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Vorhang auf für die amoklaufenden Glatzköpfe! Schon die drei clever inszenierten Intro-Sequenzen, in die die Credits eingebettet sind, etablieren die sonderbar beunruhigende Stimmung, die den gesamten Film durchziehen wird. Danach geht es aber auch schon ans Eingemachte. Eine Party in einem abgelegenen Häuschen, es herrscht eine ausgelassene Stimmung, ein Mann küßt eine Frau, ein anderer packt ihn an den Haaren, um ihn spielerisch wegzuziehen. Doch die Haare lösen sich widerstandslos vom Kopf, und während der Partygast noch entgeistert auf den Haarschopf in seiner Hand starrt, stürmt die Neo-Glatze verstört und mit sich drehenden Augen aus dem Haus. Nur um wenig später zurückzukehren und drei Frauen im offenen Kamin zu verbrennen! Der nächste, der dem offensichtlich Wahnsinnigen begegnet, ist Jerry Zipkin (Zalman King), einer der Partygäste. Der im Haus begonnene Kampf auf Leben und Tod verlagert sich ins Freie, und Jerry vermag den Irren vor einen heranbrausenden Kleinlastwagen zu stoßen, was dem Amoklauf ein jähes Ende bereitet. Doch die Insassen des Trucks deuten die Situation falsch, sehen in Jerry den Übeltäter, und die Polizei ist derselben Ansicht. Gejagt vom Gesetz setzt Jerry, unterstützt von seiner Freundin Alicia (Deborah Winters), nun alles daran, den Auslöser für diese sinnlose Wahnsinnstat herauszufinden. Und wie sich bald zeigt, bleibt es nicht bei diesem einen Amoklauf...
Wenn man sich Blue Sunshine ansieht, könnte man glatt glauben, daß Regisseur Lieberman den Film mit der linken Hand inszeniert hat, während er mit seiner Rechten Hollywood den Stinkefinger zeigte, so erfrischend anders, konsequent gegen den Mainstream gebürstet, ist dieser Streifen. Das beginnt beim verschrobenen, nicht sonderlich sympathischen Protagonisten (Zalman Kings expressives Spiel trägt dazu entscheidend bei), zieht sich durch die diversen Set-Pieces und Dialogszenen, und endet beim halbgaren Schluß, der den Zuseher etwas unbefriedigt zurückläßt. Aber gerade diese ungewöhnliche, eigenwillige, herb realistische Umsetzung mit vielen Ecken und Kanten, an denen man sich stoßen kann, hebt Blue Sunshine aus der Masse heraus und macht ihn so besonders. Die Vorstellung, daß unscheinbare Menschen sich innerhalb von Sekunden in blutrünstige, irrational handelnde Bestien verwandeln, ist ein Schreckensszenario, das schon einige Male durchexerziert wurde (vgl. The Crazies, Rabid, 28 Days Later, Signal, etc.). Lieberman vermischt das Ganze mit der Hitchcock'schen Lieblingsthematik vom unschuldig Verfolgten, der das Verbrechen auf eigene Faust lösen muß, um die gegen ihn gerichteten Vorwürfe zu entkräften. Das funktioniert gut, und einige schöne Suspense-Momente gelingen dem Regisseur obendrein. Die Stimmung, die Blue Sunshine durchzieht, ist nur schwer in Worte zu fassen. Einerseits herrscht, wie oben schon erwähnt, eine Atmosphäre ständiger Beunruhigung, andererseits schimmern aber auch oft hysterisch-komische Untertöne durch, die den Zuschauer nur noch weiter verunsichern. Und diese geniale Stimmung beschert dem unkonventionell inszenierten Film das gewisse Etwas. Am Genrefirmament strahlen so einige Arbeiten von Jeff Lieberman, wie der groteske Wurmschocker Squirm, der stimmungsvolle Backwoods-Slasher Just Before Dawn, oder der herrlich böse und makabre Satan's Little Helper. Blue Sunshine funkelt zwar nicht am schönsten, aber am auffälligsten.

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