Ein angstvolles Zittern geht durch die Bevölkerung Polens, ausgelöst von den asiatischen Reiterhorden der Tataren, die schon weit auf christlichen Boden vorgedrungen sind, und kurz davor stehen, das Königreich in einer letzten Offensive gänzlich niederzuringen. Als der kleine Sohn des gutmütigen und bärenstarken Bauern Ursus eines Tages durch den Wald streift, um Wildschweine zu jagen, kommt ihm statt einer Sau eine Gruppe Tataren vor die Speerspitze, die ihn kurzerhand entführen und mit in ihr Hauptquartier nehmen. Sein Vater, zutiefst bestürzt über den Verlust, zögert keine Sekunde, sich freiwillig den Truppen des Prinzen Stefan anzuschließen, der eine Operation plant, deren Gelingen die Eindringlinge endgültig aus dem polnischen Herrschaftsgebiet fegen soll. Was auf dem Papier glänzt, erweist sich in der Praxis als wenig glanzvoll, Prinz Stefan nämlich erleidet eine Niederlage nach der nächsten bis die polnische Kavallerie sich einem zahlenmäßig weit überlegenem muslimischen Herr unter Führung eines gewissen Suleimans gegenübersieht, von dem klar ist, dass die Polen im Kampfe mit ihm niemals siegreich hervorgehen werden. Suleiman unterbreitet Stefan indes ein Angebot, das er nicht abschlagen kann. Obwohl der Kronprinz bereit ist, sein Vaterland bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen, willigt er schließlich ein, sich in tatarische Kriegsgefangenschaft zu begeben, wofür Suleiman ihm verspricht, seinen Männern kein Haar zu krümmen und sie wohlbehalten in ihre Heimat ziehen zu lassen. Stefan wird als Kriegsbeute und Garant für ein prächtiges Lösegeld, das Suleiman sich vom polnischen Königshaus erhofft, in das nahe Lager transportiert, bekommt dort jedoch schon bald Besuch von seinen Kampfgenossen, die sich bei einem geplanten Befreiungsversuch ungeschickt genug anstellen, um sofort ergriffen und nun ebenfalls in Ketten gelegt zu werden. Die folgende Reise führt sie mitten hinein in tatarisches Gebiet, in die Herrscherresidenz Suleimans, wo Stefans Männer als Zwangsarbeiter Verwendung finden, und der Kronprinz selbst unter strenger Bewachung in den Gemächern des Palastes verwahrt wird. Während ihm dort die hübsche Tochter Suleimans über den Weg läuft, von der er kaum noch die Augen lassen kann, macht Ursus unterdessen eine ganz andere Entdeckung, seinen eigenen Sohn nämlich, den man zwecks Unterweisung in die Lehren des Islam am Hofe Suleimans unterbrachte…
„In der 2.Hälfte des 17.Jahrhunderts war Polen, das weite Gebiete auf beiden Seiten des Dnjepr besiedelte, die einzige katholische Nation, die sich gegen die wiederholten blutigen Angriffe der Tatarischen Horden behaupten konnte. Am Ende gewannen die Tapferkeit der polnischen Kavallerie und die Opferbereitschaft der christlichen Bevölkerung die Oberhand und Europa wurde gerettet!“
Die erste von vielen Stirnrunzeln, die der Film URSUS E LA RAGAZZA TARTARA einem unbedarften Zuschauer beschert, folgt schon gleich nach dem Vorspann, wenn das Spektakel mit der oben zitierten Texttafel eingeleitet wird. Vor allem zwei Dinge stechen ins Auge. Zum einen natürlich Zeit und Ort, an dem die Handlung des Films angesiedelt ist. Ursus, der die Muskelprotzriege des italienischen Sandalenfilmkinos seit Carlo Campogallianis 1961 erschienen gleichnamigen Film um einen weiteren Retter von Jungfrauen in Not und Stürzer bitterböser Usurpatoren bereicherte, agierte vor URSUS E LA RAGAZZA TARTARA stets in einem archaisch-antiken Kontext, kämpfte und liebte in orientalischen oder griechischen Phantasiekönigreichen. Sicherlich waren auch die vorherigen Ursus-Filme nie wirklich aufeinander aufgebaut, jeder erzählte eine eigene Geschichte für sich, die mit den übrigen nicht wirklich zusammenhing, dass Ursus hier nun also ins Polen des 17.Jahrhunderts versetzt wird und auf Seiten christlicher Heere gegen muslimische Eindringlinge fechten soll, stellt allerdings doch einen recht drastischen Bruch mit bisherigen Konventionen dar. URSUS E LA RAGAZZA TARTARA unterscheidet sich jedoch auch in so ziemlich allen andern Belangen von früheren Werken wie beispielweise URSUS NELLA VALLE DEI LEONI, die recht einfach gestrickte, unterhaltsame Monumentalfilmchen italienischer Prägung darstellten, in der der Held, ob er nun Maciste, Herkules oder eben Ursus heißt, für das Gute in den Kampf zieht, und dabei ein mehr oder minder beeindruckendes Abenteuer nach dem andern erlebt bis er am Ende seine Liebste oder eine Königskröne in den Armen beziehungsweise auf dem Kopf hält. Obgleich der Film Ursus im Titel führt, ist der Hüne hier jedoch nichts weiter als eine bessere Nebenfigur, seine Funktion für die Handlung gleich null, wird vom Drehbuch gar über weite Strecken völlig vergessen, und hat auch nur zwei, drei eher lächerliche Szenen, in denen seine übermenschliche Kraft thematisiert wird, die aber bezeichnenderweise rein gar nichts mit der eigentlichen Story zu tun haben. So darf er einmal einen flüchtenden Tataren, der sich wie ein Äffchen an eine Baumkrone krallt, zu Fall bringen, indem er den Baum mit bloßen Händen entwurzelt. In einer späteren Prügelszenen, wenn die Getreuen des Prinzen Stefan ihre Wächter überwältigen, schwingt zwar auch Ursus seine Fäuste, zu keiner Sekunde wird vom Film jedoch deutlich gemacht, dass er seinen Mitstreitern in irgendeiner Weise körperlich überlegen sei. Seine einzige Aufgabe besteht zudem darin, seinen entführten Sohn zurückzubekommen, und außer dieser Motivation gibt es nichts, was die Figur auszeichnen würde. Ich kann mir wirklich keinen andern Grund als kommerzielle Erwägungen vorstellen, die dazu führten, dass Ursus überhaupt in dieses Werk übernommen wurde. Ein Film mit ihm im Titel, so eventuell die Überlegungen der Verantwortlichen, verkaufe sich sicher besser als einer ohne ihn, schaden zumindest könne es nicht. Dass die italienischen Filmschaffenden des B-Bereichs sich zumeist keines Tricks zu schade waren, um ihr Publikum zu täuschen und damit in die Kinos zu locken, dürfte klar sein.
Womit wir zu dem zweiten auffallenden Merkmal der zwei Sätze des Prologs kommen. Mal abgesehen davon, dass die Texttafel klingt, als habe man versehentlich eine erwischt, die eigentlich für einen polnischen Propagandafilm aus Zeiten des Kalten Kriegs gedacht sein sollte, sticht hervor, wie oft betont wird, dass es sich beim polnischen Königreich um ein katholisches und christlich handelte. Wer da hellhörig wird, tut es zurecht, denn URSUS E LA RAGAZZA TARTARA entpuppt sich spätestens nach seinem ersten Drittel, wenn Stefan und Gefolge in Gefangenschaft gerieten und in die muslimische Stadt verfrachtet worden sind, zum filmischen Äquivalent einer unsäglich konservativen, rückwärtsgewandten und bigotten Predigt, die selbst die moralinsauersten, kitschigsten und naivsten Monumentalstreifen Hollywoods durch ihre Machart in die Schatten stellt. Sobald die Handlung sich in die Residenz des Suleiman verlagert, wird an Plattitüden und alberner Symbolik nicht gespart. Stefans Mannen müssen zwangsweise eine Moschee errichten. Heimlich hält man Gottesdienste in Katakomben ab. Stefan selbst darf in einer Szene einen schweren Holzbalken auf dem Rücken herumschleppen. Die peinlichste Szene des Films fasst da schön zusammen, wessen Geistes Kind die Macher gewesen sein müssen. Suleimans Tochter befindet sich in einem inneren Konflikt. Einerseits liebt sie Stefan, andererseits möchte sie es ihrem Vater recht machen, der von seinem Gefangenen verlangt, er müsse seinen Christenglauben ablegen, wolle er seine Tochter zur Frau haben, was der als aufrechter Christ natürlich kategorisch verneint. Auf dem Richtplatz der Stadt wird eines Tages ein Gefangener qualvoll am Kreuz hingerichtet. Suleimans Tochter ist dadurch derart schockiert, dass sie sofort nachgibt, als Stefan ein weiteres Mal auf sie einredet und ihr seine Religion näherzubringen versucht. Sie sinkt auf die Knie und schwört ihrem bisherigen Glauben ab, um den ihres Liebsten anzunehmen. In dem Moment verstirbt der Gefolterte, Wolken brechen, Regen ergießt sich in Strömen und aus dem Off ertönen Halleluja-Chöre. Mir persönlich fällt dazu nicht mehr viel ein. Zumal der Film voller Fehler und Falschheiten ist, die seine angeblich pro-christliche Botschaft permanent unterlaufen. Eine differenzierte Darstellung der Religionen beispielweise findet nicht statt. Die Tataren, das sind räudige Bestien, die in perverser Lust ehrenwerte Christenmenschen niedermetzeln. Auf Stefans Frage, weshalb sie überhaupt in seinem Vaterland eingefallen seien, hat Suleiman keine bessere Antwort als die, dass es den Tataren eben im Blut läge, zu kämpfen: was sollte man auch sonst tun, etwa faul herumsitzen? Details wie, dass Christus von Suleimans Tochter als Feind des Islams bezeichnet wird, oder dass der historische Hintergrund nicht mal der oberflächlichen Prüfung eines Geschichtswissenschaftlers länger als eine Sekunde standhalten kann, untermauern nur, dass Sorgfalt bei der Produktion dieses Machwerks nicht an erster Stelle stand. Alles wird der platten, nicht näher begründeten, einfach vorausgesetzten Message untergeordnet, dass alle Muslime Ungläubige mit, gelinde gesagt, schlechten menschlichen Eigenschaften seien, und dass Christen alles Recht der Welt hätten, gegen sie mit Waffengewalt vorzugehen. Selbst Wolfram von Eschenbach hat in seinem PARZIVAL ein toleranteres Heidenbild vermittelt, und das um 1210 herum. Nur den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit kann man URSUS E LA RAGAZZA TARTARA nicht machen. Die beiden islamischen Damen, die auftauchen, zum einen Suleimans Tochter, zum andern eine Amme, die sich um Ursus Sohn kümmert, sind von edler Gesinnung, und bedürfen offenbar nur eines Funkens von außen, um sie die Verwerflichkeit ihrer Religionen erkennen zu lassen.
Nach all diesen ärgerlichen Dialogen, Vereinfachungen und bewussten Fehlinformationen nimmt der Film im letzten Drittel dann noch die Wendung zu einem reinen Actionspektakel. Stefan und seine Mannen entkommen natürlich den heidnischen Fängen und im großen Finale wirft sich halb Polen in klirrenden Waffenrüstungen den menschlichen Bestien entgegen, um sie final zu schlagen. Da sämtliche Kampfszenen, obwohl man sich darum bemühte, so viele Statisten wie möglich ins Bild zu bekommen, wenig beeindruckend daherkommen, und allesamt auf irgendwelchen Wiesen im italienischen Hinterland mit teilweise äußerst konfusen Choreographien abgedreht wurden, reißt der Film auch hier nichts mehr heraus, und endet recht abrupt damit, dass Stefan und seine inzwischen offiziell zum Christentum übergetretene Liebste auf ihren Pferden der Kamera entgegenreiten. Es wundert mich wirklich nicht, dass Remigio Del Grosso, sonst ausschließlich im Drehbuchsektor tätig, nach URSUS E LA RAGAZZA TARTARA nie wieder die Gelegenheit bekam, auf einem Regiestuhl Platz zu nehmen.