"Brave" ist englisch und heißt so viel wie "tapfer", "mutig" oder "unerschrocken". "Mutig" war insbesondere Johnny Depp, renommierter Schauspieler in Hollywood-Filmen wie "Don Juan De Marco" oder "Edward mit den Scherenhänden". Neben jenen Mainstream-Kassenknüllern wurde der Frauenliebling jedoch immer wieder in sperrigen Indiewerken anderer "mutiger" Regisseure gesehen, als da wären Jim Jarmusch ("Dead Man"), Tim Burton ("Ed Wood") oder Emir Kusturica ("Arizona Dream"). Für sein Regiedebüt ließ er sich insbesondere von Ersterem inspirieren, und drehte einen Film, der so in Hollywood eher ungewöhnlich ist - ja, schier unglaublich.
"The Brave" ist ein düsteres, hoffnungslos finsteres, depressives Werk. Johnny Depp spielt den Indianer Raphael, der zusammen mit seiner Frau Rita und seinen beiden Kindern in einem Trailerpark auf einer Mülldeponie lebt. Die kleine, dreckige Behausung bietet ebenso wenig Hoffnung auf eine geregelte Zukunft, wie Raphaels Alkoholsucht, seiner Arbeitslosigkeit oder seiner kriminellen Vergangenheit. Aufgrund seiner langen Gefängnisaufenthalte haben sich seine Kinder längst von ihm entfremdet. Und nun soll auch noch das klitzekleine Fleckchen Land, die letzte Grenze für den Ureinwohner, dem Erdboden gleich gemacht werden - ein Industrieller hat die Zufluchtsstätte für die kuriosen Loser aufgekauft.
Und dennoch träumt Raphael von einem Leben in einem sauberen Haus, mit einer geregelten Arbeit und einem luxuriösen Lebensstil. Um wenigstens seiner Familie ein besseres Leben zu ermöglichen, beschließt Raphael eine "mutige" Tat: In der Stadt lässt er sich von dem dubiosen, im Rollstuhl sitzenden Geschäftsmann McCarthy (Marlon Brando) für ein perverses Geschäft anheuern: Für den Lohn von 50.000 Dollar lässt sich Raphael binnen einer Woche foltern und brutal töten. McCarthy hält den Ausdruck des Todes für eine festhaltenswerte Kostbarkeit, da sie den Lebenden es erleichtert, und überhaupt buchstäblich möglich macht, dem Tod ins Gesicht zu blicken. Zwischen den Zeilen kann jeder lesen: Raphael soll als Opfer in einem Snuff-Film mitspielen.
Gleich der Anfang ist so beklemmend und symbolisch eingefangen, wie nur irgend möglich. Lange, kaum beleuchtete Korridore, ein Bewerbungsgespräch, das jeder Beschreibung spottet, da so viel beißender, schrecklicher Zynismus in den Worten liegt, und schließlich ein riesiger Lastenaufzug, der Raphael direkt vor seinen Henker befördert: McCarthy, dargestellt vom fetten, hässlich gewordenen Brando, der derart verkommen aussieht, dass man auf einen Schlag vergisst, welch attraktiver Schauspieler jener Mann doch einst zu Zeiten eines "Der Wilde" doch war. Wenn Brando seinen Dialog über seine perverse Arbeit schildert, dann ist jene Erklärung eine erschreckend sadistische Rechtfertigung für sinnlose, pornografische Gewalt, so wie sie hier angedeutet wird.
Nach diesem bizarren, unheilvollen Auftakt hat Johnny Depp eine Woche Zeit, sich auf sein beschlossenes Ende vorzubereiten. Mit einem Drittel Vorschuss in der Hand darf er eine letzte, endlich sorglose Woche mit seiner liebenden Frau und seinen Kindern verbringen. Ein letztes Mal feiert er eine gigantische Fiesta auf dem Schrottplatz, komplett mit Plasmafernseher, Swimmingpool und Klettergerüst. Raphael muss sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen, und mit der Tatsache, dass er Zeit seines Lebens nie ein religiöser Mensch war, weder christlich, wie seine Frau, noch auf die indianischen Riten seines Vaters vertrauend.
Zwischen Anfang und Ende erstreckt sich ein langsamer, bedächtiger, oftmals schön fotografierter Film, untermalt durch die stimmige Musik von Iggy Pop und Mark Governor. Aber dennoch dringen immer wieder fürchterliche, haarsträubende Themen durch. Depp scheut sich nicht davor, Themen wie Nekrophilie, Sodomie und Kannibalismus anzudeuten und zu erwähnen. Er benutzt biblische Elemente, als auch indianische Traditionen. So sitzt er mit seinem Vater (Floyd Westerman) am Lagerfeuer und beschwört ein letztes Mal die indianischen Geister, oder trifft in Form des "Personalchefs" von McCarthy auf einen ekelerregenden Propheten, der Raphael auch flugs die Wunden Jesu Christi beibringen kann.
Der Film ist ein intensives, sehr, sehr ungemütliches Erlebnis, das von den großartigen Darstellern getragen wird. Brando und Depp sind völlig außer Konkurrenz, als Nebendarsteller gibt es Marshall Bell, Elpidia Carrillo, Luis Guzmán, Clarence Williams III und Frederic Forrest zu bewundern. Einzig hakelig ist die ungenaue Regie Depps, der leider im Mittelteil oft auf allzu durchschaubar melodramatische und möchtegern-bedeutungsschwangere Klischees zurückgreift. Wer sich nicht von der allzu ungenauen Regie abgeschreckt fühlt, der bekommt dennoch qualitativ sehr hochwertiges, wenn auch, besonders für's Hirn schwieriges Kino.
Glücklicherweise weiß Depp dennoch, dass er bei einem solchen filmischen Schlag in die Magengrube des Mainstreams auf explizite Gewalt verzichten sollte. Und so lässt das Ende zwar keine Fragen offen - dazu sind die Schicksale zu festgefahren -, zeigt uns das Grauen aber nicht. Und so endet ein "mutiger" Film eines "mutigen" Regisseurs, der mit "The Brave" keinen perfekten, aber einen hochgradig fesselnden und ungewöhnlichen Film geschaffen hat.