Review

Before Sunset…

…setzt stilistisch das fort, was auch schon „Before Sunrise“ neun Jahre zuvor ausgezeichnet hat - wir begleiten einfach zwei Menschen dabei, wie sie sich einen Tag lang unterhalten. Inhaltlich spielt der Film neun Jahre später. Neun Jahre, die die beide Protagonisten des ersten Teils ohne den anderen verbringen mussten.
Die Erklärung dafür scheint leider ein wenig dünn oder zumindest vermeidbar. Aber ich drücke da gerne ein Auge zu, da „Before Sunset“ ansonsten genauso ist, wie diese Fortsetzung für mich sein musste. Die Charaktere wurden liebevoll weiterentwickelt und die Dialoge versprühen die gleiche Authentizität und Natürlichkeit wie im Vorgänger ohne sich dabei zu wiederholen. Es sind neue und andere Probleme, die sich einem Mitdreißiger stellen, und dem das Autorentrio aus Regisseur Richard Linklater und den beiden Hauptdarstellern angemessen Rechnung trägt. Beziehungen haben eine andere Qualität und eine andere Bedeutung erlangt. Die Verantwortung, die man zu tragen hat, erstreckt sich nicht nur auf einen selbst, sondern auch auf eine Familie und auf Freunde. Man ist der Gesellschaft und ihren Konventionen mehr ausgeliefert und wird wohl erst in vielen, vielen Jahren wieder frei von diesen – wenn man sich nicht schon vorher bewusst gegen sie wehrt. Und wer weiß zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon, ob er das Richtige tut oder getan hat.
Jesse (Ethan Hawke) und Celine (Julie Delpy) sind jedenfalls nicht mehr die, die sie einmal waren. Sie haben ihr eigenes Leben gelebt. Wie nebenbei erfährt man, dass Celine versucht hat, die Freiheiten des Lebens zu genießen und Jesse eine Familie gegründet hat. Trotzdem haben sie sich nach einander gesehnt und ihre Erinnerungen genossen. Beide waren immer aufmerksam, ob der andere nicht doch wieder in ihr Leben tritt und Jesse musste sogar ein Buch über seine Erlebnisse schreiben, um diese zu verarbeiten.
Diesem Umstand und der ständigen passiven Suche nacheinander verdanken sie ihr Wiedersehen. Als Jesse sein Buch in einem kleinen Pariser Buchladen vorstellt nutzt Celine diese Gelegenheit, um wieder einen gemeinsamen Tag verbringen zu können. Mehr muss zu der Geschichte aus meiner Sicht gar nicht gesagt werden.
Ein erwähnenswerter Punkt hingegen ist, dass viele der oben geschilderten Dinge für mich klar waren, ohne dass sie einem gezeigt werden mussten und ohne, dass sie das beherrschende Thema der Dialoge gewesen wären. Gerade durch diese Aussparungen ergibt sich zum Glück so viel Interpretationsspielraum, dass ein anderer Zuschauer oder vielleicht sogar man selbst in einigen Jahren, eine andere Erklärung dafür finden kann. Dies macht die beiden Filme zu einem individuellen Erlebnis und dies spiegelt sich letztendlich auch positiv in meiner Bewertung wieder.
Die Kamera- und Regiearbeit bewegt sich auf dem gleichen hohen Niveau wie beim Vorgänger und kann ebenfalls mit gekonnter Zurückhaltung brillieren. Der Zuschauer ist einfach nur dabei. Keine Kniffe, keine bahnbrechenden Effekte, keine hektischen Schnitte, einfach nur daneben sitzen, ein Stückchen mitlaufen und zuhören.
Vergleichbares lässt sich auch über den Soundtrack sagen. Es gibt keine Ausfälle, keine Aufreger, keine experimentellen Klangteppiche, einfach nichts was von der Schönheit des Erzählten ablenken könnte. Und so verfliegt der Tag für die Protagonisten der Geschichte, wie der Film für den Zuschauer und am Ende muss Jesse zurück nach Hause, zu seiner Frau und den Kindern…

Sehr schöne 8/10 Punkte.

Wem der Film gefallen hat, könnte auch Freude an den Folgenden haben:

- Before Sunrise
- Liebe mich, wenn Du Dich traust
- Elizabethtown

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