Achtung, Review enthält Spoiler!
Manchmal guckt man Filme ja einfach nur der Komplettheit halber. "The Shooter" mit Dolph Lundgren ist so einer - um ehrlich zu sein gab es genau einen Grund, warum dieser Film in meinen Player wanderte: Dolph Lundgren spielt mit, und der hatte im Gegensatz zu seinen Kollegen wie Seagal, van Damme oder Norris auch in seinen schwächeren Phasen nur wenige Totalausfälle.
Und manchmal wird man dann überrascht. "The Shooter" ist zwar "B" in allen Belangen, hat aber das große, große Glück, dass mit "Rambo"-Regisseur Ted Kotcheff ein A-erfahrener Mann das Ruder übernahm, der wusste, aus der finanziellen Not eine Tugend zu machen: Wenn "The Shooter" billig, leicht naiv und etwas wirr herüberkommt, dann macht das in diesem Falle überhaupt nichts, denn Kotcheff versteht es, das So-lala-Drehbuch von "Flightplan"-Autor Billy Ray so umzusetzen, dass dabei eine tiefe, tiefe Verbeugung vor den Actionern der alten Schule herauskommt. Das fängt schon beim dünnen Inhalt an: In New York wird der kubanische Botschafter ermordet, der Anschlag zeigt die Handschrift der französischen Terroristin Simone Rosset (solide: Maruschka Detmers). US-Marshall Dane (wie immer: Dolph Lundgren) wird daraufhin nach Prag geschickt, wo der Aufenthaltsort Rossets vermutet wird und wo in wenigen Tagen ein Treffen zwischen dem kubanischen und dem tschechischen Staatschef (und damit vermutlich ein weiteres Attentat) angesetzt ist. Dane macht Rosset schnell ausfindig, doch diese ist mittlerweile gesetzt und betreibt mit ihrer Lebensgefährtin Marta (Assumpta Serna) ein Café. Obwohl sie weiterhin ihre Unschuld beteuert, versucht Dane, seinen Auftrag zu erfüllen und sie in die Staaten zu überführen, doch als er selber nur knapp einem Anschlag entkommt, wird klar, dass die bösen Buben aus den eigenen Reihen stammen müssen.
So weit, so altbacken also - und Kotcheff macht das beste daraus. Mit Hilfe seiner körnigen und farblich leicht blassen Bilder schafft es der Film schnell, dass sich der Zuschauer statt in einem B-Actioner aus den USA der Neunziger in einem schicken, alten 70er-Jahre-Bronson vermutet. Das addiert mit der Tatsache, dass Kotcheff weiß, seine europäischen Settings in ebenso charakteristischen wie stimmungsvollen Bildern einzufangen, womit er atmosphärisch zusätzlich noch ein bisschen was der italienischen Actionkrimis der Siebziger einzufangen weiß, lässt "The Shooter" zu einem gefundenen Fressen für Freunde der alten Schule werden.
Allerdings ist das dann auch fast schon alles, was an "The Shooter" erwähnenswert ist. Ja, der Oldschool-Look macht Spaß, wenn man denn die Originale kennt und mag und es wäre übertrieben zu sagen, dass der Film so gar keine Spannung entwickelt - im letzten Drittel und auch davor schon hier und da einmal ist "The Shooter" durchaus ein Film, der auch auf ganz normale Weise unterhält, wie ein Actionfilm eben unterhalten soll. Als Höhepunkte sind hier sicherlich eine Fake-Verfolgungsjagd zwischen Dane und seinem Kollegen Alex Reed (John Ashton) zu nennen, die inszeniert wird, um das Vertrauen von Rossets Freundin Marta zu gewinnen, aber auch der Wendepunkt, an dem Dane von tschechischen Agenten ausgehebelt wird, bevor er mit Rosset in die USA übersetzen kann, kann einiges (und bietet trotz der deutschen FSK-16-Freigabe auch den einen oder anderen Augenschmaus für Freunde der härteren Gangart) - und der Endspurt macht sowieso alles richtig.
Das alles kann jedoch nicht davon ablenken, dass "The Shooter" zwischendurch auch so manche Länge besitzt, was wohl dem Versuch zuzuschreiben ist, den Charakteren etwas Tiefe zu verleihen. Im Fall von Lundgrens Dane und Ashtons Reed klappt das auch ganz gut (wohlgemerkt: Das alles muss im Kontext eines B-Actionfilms gesehen werden), worin ich mal wieder einen kleinen Punkt für meine oft mit Verachten bedachte These sehe, dass der Schwede zwar kein guter Schauspieler, aber doch zumindest unter oben genannten Kollegen wie Seagal et cetera der Beste ist.
Allerdings misslingt die Charakterisierung dafür an anderen Stellen um so mehr - um ein Beispiel zu nennen: Ist denn Simone Rosset jetzt lesbisch? Bi? Hetero? Musste nur mal ein richtiger Mann ankommen, um sie zu bekehren? Die Amis halt. Fakt ist auf jeden Fall, dass sich der Film auf Charakter- und Handlungsebene seltsam bemüht anfühlt, ein bisschen wie gewollt, aber eben nur bedingt gekonnt. Dadurch entstehen wie bereits angemerkt diverse Längen und ich frage mich, ob es nicht vielleicht ein kluger Schachzug des amerikanischen Labels gewesen ist, rund zehn Minuten Handlung zu kürzen. (Ohne die Fassung gesehen zu haben, vermute ich jedoch einfach mal ins Blaue hinein, dass einfach alle Szenen mit homosexuellem Inhalt entfernt worden sind - wäre ja im Actiongenre nicht das erste Mal.)
Trotz seiner Längen und seinem vom feministischen/queer-theoretischen Standpunkt aus gesehen eher bedenklichen Bild der homosexuellen Frau schafft es "The Shooter" jedoch, aufgrund seiner Oldschool-Attitüde, seiner interessanten Inszenierung und der einen oder anderen coolen Actionszene überwiegend positiven Eindruck zu hinterlassen. Bei weitem kein "guter" Film, wenn man die klassische Definition von "gut" als Grundlage nimmt, aber im Kontext des B-Actionfilms ist "The Shooter" zwar immer noch nicht mehr als mittelmäßig, jedoch mit Tendenz nach oben.
(6/10)