Vorweg sei gesagt, dass meine letzte Filmbesprechung schon einige Zeit zurück liegt und ich irgendwie eingerostet bin. Seht es mir nach, wenn ihr die folgenden Zeilen lest. Hier geht es schließlich nicht um mich, sondern um das Erlebnis „The Wall“.
Nun, ich muss gestehen, ich hatte extrem hohe Erwartungen an die Verfilmung von „The Wall“. Für diejenigen unter euch, die nicht wissen, um was es sich bei „The Wall“ handelt: Es ist ein Konzeptalbum, einer Oper/eines Musicals gleich, erzählt in dementsprechend arrangierten Songs. Es gilt als das vielleicht wichtigste Werk der britischen Band Pink Floyd.
Hello? Is there anybody in there?
Alan Parker (EVITA, MISSISSIPPI BURNING, ANGEL HEART) hat sich nun diesem Monumentalwerk angenommen und das ganze versucht, bildhaft zu begleiten bzw. eine Visualisierung des Meisterwerks zu schaffen. Wer das Album kennt, kann sich in etwa denken, wie das Ergebnis aussehen müsste. Ihr dürft keine Dialoge erwarten, oder eine Art Monolog. Erzählt wird ausschließlich durch die einzelnen Songs des Albums. Geräusche wie das Öffnen und Schließen von Türen oder anderen Alltagsgeräuschen sind natürlich trotzdem zu hören, über dem Film liegt keine direkte Musik-Spur.
Hauptfigur ist Pink (gespielt von Bob Geldof), ein Rockmusiker, der sich in einem Hotelzimmer eingeschlossen hat und sein Leben quasi Revue passieren lässt. Das kommt allerdings zwangsweise, denn er ist total am Ende. Keine Energie mehr, ausgebrannt. Im vor ihm stehenden Fernseher sieht man einen Kriegsfilm. Wie im Halbschlaf haben Szenen des Films Einzug in seine Erinnerungen gehalten, die wir sehen und so entsteht ein kruder Mix aus Vergangenheit und Krieg. Als Zuschauer taucht man immer tiefer in seine Gedanken ein und wird mittendrin irgendwie allein gelassen. Man muss selbst mit dem Gezeigten klar kommen und ähnlich wie bei einem Drogenrausch kann es durchaus passieren, das man aus dem Albtraum raus möchte, man aber nicht fähig ist, sich loszureißen. Irgendwann versteht man die anwachsende Panik aber als eine Emotion, die man kontrollieren kann. Nein, man KANN sie nicht kontrollieren. Wenn man genauer hinschaut / hinhört, bleibt Pink, der Rocker, immer Herr der Lage. Seine Gedanken verschwimmen zwar und werden immer grotesker. Weil er aber in der Lage ist, diese Gebilde zu erleben, kann er sich aktiv damit befassen (auch hier gleicht die Erfahrung einem Meskalin/LSD Rausch). Seine letzten Kraftreserven setzt er also ein, um sich psychisch seinen Problemen, seiner Kindheit zu stellen. Der Kriegsfilm, der zeitgleich im TV läuft und auch Einfluss auf diesen Albtraum hat, bringt meiner Meinung nach auch das Thema Konformität in seinen Traum mit ein. Seine Kindheit war kontrolliert durch die Lehrer, alle sehen und hören das Gleiche. Sein Versuch (mit den Gedichten), aus dieser Trägheit auszubrechen, wird vom Lehrer und vom Rest der Kinder verpönt. Passenderweise unterlegt mit dem bekanntesten Stück des Albums „Another Brick in the wall part 2“.
Die Szenen im Film sind immer mal wieder durchzogen von Zeichentricksequenzen, die das Erlebnis noch surrealer machen. Sie sind verwirrend und gewalttätig, verstörend und doch hilfreich bei der Entdeckung der wahren Bedeutung von „The Wall“.
Hanging on in quiet desperation is the English way
Meine Interpretation der Bedeutung der Titel gebenden Mauer ist, dass Pink seine Gefühle, Teile seiner Erinnerung, in einer Mauer eingeschlossen hat. Wird die Mauer brechen? Und wenn ja, was würde das für Konsequenzen haben? Was liegt wirklich hinter der Mauer?
Ich möchte meine Interpretation der Geschichte und der Visualisierung (denn das ist es, nicht unbedingt ein Film, nur die Verbildlichung der Songs) nicht weiter preisgeben. „The Wall“ ist kein Film, es ist ein Erlebnis für die Sinne. Dreht die Anlage voll auf, seid 100% nüchtern und konzentriert euch auf das, was ihr seht/hört. Sicher ist „The Wall“ ein Film, den man sich öfter anschauen muss, um alles zu verstehen. In der Hinsicht gleicht er teilweise einem David Lynch Film.
Für wen ist dieser „Film“ also geeignet? Nun, in erster Linie wohl für Anhänger, Sympathisanten der Band Pink Floyd. Außerdem dürften sich Fans von David Lynch und vergleichbaren Regisseuren angesprochen und pudelwohl fühlen beim Interpretieren und Genießen des Films. Ich dachte vorher immer, dass man das Album „The Wall“ besser versteht, wenn man die Verfilmung gesehen hat und umgekehrt. Zutreffend ist beides nicht zu 100%. Es bleiben Rätsel, Fragen und teilweise auch Verwirrung übrig, wenn der Abspann einsetzt. Man sollte sich danach das Album noch einmal in Ruhe anhören. Das gilt übrigens auch für den Film, er ist nichts für nebenbei, es ist kein Partyfilm. Man wird über den Film im Anschluss diskutieren, und das hilft meiner Ansicht nach auch sehr, die Geschichte zu verstehen. Schaut euch den Film mehr als einmal an. Es gibt zu viel zu sehen und zu deuten, als das man alles beim ersten Mal erfassen könnte.
Irgendwie drängt sich mir auf, dass man den Film gut im Englisch- oder Deutsch-Unterricht zeigen sollte… naja.
I have become comfortably numb
Ich hätte mir ein ähnliches Erlebnis für „The Dark Side of the Moon“ gewünscht… vielleicht kommt das ja noch (findige Zuschauer werden im Film Textzeilen aus Songs von „The Dark Side of the Moon“ erkennen).
Undeadkartoffl (Dennis) für die Online Film Datenbank ofdb.de sowie ciao.de (JimPanse1986)