Das Europäische Kino ist doch immer wieder für Überraschungen gut. Dieses mal kommt die Überraschung, die übrigens fast durchweg positiv ist, als fast schon gesamt europäische Kinoproduktion daher, waren doch gleich 7 europäische Länder, wenn zum Teil auch nur finanziell an diesem Film beteiligt. Hauptsächlich ist es aber eine Dänisch Britische Co-Produktion.
"Skagerrak" in eine Kategorie einzuteilen fällt unwahrscheinlich schwer, da der Film über seine knapp 100 Minuten Laufzeit eine Vielzahl von Verwandlungen durchmacht, die zwar manches mal etwas abrupt daherkommen, aber sich letztlich doch zu einem einheitlichen Gesamtbild zusammen fügen. Regisseur Søren Kragh-Jacobsen, der vor 5 Jahren mit dem Dogma Film "Mifune" begeistern konnte, erzählt die fast schon märchenhafte Geschichte zweier Freundinnen, die durchs Leben driften, und dabei ihr persönliches Glück suchen. Zumindest eine der beiden wird es am Ende auch finden, aber ganz sich nicht auf die Art und Weise wie sie oder der Zuschauer es erwartet hat.
Marie (Iben Hjejle) und Sophie (Bronagh Gallagher) sind Ende 20 und jobben sich quer durch Europa, wobei für sie immer der Spaß und das Vergnügen im Vordergrund stehen. Gerade kommen sie mit einem Frachten in einem schottischen Küstendorf an, nachdem sie 4 Monate auf einer Bohrinsel als Putzfrauen gearbeitet haben. Bereits am ersten Abend an Land wird Sophie das gesamte Geld gestohlen das die beiden sich verdient haben. Um so überraschender kommt das Angebot eines schottischen Adligen an Marie, das sie für seinen Sohn und dessen unfruchtbare Frau ein Kind austragen soll. Wiederwillig entscheidet sich Marie schließlich dazu, es für 40.000 Pfund zu tun, auch weil ihr Sophie geschworen hat, das sie ihr beisteht. Nachdem fast schon grotesk inszenierten Akt der Schwängerung vergehen einige Monate, bis Sophie nach einem Autounfall, bei dem Marie gefahren ist, stirbt. Marie ist verzweifelt und wird nach einem Selbstmordversuch auf das Anwesen der Adligen gebracht.
So bis zu diesem Zeitpunkt vergeht im Film gut eine halbe Stunde, und der geneigte Zuschauer bekommt bis hierhin ein toll gespieltes Drama geboten, das zunächst wie eine Sozialstudie beginnt aber letztlich immer mehr ins tragische abdriftet und wenig Hoffnung bereit hält. Doch Søren Kragh-Jacobsen gelingt es dem Film ab diesem Zeitpunkt eine unglaubliche Wendung zu geben, in dem er Marie nach Glasgow fliehen lässt, wo sie den Mechaniker Ken sucht, den sie noch nie gesehen hat, der aber die große Liebe von Sophie war und dem sie nun vom Tod ihrer Freundin berichten möchte. Was sie nicht weiß, der Zuschauer aber sehr wohl ist, das auch Ken bereits tot ist und in einem letzten Anflug von britischem Humor die Beerdigungskosten seinen drei Kollegen in der Werkstatt aufgebrummt hat. Diese planen nun wiederum Marie, etwas vor zu spielen um sie um das Geld für das noch immer ungeborene Kind zu erleichtern. Doch dazu brauchen sie einen "Ken", den sie auch kurzerhand in dem Tierarzt Ian finden, der von Maries "Arbeitgebern" zu ihrer Beaufsichtigung nach Glasgow geschickt wurde. So entwickelt sich der Film immer mehr zur Verwechslungskomödie, wobei der Humor fast ausschließlich pechschwarz ist. Aber auch die tragischen Untertöne werden nicht vernachlässigt, so will Marie immer noch ihr Kind abtreiben, obwohl die Schwangerschaft bereits zu weit fortgeschritten ist und auch die drei Mechaniker, die wohl mit zum skurrilsten gehören was seit langem auf der Leinwand zu sehen war, wollen zunächst nicht auf ihr Geld verzichten. Søren Kragh-Jacobsen gelingt es die Geschichte trotz dieser enormen Genreverschiebung dabei nie aus den Händen und noch viel wichtiger aus den Augen zu verlieren. Seine Charaktere, insbesondere die Hauptfigur Marie, machen eine ständige Entwicklung durch und sind dabei zu jedem Zeitpunkt einfach enorm liebenswert und wirken enorm realistisch, auch wenn die Geschichte immer mehr den Realismus aus den Augen verliert und sich fast schon ins Märchenhafte entwickelt, dabei aber immer wieder durch die grauen Hinterhöfe Glasgows auf den Boden geholt wird. "Skagerrak", eigentlich der Teil der Nordsee, der mit dem Kattegatt die Verbindung zwischen Nord und Ostsee an der Spitze Dänemarks darstellt, ist hier der Name der Autowerkstatt, in der all dese Charaktere zusammen treffen und in der sich, ähnlich wie an der Spitze Dänemarks, die unterschiedlichsten Teile zusammenfügen und doch wieder eine Einheit bilden.
Skagerrak, kommt dabei nicht ganz an die Klasse von Mifune heran, ist aber zumindest optisch durch den Verzicht auf die Dogma Regeln entschieden besser und somit auch für Zuschauer die mit der direkten Art der Dogma Filme nichts anfangen können. Die Story ist dabei doch sehr in den Dogma Filmen verwurzelt und überzeugt durch ihre Tiefe und enorme Vielseitigkeit. Man braucht zwar einige Zeit, bis man sich wirklich auf den Film einlassen kann, aber wenn man erst mal von den Charakteren und der Erzählweise von Søren Kragh-Jacobsen gepackt wurde, wird man seine wahre Freude an diesem Film haben.
Dazu tragen in nicht unerheblichem Maße auch die großartigen Darsteller bei, die man durchaus auch aus anderen Produktionen kennt und deren Schauspielerische Qualität außer frage stellt. Allen voran natürlich die bezaubernde Iben Hjejle, die nicht nur in Mifune, sondern auch in Filmen wie "High Fidelity", "Flickering Lights" und "Old man in new Cars" begeistern konnte. Sie spielt die Rolle der Marie mit allen Facetten des Schauspiels, und kann dabei wirklich die gesamte Gefühlspalette abrufen. Ihr gegenüber steht die eher burschikose Bronagh Gallagher als Sophie, die man bereits in "Star Wars - Episode 1" oder auch den "Commitments" bewundern durfte. Ergänzt werden die beiden Frauenrollen durch Schauspieler wie Ewen Bremner (Trainspotting, Welcome to the Jungle, Snatch), Gary Lewis (Billy Elliot, My name is Joe) und Martin Henderson, der hier zeigt, das er doch mehr kann als er in der Gurke "Torque" gezeigt hat. Sie alle spielen wunderbar natürlich und können gerade durch diese Natürlichkeit gewaltig Punkten.
"Skarerrak" ist ein Film, den sicher nicht jeder mögen wird, da er doch zu sehr ein Film im Sinne der Dogma Filme ist, deren Grundsätze hier zwar nicht befolgt werden, die sich aber im Stil der Geschichte doch wieder finden lassen. Man muss sich auf den Film und seine Figuren einlassen können und wird dann, wenn das gelingt, einen großartigen, durch und durch europäischen Film vorfinden, der sowohl mit tragischen als auch mit unglaublich humorvollen Szenen zu begeistern weiß. Die Genrewechsel, die teilweise zu schnell von statten gehen verzeiht man dabei dann gerne. Ein wirklich schöner Film, der eine Menge Charme besitzt und letztlich zeigt, das einen das Glück irgendwo doch findet, am ehesten dann, wenn man es am wenigsten erwartet. 7,5 Punkte.