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"Samaria" ist einer der neueren Filme des koreanischen Filmemachers Kim Ki-duk. Er ist mit Sicherheit einer der kraftvollsten Regisseure die das Land zu bieten hat und seine ersten Filme zeichneten sich stets durch Rohheit und Aggression aus. Seine Gewaltdarstellung war stets direkt und schonungslos und seine Thematik nahezu immer düster und hoffnungslos. Die Thematik der "heiligen Hure" behandelte er schon auffällig oft, er tat dies in der Vergangenheit in "Birdcage Inn" , "The Isle" und "Bad Guy". Auch in "Samaria" greift er dieses Thema wieder auf, jedoch ist "Samaria" nicht mehr so roh und brutal wie seine Erstlingswerke, der Film ist vielmehr ruhig melancholisch und sehr routiniert gefilmt. Der Film ist in drei klar getrennte Kapitel unterteilt, Vasumitra, Samaria und Sonata.

Die beiden minderjährigen Schulfreundinnen Jae-Young ( Debutrolle für Seo Min-jeong ) und Yeo-Jin ( Debutrolle für Kwak Ji-min ) träumen von einem Trip nach Europa. Um das notwendige Geld zu beschaffen, geht Jae-Young allerdings einer verbotenen Aktivität nach. Sie arbeitet als minderjährige Prostituierte und verkauft sich vorwiegend an sehr viel ältere Männer. Yeo-Jin fungiert eher etwas ungewollt und unsicher als ihre Managerin und Aufpasserin. Man gewinnt schnell den Eindruck, dass Yeo-Jin unglücklich mit dieser Situation ist und den Spass den ihre Freundin verspürt nicht nachvollziehen kann. Als Jae-Young auch noch Interesse an den Freiern zeigt, ihre Berufe erfragt und selber von mehr als nur Sex spricht, zeigt Yeo-Jin deutliche Anzeichen von Eifersucht. Jae-Young sieht sich selber als die heilige indische Tempelhure Vasumitra.
Die beiden haben Glück und ihre verbotenen Aktionen gehen immer gut, doch dann genügt ein unachtsamer Moment und Jae-Young wird von der Polizei in einem Motel auf frischer Tat gestellt. In ihrer Verzweiflung springt sie aus dem ersten Stock und verletzt sich schwer. Yeo-Jin trägt von Schuldgefühlen getrieben ihre Freundin in ein Krankenhaus. Dort verstirbt sie ohne dass Yeo-Jin ihr ihren letzten Wunsch erfüllen konnte ; der Kunde den sie noch einmal sehen wollte, kommt mit Yeo-Jin zu spät.
Yeo-Jin sucht nach einem Weg um ihre Schuld zu sühnen und schlägt einen aussergewöhnlichen Weg ein. Sie schläft mit allen Kunden von Jae-Young, gibt ihnen allerdings das zuvor an die Freundin gezahlte Geld zurück. Fatalerweise kommt ihr allein erziehender Vater als ermittelnder Polizist ( gespielt von Lee Eol ) hinter das Doppelleben seiner Tochter und beginnt verzweifelt diese sowohl zu beschützen als auch zu rächen.
Beide Figuren steuern auf die Katastrophe zu und zerbrechen schliesslich an ihr.
"Samaria" ist mit Sicherheit ein verdammt mutiger Film, Kinderprostitution in Asien ein lukratives Geschäft und Moral ein dehnbarer Begriff. Kim Ki-duk hält den Spiegel vor und das macht er wie immer ohne Schongang.
Wird im ersten Teil des Films "Vasumitra" noch der spielerisch kindliche Umgang mit der Prostitution gezeigt, so wird im zweiten Teil "Samaria" die Schuld erdrückend.
Yeo-Jin erlebt wie Jae-Young lächelnd in den Tod geht.
Sie erlebt die Konsequenz einer fatalen Fehlentscheidung und sie merkt wie sehr sie mitschuldig ist.
Durch Umdrehen der Situation und Rückgabe des Geldes versucht sie eine Art Erlösung zu erlangen, kann aber das Geschehene nicht rückgängig machen.
Die Erlösung von Vater und Tochter kommt im letzten Teil "Sonata".

Kim Ki-duk hat sich weiterentwickelt ; "Samaria" kommt mir viel zu glatt und routiniert daher. Vorbei die Zeiten in denen schmutzig und roh inszeniert wurde, in "Samaria" sind die Bilder fast schon unanständig schön, die Stimmung melancholisch ergreifend und die Musik sanft meditativ. Dennoch bleibt das beklemmende Gefühl am Schluss, zwar mit mehr Hoffnung und wohl auch etwas versöhnlicher, aber immer noch düster genug um aufzurütteln. Ein verzweifelter Appell an die moralisch verblendete Gesellschaft, es geht um verschwendete Jugend und um das zweifelhafte Recht mit Geld alles kaufen zu dürfen.
Auch wenn "Samaria" nicht so schmerzhaft ist wie die Filme davor, so hat Kim Ki-duk doch eines auch weiterhin meisterhaft geschafft, er versteht es wie kein zweiter die Macht der Bilder einzufangen. Im dritten Teil erzählt er nahezu ohne grosse Dialoge, er lässt nur Bilder und Situationen sprechen und sagt damit alles.
Die symbolisch reinigende Kraft des Wassers, die Übergabe des Steuers an die Tochter, das freiräumen der Strasse durch die Tochter, die letzte gemeinsame Nacht von Vater und Tochter nach dem Besuch des Grabes der Mutter.
Hier wird der Film zum Schluss wieder geradezu genial und versöhnt den Zuschauer für die kleinen Schwächen zu Beginn.

Beide Schauspielerinnen gaben mit den Rollen ihr Debut und sie machen beide ihre Sache mehr als anständig. Den Personen Glaubwürdigkeit einzuhauchen ist Aufgabe der Schauspieler, die beiden Mädchen spielen absolut glaubwürdig und in jeder Situation lebensecht. Weitab von Glamour, Glitzer und Mainstream eine beachtliche Herausforderung für zwei Debutantinnen. Auch der Vater wird gut zwischen Verzweiflung, Resignation und Wut dargestellt. Diese Bandbreite der Gefühlsabbildung ist ebenfalls beachtlich und glaubhaft getroffen.
Ein Film der zwar wohl routiniert und zu schnell gedreht wurde, aber keinesfalls schlecht gemacht ist. Diese Bandbreite der Thematik, diese Vielschichtigkeit würde wohl anderen Filmemachern für zwei drei Filme reichen ; Kim Ki-duk macht daraus einen einzigen weiteren absolut sehenswerten Film aus Südkorea.
Weil seine eigene Messlatte so verdammt hoch liegt vergebe ich "nur" 9 Punkte.

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