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Regisseur Nagisa Ôshima ist einer der wenigen japanischen Filmemacher, die es mit aufwühlenden Kunstwerken zu internationalem Erfolg gebracht haben. Bereits sein Film Im Reich der Sinne, ein sadistisches Liebesdrama, mußte in Frankreich entwickelt werden, um nicht bereits im frühem Stadium der heimischen Zensur zum Opfer zu fallen. Max, mon amour gehört zu seiner späteren, europäischen Schaffensphase, die ihn in dieses Land zurückführte. Die für kontroverse Rollen bekannte Charlotte Rampling wird hier nach dem in Zusammenarbeit mit Jean-Claude Carrière entstandenem Drehbuch die Hauptdarstellerin einer ungewöhnlichen Dreiecksbeziehung, die konsequent das Liebesdrama zwischen Mensch und Tier aus King Kong in einer Bourgeoisie - Satire fortsetzt.

Dabei ertappt der englische Diplomat Peter Jones (Anthony Higgins) seine Frau Margaret (Charlotte Rampling) dabei, wie sie sich, anstatt ihrer Freundin einen der regelmäßigen Besuche abstattend, in einer heimlich angemieteten Wohnung aufhält. Als er der Sache auf den Grund geht, erwischt er sie jedoch nicht mit einem menschlichen Liebhaber im Bett, sondern mit einem Schimpansen. Ohne große Diskussion schlägt Peter vor, den Affen Max zuhause aufzunehmen.
Peter und Margaret scheinen eine sehr offene Beziehung zu führen, in der beide Liebschaften ausserhalb hegen. Trotzdem zeigen beide auch Symptome der Eifersucht. Max scheint die Phantasie Peters zu beflügeln, er schläft mit seiner Frau aber führt auch seine Geliebte in den Zoo und fragt sie über ihre Meinung zur Zoophilie, wobei diese eine Liebesbeziehung zwischen einer einsamen Frau zu ihrem Hund zu akzeptieren scheint. Aufgrund der Fragen Peters nimmt sie jedoch an, er würde sich wünschen, sie mit einem Schimpansen zu beobachten, was sie abstoßend findet. Dabei macht ihn die Ungewissheit, was seine Frau mit Max alleine treibt rasend. Er befragt sogar Experten nach der Möglichkeit sexueller Interaktion zwischen Affe und Mensch, doch diese haben nur Erfahrungswerte mit Hunden, Pferden oder Bären.

Ohne jegliche Exploitation wird die Frage nach dem wahren Inhalt der Beziehung zwischen Frau und Schimpanse in Max, mon amour kaum beantwortet. Wie selbstverständlich erlebt der Sohn, wie seine Mutter durch einen Telefonanruf der Freundin als Lügnerin bloßgestellt wird. Ohne großen Skandal beobachtet er, wie eine nackte Prostituierte das Affenzimmer verläßt, nachdem sein Vater während der Abwesenheit der Ehefrau zumindest dem Ablauf des Verkehrs zwischen den verschiedenen Wesen auf den Grund gehen will. Obwohl die engagierte Dame ohne mit der Wimper zu zucken lediglich zum doppelten Preis einwilligt, hat Max kein Interesse an ihr und so gibt es immer noch keinen Beweis für den Verkehr.
Auch die Geburtstagsgesellschaft Margarets wahrt die Contenance, als sie Max vorstellt und dieser nicht das angebotene Mahl annimmt, sondern Zärtlichkeiten gegenüber seiner Liebe andeutet. Lediglich ihr dazugestoßener Ex - Lover meldet sich später entrüstet mit einem Psychologen zurück. Die Unterstellung der Perversität jedoch geschieht aus gänzlich egoistischen Motiven, glaubt er doch, Margaret hierdurch zurück gewinnen zu können.

So bietet Max, mon amour eine ungewöhnliche Interpretation der Fassaden einer feineren Gesellschaft, stellt ohne moralischen Stempel gleichwohl die Zoophilie, die in der Geschichte der Menscheit unterschiedliches ethisches Ansehen genoß, zur Diskussion. Ein zur Zielgruppe eines La Bête konträres Publikum ansprechend allerdings fungiert der Film um eine groteske Liebesbeziehung, die durch das Affenkostüm von Ray Scott eine sehr realistische Wirkung entfaltet, nur beschwerlich und subtil unterhaltend.
Nachdem die sexuelle Revolution vielen Ausprägungen und Beziehungsformen eine Öffentlichkeit und Akzeptanz beschert hat, stellt Max, mon amour in Frage, wie weit Liebe gehen kann und welche Formen Liebe annehmen darf. Als Grundlage für ein offenes Gespräch über moderne Beziehungsformen kann der Film mit seinem Kontrast aus konservativer Gesellschaft und tabubrechender Auslebung auch heute noch für Zündstoff sorgen. Dabei unterstreicht Nagisa Ôshima den Kunstwert der eigenen Arbeiten, indem man ihm einen Selbstzweck der Darstellungen hier keinesfalls vorwerfen kann.
Bewerten kann man Max, mon amour dadurch nur schwerlich, denn der im Randprogramm von öffentlich - rechtlichen Sendern aufzufindende Film begeistert auf einer Ebene, die fernab der Entertainmentrezeptoren durch seine unsittliche Thematik auch klassische Kulturwerte auf die Probe stellt. Geneigte Cineasten dürfen in jedem Fall einen Blick wagen.

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