„Die Pest in Florenz“ lässt mich zwar beeindruckt, aber auch etwas ratlos zurück.
Ratlos deswegen, weil ich mir nicht sicher bin, ob ich in dem Film die Pro- und die Antagonisten korrekt identifiziert habe. Denn der Blick aus dem Jahr 2023 ist ein vollkommen anderer, als der des Jahres 1919. Genauso bin ich mir ebenso unsicher, ob die Macher überhaupt eine klare Definition von Gut und Böse angedacht hatten und man vielleicht bewusst im Unklaren gelassen werden soll.
Der Film erzählt eine rein fiktive Geschichte und basiert nicht auf dem wirklichen Ausbruch der Pest in Florenz im 14. Jahrhundert. Die Charaktere basieren auf realen Personen, die aber in unterschiedlichen Zeitaltern gelebt haben, und stellen somit eher verschiedene Weltanschauungen und Lebensweisen dar, die hier aufeinandertreffen.
So haben wir zu Beginn das streng kirchlich regierte Florenz, ohne Freude, mit alternden Machthabern, deren oberstes Ziel es ist, an der Macht zu bleiben.
Als dann die Kurtisane Julia in die Stadt einreist und Freiheit und Liebe verspricht, verfällt ihr die Bevölkerung. Fortan herrschen Wollust und Triebhaftigkeit in der Stadt, der sogar ein Einsiedler Mönch aus den Bergen verfällt, der noch versucht, Julia zu bekehren.
Das Ganze ist äußerst prunkvoll und gigantisch ausgestattet; ein Fest für das Auge. Viele Massenszenen gleichen einem Wimmelbild, bei dem es jede Menge Details zu entdecken gilt.
Im weiteren Verlauf bekommen wir vermehrt albtraumhafte Bilder zu sehen, wie einen kompletten Fluss aus sich windenden Menschen. Oder ein Jesus am Kreuz, der sich in die Kurtisane verwandelt, die lustvoll von dem Folterinstrument herunter schaut.
Jetzt fragt sicher jemand: „Und was ist mit der Pest?“
Ja, es dauert etwas, aber auch sie kommt im Film vor, und hier bedient man sich grob an E. A. Poes „Die Maske des roten Todes“. Und wenn die Seuche um sich greift, und als personifizierte hagere Schreckgestalt durch die Gärten des Lustpalastes wandelt, bekam ich schon eine kleine Gänsehaut.
Optisch ein Fest sondergleichen!
Aber wie Anfangs schon erwähnt, ist das Ganze inhaltlich sehr unausgegoren, schwammig und schwer greifbar. Die Handlung, die sich zwischen all den Symboliken versteckt, schlägt zu viele Haken. Ist Julia die Gute, die das Volk von der Tyrannei der Kirche befreit, oder ist sie die Böse, weil sie das Volk in den Untergang führt? Gleiches gilt für die personifizierte Pest. Ist sie Unheil, oder stellt sie nur die verdammte gottgegebene Ordnung wieder her?
Am Ende lässt mich der Film aber vielleicht doch mehr nachdenklich, als ratlos zurück, wie ich zu Anfang geschrieben hatte, was ich ihm nun zu Gute halten will. Und die bombastischen Bilder, die ich zu sehen bekam, lassen über den schwammigen Inhalt gut hinwegsehen. Und so runde ich die erst angedachten 7 Sterne auf 8 Sterne auf.