Collage geboten, die in der Filmgeschichte vor allem in Benjamin Christensens "Häxan" (1922) recht exzessiv genutzt worden ist. (Dort filmt Christensen ein Kapitel lang ebenfalls Zeichnungen und Modelle ab.)

Alles in allem ein formal beachtliches Kleinod, das zwei Vorlagen geschickt zueinander in Bezug setzt und stimmungsmäßig beiden vollkommen gerecht wird. Von den vielen, vielen Poe-Verfilmungen ist diese hier nicht nur eine der unbekanntesten (das Schicksal vieler Kurzfilme), sondern auch eine der besten.
8/10

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