Neun Jahre sind vergangen, seit sich Jesse und Celine in Wien begegnet sind und uns dieses Zusammentreffen in dem wundervollen Film "Before Sunset" gezeigt wurde. Jetzt, neun jahre später, treffen sie sich wieder und zeigen das ein Film, der aus einem Spaziergang und 80 Minuten Dialogen besteht nicht nur perfekt funktioniert, nein, er unterhält auch wunderbar und berührt einfach.
Diesesmal sind es nur 80 Minuten die wir den beiden Protagonisten bei ihrem Wiedersehen beiwohnen dürfen, ehe Regisseur Richard Linklater ausblendet und uns mit der Hoffnung zurück lässt, dass wir irgendwann einmal erfahren werden wie es weiter geht zwischen dem mittlerweile erfolgreichen Romanautor Jesse und der Umweltaktivistin Celine, wenn auch hoffentlich nicht erst in 9 Jahren. Bis es aber soweit ist bleibt ja immer noch "Before Sunset", der jeden begeistern wird, der sich schon in "Before Sunrise" wieder gefunden hat, mit den beiden Hauptfiguren mitfieberte und sich am Ende gefragt hat, ob sie sich wieder sehen werden.
Nun sie sehen sich wieder, aber nicht wie versprochen nach 6 Monaten sondern erst als Jesse sein Buch in einer kleinen Buchhandlung in Paris vorstellt und dabei von Celine überrascht wird. Sofort ist sie wieder da, die Vertrautheit, die Nähe, als ob es nicht Jahre waren, die dazwischen lagen, sondern nur Minuten. Ihre Zeit ist begrenzt, Jesse fliegt in wenigen Stunden zurück nach New York, so wird ein Spaziergang durch das in romantische Bilder und Farben getauchte Paris zu einer Chance sich auszutauschen, über Dinge die gewesen sind, Dinge vielleicht hätten passieren können und Dinge, die wie Träume erscheinen.
In den 80Minuten die der Film die beiden durch Paris begleitet, in Echtzeit, teilweise Minutenlang ohne Schnitte, ist die Vertrautheit sofort wieder da, und auch der Zuschauer wird sich an viele Sachen erinnern. Beide sprechen von Früher, sprechen von ihrem Leben und aus anfänglichen Oberflächlichkeiten und belanglosem Smalltalk wird mit der Zeit dann doch die erhoffte Tiefe und die Ehrlichkeit. Beide sind nicht glücklich, haben sich ihr Leben anders erträumt, sind irgendwo immer noch gefangen in den Erinnerungen an den einen Abend, an dem sie sich kennen gelernt haben und vermeintlich für immer aus den Augen verloren haben. Ihr ganzes Leben ist nicht mehr als ein Alibi für das Leben, das hätte sein können, wenn sie damals die Teefonnummern ausgetauscht hätten oder sich beim vereinbarten Treffpunkt sechs Monate später getroffen hätten.
Linklater, der das Drehbuch gemeinsam mit Ethan Hawke und Julie Delphie verfasst hat, spielt mit den Sehnsüchten, die wohl jeder von uns hat. Mit den Gedanken was wäre wenn, wenn man sich in manchen Situationen anders entschieden hätte, wenn man eine Chance vertan hat, die einem das ganze Leben anhängt. Und er zeigt das es Hoffnung gibt, das auch Sehnsüchte und Wünsche in Erfüllung gehen können. Und er zeigt das die Liebe und die Romantik nicht abstirbt, dass es so etwas wie Vorbestimmung gibt, und wenn die Kamera am Ende ausblendet, als alles gesagt ist, und doch noch so viele Dinge folgen können, dann weis man, das hier großes geschehen ist, das Linklater und seine beiden Darsteller ein Stück Film geschaffen haben, das Emotionen weckt, das nicht kalt lässt.
Dabei hat man zu keinem Zeitpunkt das Gefühl man beobachtet zwei Schauspieler bei der Arbeit, vielmehr ist es schon fast ein voyeuristisches Gefühl, als ob man zwei normalen Menschen in sehr intimen Momenten beiwohnt. Man möchte mehr erfahren, möchte an die Hand genommen werden und hofft, dass die Zeit nie enden wird. Um so mehr ist man erstaunt und verwundert wenn der Film endet, schlagartig, unvorbereitet und doch an der einzig richtigen Stelle. Trotzdem, man möchte den Kinosaal nicht verlassen, wünscht sich das Celine noch eines ihrer Lieder singt, man noch mehr erfährt über das Leben, nicht nur der Protagonisten.
Linklater hat einen Film geschaffen, der fasziniert, der begeistert und der doch wahrscheinlich einem Großteil der Kinozuschauer für immer verschlossen bleiben wird. "Before Sunset" ist ein Film auf den man sich einlassen muss, den man nur genießen kann, wenn man bereit ist sich von allem loszusagen was das Kino heutzutage ausmacht. Es passiert hier oberflächlich nichts, es ist nur der Spaziergang zweier Freunde, zweier Seelenverwandten durch eine der schönsten Städte der Welt und doch ist dieser Film so viel mehr als nur das. Anschauen, träumen, genießen, sich gefangen nehmen lassen und am Ende vielleicht mit einem etwas besseren Gefühl zurück kehren in die Realität und den Alltag. Danke Julie Delphie, danke Ethan Hawke und danke Richard Linklater für diesen Film. Der Platz in meiner Liste der besten Filme des Jahres ist euch sicher. 9,5 von 10 Punkten.