Ich wusste von diesem Film, daß er etwa 130000 Dollar kostete, von Lion's Gate Entertainment für 2,5 Mio $ gekauft wurde und bisweilen etwa 30 Millionen alleine am BoxOffice einspielte. Gefilmt mit einer digitalen Videokamera und minimalsten Mitteln einen Film so groß zu machen ist schon eine Leistung und somit beschloß ich, mir dieses Machwerk mal anzuschauen..
Ein gestreßtes Double Income-No Kids - Paar macht Urlaub und wird bei einem Tauchgang vergessen. That's the story. Und das ist brillant.
Noch in den ersten Minuten bekam ich den leicht belustigten Eindruck, ich würde mir einen Amateurporno genehmigen, induziert von der Ungriffigkeit der Farben und der glatten Bildwirkung, die durch die Digitalkamera leider als Nebeneffekte auftreten. Schon wenige Minuten später im Verlauf des Filmes schleichen einem die obligatorischen Worte "...und sie kommen zur Sache" über die Lippen, als das Pärchen, die Hauptcharaktere des Filmes, eher nackt als bekleidet durch das Hotelzimmer schleicht und die Frau zur fröhlichen Fleischbeschau lädt. Auch wenn es etwas gekünstelt wirkt, so aufdringlich ist der Film dann doch nicht und es wird recht schnell übergeführt zu der Bootsfahrt, die dann doch auf mehr "vom Film" hoffen lässt. Auch gewöhnt man sich doch recht schnell an die Bildwirkung, so daß sie bezüglich der Filmrezeption keine weitere Priorität mehr gewinnt. Des Weiteren ist der Beginn des Filmes sehr zügig erzählt und langweilt nicht so, als daß man sich über das Bild weiters Gedanken machen müsste. Ab dem Teil mit dem Boot verlangsamt sich die Geschwindigkeit des Filmes und recht akribisch zeigt Regisseur Chris Kentis den Usus der Fahrt, mit einem witzelnden Betreuer und den anderen mitfahrenden Touristen. Auch wird natürlich fein säuberlich gezeigt, wie es zu dem Mißgeschick kommen konnte, daß die beiden vergessen werden. Und es ist wahnsinnig spannend. Da sind sie schließlich: im offenen Meer. Ein paar Schiffe in Sicht, aber außer Reichweite. Hoffnung, Angst und Streß. Was ist da jetzt los?
Dieser Film hat nichts zu bieten, und genau deswegen gewinnt er auch auf der ganzen Linie. Nichts stört die Intention des Filmes; ein Setup und eine Handlung. Es geht um das offene Meer, so weit es auch sein mag, so klein erscheint ironischerweise die große Welt, wenn sie unerreichbar ist und mitten drin die beiden Personen, wie sie mit der Angst kämpfen, auf einen guten Ausgang hoffen und doch auf der Kippe zur Resignation und Selbstaufgabe stehen. Und es geht um Haie. Viele Haie - die altbekannte Gefahr im Wasser. Eigentlich die ganze Zeit sieht man die beiden Leute, wie sie im Wasser treiben, zwischen geistigen aber auch körperlichen Anzeichen, daß sie einfach genug Zeit im Wasser zugebracht haben. Komödienhafte Züge bekommt das Spiel noch obendrein durch lakonische OneLiner, die die Beiden reißen oder dem Anflug einer Grundsatzdiskussion zwischen Eheleuten, die in Anbetracht der Situation zu einer Farce wird. Gespickt ist der Film zeitweise von paradiesischen Bildern und Momentaufnahmen, die aus einem typischen Werbevideo für einen Urlaubsort stammen könnten, mit malerischen Sonnenuntergängen und einer feucht-fröhlichen Trinkfeier mit Einheimischen. Dies hat zwar nichts mit der Handlung zu tun, aber ist natürlich nicht ohne Hintergedanken direkt als Kontrastprogramm zu dem Hauptgeschehen des Filmes gestellt und verleiht dem Gesamtwerk eine sehr amüsant-sarkastische Note.
Angenehm inszeniert (eine 5-Mann-Crew insgesamt, die das bewerkstelligt hat), angenehm gespielt und sehr schön fotographiert kommt "Open Water" daher. Während des Filmverlaufs überrascht immer aufs Neue die Kamera, da sie, auf das Schicksal der beiden Leute focussiert, das Geschehen sehr gut einfängt und ihre Perspektive, als eine Art Froschperspektive auf dem Wasser in Augenhöhe, sehr passend adaptiert. Das kleine Fleckchen auf dem riesigen Ozean kann wirklich klaustrophobisch wirken.
Was vom Tauchgang übrigblieb:
Einfachste Mittel, eine einfache und griffige Story, durchschnittliches bis gutes Schauspiel und wirklich gut gelungene "direkt dabei" Kameraarbeit verhelfen diesem Film, zu etwas ganz besonderem zu werden. Mir hat er sehr gut gefallen. Und so lange man sich nicht von dem Werbespruch "Blair Witch Projekt im Wasser" oder ähnlichem Humbug blenden lässt, ist dieser Film faszinierend, ziemlich witzig, glaubwürdig und auch sehr einnehmend. Man kann und darf hier keinen effektvollen oder verzwickten Plot erwarten und wenn man mit einer passenden Einstellung an die Sache herangeht, funktioniert diese Geschichte bestens. Angst macht einem der Film nicht, man ist auch nie wirklich geschockt, sondern findet eigentlich fast nur Selbstverständlichkeiten vor, wie z.B. das ständige Auftauchen der Haie. Die Hauptemotion für den Zuschauer ist eher sowas wie Mitgefühl, was diesen Kontext genauso gut trägt wie Angst oder jegliche Schockmomente. Das Augenmerk liegt auf dem Kampf der beiden Leute und ihrem ganz eigenen Dilemma, was sie dort auf See erleben. Kurzum: Für das was der Film ist und für das was der Film will, ist er perfekt gelungen!
Der Mensch ist nur in seinem Lebensraum sicher. Weder die Luft, noch das Wasser sind sein Element. Sollte er sein Element mal für einen Augenblick wechseln wollen, ist das sogleich eine Extremsituation, die nur mit Hilfe von Technik lösbar ist; seien es Flugzeuge, oder Boote. Ist eine solche Plattform nicht vorhanden, ist der Mensch auch nur ein Moskito, was eventuell mit einer Zeitung geklatscht wird.
Viel Spaß beim Tauchurlaub!