Dokus zu Tier- und Artenschutz spielen im Fernsehen nur noch eine untergeordnete Rolle. Und Kinoproduktionen zu den Themen kann man mit der Lupe suchen. "Zwei Brüder" wagt den Spagat zwischen Unterhaltung und Botschaft und überzeugt auf der ganzen Linie.
Der Dschungel Thailands, Mitte des 20. Jahrhunderts: Die beiden jungen Tiger Kumal und Sangha werden von Menschen gefangengenommen, voneinander getrennt und verleben unterschiedliche, doch gleichsam traurige Schicksale: der eine vegetiert in einem Wanderzirkus dahin, der andere landet im unterirdischen Käfig eines lokalen Machthabers. Erst ein Jahr später treffen sich die Brüder durch Zufall wieder: als Widersacher in einem Tigerkampf zur Belustigung der Oberschicht...
"Zwei Brüder" beschreibt auf bedrückendste Weise, wie der Mensch mit anderen Lebewesen umgeht und sie zugrunde richten will. Praktisch von Anfang an werden die beiden kleinen Tiger stets gejagt, beschossen, gequält, herumgestoßen, usw. Natürlich wachsen dem Zuschauer die putzigen Tiger schnell ans Herz, und es tut mit der Zeit mehr und mehr weh, was mit den Tieren, ihres natürlichen Lebensraums entrissen, in unserer "zivilisierten" Welt geschieht. Durch die Augen der Tiger sieht man, wie ihre Artgenossen aus Profitgier erschossen werden, wie sie unter Peitschenhieben Kunststücke darbringen sollen, oder wie sie durch Käfiggitter die Welt betrachten, die ihnen genommen wurde. Eine bemerkenswert bedrückende Stimmung, die man so gar nicht von einem Tierfilm erwarten mag, und doch überaus realistisch ist. Die Botschaft dieser Szenen ist eindeutig und klar, doch, und das ist eine große Stärke von "Zwei Brüder", wird sie nie mit erhobenem Zeigefinger betont, sondern es obliegt dem Zuschauer, die Erlebnisse der beiden Tiere zu beurteilen.
Umso schöner sind die Szenen beim großen Tigerkampf, in dem sich die beiden Tiger wiedererkennen, wer hier keinen großen Kloß im Hals verspürt, darf getrost als gefühlskalter Tierhasser bezeichnet werden. Wiedervereint brechen die Tiger aus der Gefangenschaft aus, und verbreiten, obwohl sie niemanden angreifen, überall Angst und Schrecken. Selbst der angeheuerte Jäger Guy Pearce (solide), der das Leben eines der Tiger mitverfolgt hat, bringt es nicht mehr übers Herz, die beiden Tiere zu erlegen. Seine Abschiedsworte zu Kumal, "Verzeih mir", klingen wie ein "Verzeiht uns" der Menschen an die Tiere. So endet auch "Zwei Brüder" überaus emotional, wunderschön und doch nachdenklich stimmend ob der abschließenden Texttafel, wonach es nur noch 5000 frei lebende Tiger auf diesem Planeten gibt. Diese Tatsache ins Gedächtnis zu rufen ist das tatsächliche Anliegen des Films.
Dass die beiden Tiger dem Zuschauer so schnell ans Herz wachsen, liegt nicht nur am herzigen Aussehen der Tiere, sondern auch an der bemerkenswerten Tierdressur, die sogar Kommissar Rex ins Staunen versetzen dürfte. In einzelnen Szenen wirken die Tiere tiefgründiger und intelligenter als Guy Pearce; einzig die Interaktion mit Menschen wurde (verständlicherweise) recht knapp gehalten. Viele Kameraeinstellungen sind derart nah an den Tieren dran und so gut gemacht, dass sie alles in den Schatten stellen, was man je im Fernsehen an Tierdokus gesehen hat.
Obwohl die Handlung nun nicht unbedingt sehr einfallsreich ist, erfüllt sie ihren Zweck allemal. Einzig ist zu bemängeln, weshalb nie ernsthaft hinterfragt wird, warum Tiger so bedingungslos gejagt werden. Gut, hier und da ist vom Menschenfresser und von Angriffen auf Dörfler die Rede, doch ob dies nicht eher eine Rückwirkung des ständigen Zurückdrängens des natürlichen Lebensraums der Tiger durch die Menschen sein kann, solche Fragen stellt der Film (sich) nicht.
Fazit: "Zwei Brüder" ist ein ebenso wunderschöner wie trauriger Tierfilm, der für Kinder wie Erwachsene gleichermaßen zu empfehlen ist. Allzu sensible Naturen sollten möglicherweise dennoch Abstand zu dem Film lassen, denn obwohl nie offen auf die Tränendrüse gedrückt wird, ist das Schicksal der Tiere mitunter herzzerreissend und schwer zu verdauen. Wer diesen Film gesehen hat, wird nur noch wenig Lust auf Zirkus und Tierpark verspüren. Dank seiner lobenswerten Öko-Botschaft vergebe ich für "Zwei Brüder"
8,5 von 10 Punkten.