Streben nach Veränderung. Weil man nicht zufrieden ist mit dem, was man hat. Dem öden Leben in einem faden Kaff am Arsch der Welt in diesem Fall. Wenig Geld, keine schönen Frauen, keine coolen Leute, keine Rockmusik. Der Traum von jenem Land, wo es all das gibt und noch viel mehr. Also los, ruft man dem jungen Mann zu, weg von hier! und erwartet ein klassisches Road- und Veränderungsmovie.
Doch wir sind hier nicht bei Jarmusch oder Salles und co., nein, dies ist der zweite international vertriebene Spielfilm der jungen Geschichte des kleinen Königreichs Bhutan, er wurde realisiert von dem ehemaligen Mönch Khyentse Norbu und trägt eine ganz eigene, dem geläufigen, lakonisch-coolen Reise- und Wanderkino kaum entsprechende Handschrift.
Schon kurz nach dem Aufbruch des leicht naiven Titelhelden, dessen große und groß ersehnte Reise in die Vereinigten Staaten von Amerika durch das Verpassen des Bus in die Hauptstadt bereits früh ins Stocken gerät, lässt Norbu einen zunächst nervenden und altklugen Mönch daher spazieren und mittels parallel zur Primärhandlung erzählter Reise- und Leidenschafts-Parabel die Vorzüge der Heimat und auch der unerwarteten Liebe fabulieren. Der Verdacht eines Alter Ego des Filmemachers, der uns langsam, aber beständig eine fragwürdige Botschaft einhämmern will, liegt eher mehr als wenig nahe.
So sehr der ruhig und gewitzt erzählte, gerade in der Parallelhandlung auch visuell sehr kompetent und stilisiert inszenierte, sympathisch gespielte Film mit Fortdauer immer mehr gefällt, so sehr wächst auch der Verdacht des mit einem urbanen und modernen, nach Veränderungen strebenden Lebensstil sympathisierenden Zusehers, hier unter dem Deckmantel eines Arthauswohlfühlfilms ein im Kern reaktionäres und somit verachtenswertes Pamphlet für die Heimat und den Stillstand serviert zu bekommen. Der Reiseprozess zu Fuß und per Anhalter durch die Berge und Wälder Bhutans wird zähflüssiger, der Wunsch, endlich hier rauszukommen bei der Hauptfigur immer geringer und weniger dringend, auch - und daraus zieht dieser kleine Film seine ambivalente Stärke - aufgrund der sympathischen Gang, die sich inzwischen gebildet hat, alle gemeinsam und aus unterschiedlichsten Gründen auf dem beschwerlichen Weg in die Stadt, inklusive eines hübschen Mädchens, das sich, so will es das Filmgesetz natürlich auch im fernen Bhutan, zum Helden hingezogen fühlt.
Die simpel und letztendlich komplex zugleich wirkende Dreiecksparabel, die von dem Mönch immer wieder zwischendurch erzählt wird und der Realhandlung ebenbürtig gegenübersteht, dient auch als stilistische Reflexion des Regisseurs über sein eigenes Wandeln zwischen Tradition und Moderne, zwischen der Heimat Bhutan, dem filmischen Niemandsland, und der großen Filmwelt mit ihren stylishen Filtern und schwerwiegenden Liebesdramen.
Bis zur allerletzten Einstellung und selbst da noch mehrere Sekunden spielt Norbu schließlich verschmitzt mit den Erwartungen und Befürchtungen des gespannten Zuschauers und schafft es mit bewundernswerter Leichtigkeit, letztendlich überhaupt keine simplen Antworten oder Auflösungen zu geben. Das ist zwar alles andere als neu, aber in diesem Kontext wirkt ein solcher Ansatz rundum gelungen und zauberte bei Einsetzen des Abspanns ein Lächeln ins Gesicht und eine Zufriedenheit ins Gemüt des Schreibers, der diesen Film also erfreulicherweise doch noch in die Kategorie „mehr recht als schlecht“ einordnen konnte.
Soll man also von den tollen, spektakulären Dingen außer Reichweite träumen, diesen mit aller Gewalt nachlaufen und die kleinen, schönen, die man vielleicht schon hat, deshalb einfach links liegen lassen? Soll man, auf den eigenen Vorteil aus, Freunde und Familie sich selbst überlassen? Soll man einen unspektakulären Beruf, ein nicht allzu aufregendes Leben für etwas aufgeben, das möglicherweise dann gar nicht besser ist? Oder soll man sich von kritischen Anmerkungen zu all dem, selbst von denjenigen Personen, die einem nahestehen, von seinen Träumen eben doch nicht abhalten lassen und sein eigenes Leben wie man will, selbst gestalten?
Wenn selbst ein buddhistischer Mönch auf solche elementaren und noch weitere in „Travellers and Magicians“ aufgeworfene, hier nun nicht mehr niedergeschriebenen Fragen keine weisen Antworten geben mag, beweist das – man verzeihe mir diesen leicht kitschig anmutenden Abschlusseinwurf - wie verdammt komplex, schwierig und gleichzeitig spannend und interessant, wenn nicht gar schön das Leben so ist.