Der erste Weltkrieg war nach dem amerikanischen Bürgerkrieg der zweite „moderne" Krieg der Weltgeschichte - ein Krieg, der innerhalb von 4 Jahren neun Millionen Menschen das Leben kostete und damit alles zuvor Dagewesene in den Schatten stellte. Wenn man sich landläufig in Deutschland zum Thema „zeitgenössische Filme über den Ersten Weltkrieg" äußert, fallen die Namen „Im Westen nichts Neues" von Lewis Milestone und „Westfront 1918" von Georg Wilhelm Papst. Der Name „Stoßtrupp 1917" fällt in diesem Kontext praktisch überhaupt nicht. Kein Wunder, denn die Originalrollen des Films galten jahrelang als verschollen. Erst in den letzten Jahren gelang es, mit Hilfe des Bundesfilmarchivs und vieler privater Sammler, den Film vollständig bild- und tontechnisch zu rekonstruieren. Der Umstand, dass „Stoßtrupp 1917" ein ausgesprochener Kassenschlager war und ein Millionenpublikum in den frühen 30ern ins Kino lockte, wirkt in diesem Kontext geradezu bizarr.
„Stoßtrupp 1917", ein Film aus dem Jahre 1934 und damit ein Produkt des noch jungen Dritten Reichs, schildert das Leben und Kämpfen einer zunehmend dezimierten Gruppe deutscher Frontkämpfer, die die Hölle der Westfront des Jahres 1917 erleben müssen. Man sollte nun meinen, der Film sei, dem Entstehungsjahr gerecht werdend, ein Loblied auf den Krieg und ein pfefferndes Hurra ob des Ruhmes, der da im Stahlbad wartet. Doch dem ist - überraschender Weise - nicht so. Hier wird ebenso blutig gestorben wie an der „Westfront 1918" und hier wird ebenso gelitten im Trommelfeuer wie bei der Remarque-Verfilmung. Die Mannen um Beppo Brem - der damals noch völlig unbekannt war - stehen im knietiefen Wasser im Stehbunker tagelang im Trommelfeuer. Sie frieren, dursten und hungern. Und kommt dann doch die lang ersehnte Mahlzeit, ertönt der Alarm, und wieder werden die Zähne zusammengebissen und der Tod geht durch die Reihen - den ganzen Film hindurch.
Was „Stoßtrupp 1917" allerdings von seinen beiden, ungleich berühmteren Pendants unterscheidet, ist die Abwesenheit traumatisierter, unter der psychischen Belastung des Trommelfeuers zusammenbrechender Soldaten beziehungsweise das fehlende plakative Herausstreichen von Kriegsneurosen. Das mag für den heutigen deutschen Fernsehzuschauer ein großes Minus sein, ist man doch genau das aus den Filmen Milestones und Papsts gewohnt. Natürlich wird sich der Zeitpunkt der Produktion, wenn auch nicht aufdringlich, so doch bestimmt auf den mangelnden Wagemut ausgewirkt haben, solche Szenen zu zeigen. Auch gibt es hier keine Lazarettszenen, in denen Körperteile amputiert und in Körbe geworfen werden. Diese Seite des Krieges kommt für den heutigen Betrachter klar zu kurz. Das Entstehungsjahr! Ist man die uns bekannten schwarz-weiß Filme über den Ersten Weltkrieg mit ihren Neurosen und durchdrehenden Menschen gewohnt, so mutet es geradezu verdächtig an, einen Film zu sehen, der diese Elemente nicht enthält. Nur brach aber eben die Front nicht zusammen, weil etwa Massen traumatisierter Soldaten ob des Dauerbeschusses nicht mehr in der Lage gewesen wären, ihren Dienst zu versehen. Es wurde trotz der sich ringsherum auftuenden Hölle der Dienst getan. Für den gewöhnlichen Deutschen des Jahres 2008 ist das unbegreiflich und doch ist es Tatsache. So merkt mancher von uns womöglich, dass das eigene Verstehen der Welt - und ihrer Geschichte - doch an Grenzen stößt. Und genau an diesem Punkt könnte die Verfilmung Hans Zöberleins Roman „Der Glaube an Deutschland" für den Fan historischer Filme interessant werden, denn er spiegelt das damalige Verständnis der Zeit oder besser, des Leidens und Kämpfens im Ersten Weltkrieg wieder.
„Stoßtrupp 1917" wirkt zu jeder Sekunde genuin. Es ist direkt greifbar, dass die Macher und viele der Darsteller selbst den Alptraum des Ersten Weltkrieges erlebt haben. Kein apologetisches Zeitgeistgerede, aber auch keine dem Produktionsjahr nach zu vermutende Kriegspropaganda versalzen den Film. Natürlich wird hier nicht anachronistisch daherphilosophiert wie etwa im bereits schon leicht dümmlichen „Merry Christmas", der uns das Plakat mit der Aufschrift „Warum Krieg?" so nahe vors Gesicht hält, dass dem Zuschauer schwarz vor Augen wird. Das spielt aber in diesem Fall auch keine Rolle, denn wer ernsthaft meint, der wirkliche Erste Weltkrieg sei auch nur zum Bruchteil im Daniel Brühl Unsinn des Jahres 2005 wieder zu erkennen, der darf sich entspannt zurücklehnen, denn er ist in bester Gesellschaft - einer Gesellschaft, die sich ihre Zeit von Dieter Bohlen vertreiben lässt.
Die Frage, die sich jeder heutige Zuschauer nun wohl stellt, ist die nach der Quintessenz. Ist „Stoßtrupp 1917" nun etwa gar ein Antikriegsfilm? Die Frage ist schwer zu beantworten. Die Mehrzahl der heutigen Deutschen würde das vermutlich verneinen. Die Intention des Films ist nämlich zweifelsohne die, den Männern an der Front des Ersten Weltkrieges ein Denkmal zu setzen, ohne allerdings das beispiellose Leid des Krieges auszusparen. Das Element des Antikriegsfilms ist, gemessen am Produktionsjahr, allerdings doch ungewöhnlich präsent. Da hört man Soldaten rufen, dass die Heimat dieses Grauen nur einmal sehen solle. Sie würde in ihrer Kriegseuphorie dann schon verstummen. Auch baut der Film kein Freund-Feind Schema auf. Sowohl die Deutschen als auch ihre Gegner, die Engländer und Franzosen, werden als das dargestellt, was sie waren: Väter, Söhne, Freunde und Kameraden. In der letzten Szene des Films trösten Beppo Brem und seine Kameraden einen sterbenden, jungen Briten mit einem Weihnachtsbaum. Eine bewegende Szene. Lust auf Krieg hat nach dem Genuss dieses Films kein vernünftiger Mensch mehr. Allerdings verneigte sich sicherlich so mancher Kinobesucher innerlich vor den Vätern, die knapp zwanzig Jahre zuvor einen Mut und eine Leidensfähigkeit bewiesen, die uns nachgeborenen, ewig Besserwissenden unergründbar sind. Leider sollte sich der im Film beschriebene Fleischwolf schon wenige Jahre später in quantitativ noch viel größeren Dimensionen wiederholen. Die Schlusseinblendung des Films „Frieden den Menschen auf Erden" sollte nicht das Programm der neuen Machthaber im Reich sein.
Der geneigte Zuschauer erlebt schließlich jenseits aller Sehgewohnheiten einen für die damaligen Verhältnisse hervorragend gefilmten, authentischen Kriegsfilm, der spannend und mitreißend inszeniert ist. Fans von schwarz-weiß Kriegsgetöse kommen hier noch mehr auf ihre Kosten als bei jeder gewohnten Kost - einschließlich dem altbekannten Westen und der Westfront. Hier wird praktisch den gesamten Film über geballert und dauergefeuert, dass man sich die Augen oder besser die Ohren reibt ob des Umstandes, noch nie vorher von diesem Film gehört zu haben. „Stoßtrupp 1917" wartet mit ähnlichen Produktionskosten auf wie die Werke Milestones und Papsts. Der Umstand, dass er 1934 produziert wurde, wird einer objektiven Betrachtung des Films allerdings im Wege stehen, die ein oder andere Holperigkeit in punkto Drehbuch auch.