Yes, we're open again...
Viel hat sich nicht geändert in der Fortsetzung zum Überraschungserfolg „Barbershop“, der uns alle gelehrt hat, wie schön Tradition sein kann. Zumindest, was die Besetzung des Friseursalons betrifft: man konnte den kompletten Schauspielerkern um Ice Cube wieder für das Sequel zurückgewinnen und die Mitglieder dreschen wieder mit lässigen Phrasen um sich.
Der Mann auf dem Regiestuhl wurde allerdings ausgewechselt. Für Tim Story übernimmt nun Kevin Rodney Sullivan das Ruder. Und wenn die ersten Szenen in Calvin's Laden eingeblendet werden, kann man fast glauben, Sullivan wolle nichts an Storys Erfolgsrezept ändern. Die alten Kämpfe werden ausgetragen, Witze werden aus dem Vorgänger übernommen und zum Running Gag gemacht, während die Figuren nach wie vor so zueinanderstehen, wie sie es zuvor taten. Immer noch tönt ab 10 Uhr morgens Rap aus den Boxen und untermalt die Dialoge ganz smooth, während Sullivan in Nahaufnahme auf die redenden Gesichter hält. Charakterentwicklungen halten sich dabei in Grenzen; zwar gibt es durchaus die ein oder andere Weiterentwicklung, besonders, was das Dreieck Terri Jones (Eve), Ricky Nash (Michael Ealy) und Dinka (Leonard Earl Howze) betrifft. Insgesamt glaubt man aber, eine nahtlose Fortführung der Dialoge aus Teil eins zu sehen. Das ist okay, weil man die Charaktere hierdurch erst liebgewonnen hatte, fühlt sich aber leider irgendwann an wie ein überlanger Rohschnitt, der so gekürzt werden müsste, dass das Material in einen Film passt. Soll heißen, die Dialoge im Barbershop für sich alleine haben noch nicht die Berechtigung, in einem Sequel weitergeführt zu werden.
Ein positiver Nebeneffekt ist jedoch der, dass man sich den Figuren nun etwas näher fühlt. Calvin (Ice Cube) allen anderen voran, denn er hat sichtlich aus seinen Fehlern im ersten Teil gelernt und fungiert damit nun als einzigster wirklich Vernünftiger, der den Rest der Combo im Zaum halten muss. Eve hat es inzwischen geschafft, ihre Rolle sehr flüssig in den Rahmen zu integrieren, so dass man bei ihrem Anblick nicht immer an ihre Musikvideos denken muss. Michael Ealy und Leonard Earl Howze verhalten sich in der brisanten Dreiecksgeschichte leider ziemlich klischeehaft und machen den ansonsten recht pfeffrigen Nebenstrang ziemlich vorhersehbar. Sean Patrick Thomas hat sich leider vollends von der Gruppe distanziert; sein ehemaliger Streitpartner Troy Garity aka das Weißbrot Isaac Rosenberg darf sich dafür voll in den Vordergrund spielen, und trotz einer eher kleinen Rolle ist er der heimliche Star des Films; vor allem deswegen, weil er dem (weißen) Zuschauer als einziger Weißer unter Schwarzen das Gefühl gibt, er sei der einzige Schwarze unter Weißen. Das hat beinahe die Qualität von „A Family Thing“ und gibt absolut glaubwürdig die Problematik der Rassenfrage wieder. Denn es ist gerade deswegen so glaubwürdig, weil es fast nie direkt angesprochen wird und Rosenberg sogar akzeptiert und (wenn er nicht zu viel mit seinen Barber-Qualitäten angibt) respektiert wird.
Einen dicken Schnitzer erlaubt sich die Besetzung dann doch: Queen Latifah ist absolut fehlbesetzt und vermag es nicht, das zu schaffen, was Eve schaffte, nämlich von der eigenen Persönlichkeit abzulenken. Sie kommt ziemlich unsympathisch rüber, obwohl sie wohl eher als starke Persönlichkeit auftreten sollte; gerade in Szenen wie der, als sie sich mit Eddie (Cedric the Entertainer) anlegt, weil der ihrer frechen Göre (zu Recht!) die Leviten gelesen hat.
Insgesamt kommt das Sequel dem Original in Sachen Barbershop-Atmosphäre jedoch gleich, was ja nun kein schlechter Anfang ist.
Nun aber das Problem: schaffte Tim Story die Gratwanderung, eine wundervoll nichtssagende Momentaufnahme aus dem Leben einer Gruppe von Menschen einzufangen und gleichzeitig durch den Nebenstrang um den Gauner Anthony Anderson Struktur in den Film zu bekommen, versagt Sullivans Fortsetzung bei letzterem Aspekt. Die Geschichte um eine Franchise-Kette als Konkurrenz direkt auf der gegenüberliegenden Seite des Barbershops ist dabei nicht einmal das Problem, denn das ist die logische Konsequenz der Reihe. Eben der nächste logische Schritt, da auch die Übernahme kleiner Firmen und Geschäfte durch Franchise-Ketten und Großunternehmen die Frage aufwirft, welchen Wert die Tradition im wahren Leben besitzt. Dass die Ladenkette „Nappy Cutz“, ihr Besitzer und ihre Subventionäre wiederum pures Klischee sind, stört noch am wenigsten. Vielmehr fällt der Film auseinander in dem Vorhaben, die Auswirkungen einer solchen Neueröffnung gleichermaßen in der Mikroperspektive (Calvin's Barbershop) und in der Makroperspektive (der Bürgermeister) darzustellen. Dann gibt's mal hier eine Bürgermeisterrede, da ein Besuch des Bürgermeisters in Calvin's Laden zu Promotionzwecken, hier die Grillparty, da der Frauen-Beautysalon, hier der Einbruch in „Nappy Cutz“, da das Verhältnis zwischen Terri und Ricky. Zu allem Überfluss gesellt sich noch ein Flashback-Erzählstrang aus der Sicht von Eddie hinzu, der in Schwarzweiß mit einzelnen Farbklecksen gehalten wurde. Es wird geschildert, wie der Barbershop einst von den „Black Panthers“ als Treffpunkt verwendet wurde, und wie Eddie eine Frau kennenlernte. Keine Frage, es sieht schön aus, es ist gut gemeint. Und das Ziel, nämlich den Wert von Tradition und Erinnerungen aufzuzeigen, wird auch klar. Aber es ist insgesamt einfach zu viel des Guten. Der Zuschauer weiß gar nicht mehr, was er alles rezipieren soll. Die 101 Minuten werden deswegen irgendwann auch ziemlich lang, weil sich unendlich eine Episode an die nächste reiht. Das war im ersten Teil deutlich besser gelöst, denn der Geldautomaten-Raub wurde schön gleichmäßig immer wieder aufgeworfen und am Ende schön dezent mit der Hauptstory verstrickt. Hier jedoch sitzt man vor dem Film wie vor einem Puzzle, dessen Teile wild übereinander geworfen wurden.
Optisch glänzt „Barbershop 2“ mit absoluter Professionalität, die den Vorgänger durchaus noch übertrifft. Die gelegentlichen Kamerafahrten aus der Luft sind sehr schön anzusehen und geben dem Zuschauer die Möglichkeit, die „Neighbourhood“ rund um den Barbershop und damit dessen Lage in einem Viertel Chicagos kennenzulernen. Die Musik wird nicht zu aufdringlich, die Optik ist in sehr klaren Tönen gehalten. Rein handwerklich gibt es daher nichts zu meckern.
Nein, die Kritikpunkte gehen alle verstärkt auf das Konto des wirren Skripts und des strukturellen Aufbaus von Sullivans Film. Bleibt er den sympathischen Charakteren der Reihe durchweg treu, verliert er sich in der Erzählung ihrer Geschichte viel zu sehr in Details, die es schwierig machen, dem Geschehen trotz handwerklicher Makellosigkeit über die vollen 100 Minuten bei gleichbleibender Konzentration zu folgen. Dadurch wird die Daseinsberechtigung des Sequels auch in Frage gestellt; lediglich das Storypotential um den Konkurrenzladen verteidigt einen zweiten Ausflug in Calvin's Laden. Hätte man die Geschichte übersichtlicher und strukturierter erzählt, hätte es ein ebenbürtiges Sequel werden können; so gibt es aber im Vergleich mit dem Original 2,5 Punkte Abzug.