Review

Die ganzen Nastassja Kinski - Schlagzeilen um ihre doch recht spät erhobenen Vorwürfe des Missbrauchs Minderjähriger seitens der Filmproduzenten des Tatorts „Reifezeugnis“ von 1977 (sic!) haben mich inspiriert, nicht diesen bösen „Skandal“-Tatort, sondern den letzten Tatort des Kommissars Finke aus Kiel namens „Himmelfahrt“ von 1978 zu erkunden. Irgendwann in den Achtzigern oder Neunzigern habe ich ihn auch schon mal gesehen, außer einer groben Ahnung von der Handlung (oder ist er so leicht durchschaubar?) ist aber nicht viel hängengeblieben. Aber „letzter Tatort mit Klaus Schwarzkopf“ und der von mir verehrte Diether Krebs waren gute Argumente, sich das Ganze noch mal genauer anzuschauen.

Wer jetzt nichts von der Handlung lesen möchte, bitte beim Fazit weiterlesen!


Der Krimi fängt mit einem Brand eines Einfamilienhauses irgendwo in einem Dorf in Dithmarschen an. Die Jungs von der Feuerwehr retten eine Frau und ein Kind, der Feuerwehrmann Willy wird dabei schwer verletzt. Das Szenario kommt schon nicht so richtig real rüber, aber ok, ist halt Fernsehen der Siebziger. Bei der Feier anlässlich seiner Genesung wird dann sein Kollege Thomas Brass von einem unbekannten Schützen in den Bauch getroffen. Und nun läuft eine unglaubwürdige Handlung, die sich gewaschen hat (inklusiver diverser Logikfehler) bis zum Ende des Films ab, wie ich sie selten gesehen haben. Wer schreibt solche Drehbücher?

Als erstes wird wegen des zwar schlimmen, aber nicht tödlichen Vorfalls gleich die Mordkommission einbestellt, aus Kiel natürlich, nicht aus Heide, was wesentlich logischer wäre. Und Kommissar Finke, der sich in der Gegend nicht auskennt, verfährt sich ob der „schlechten Karten“ der Polizei auch gleich. Da fragt er doch mal gleich bei einem Blumenhändler nach, der, wie sich später herausstellt, nicht nur einer der Täter ist, sondern dessen Gärtnerei auch im Zielort beheimatet ist. Das heißt, der Kommissar ist zu blöd, zu erkennen, dass er schon da ist? Und auf diesem Niveau geht es leider weiter...

Schnell, viel zu schnell wird dem Zuschauer die Lösung präsentiert: Nach kurzer Zeit wird der nächste Feuerwehrmann beim Fußball angeschossen, und (mit Hilfe kleiner Rückblenden) weiß man schon nach 20 Minuten, dass es um eine Gruppenvergewaltigung der 16jährigen Isa geht, die seitdem verstört ist. Und der Täter soll auch nicht im Unklaren bleiben, nach 30 Minuten wird uns Robbi, ein Freund von Isa, gezeigt, wie er den Nächsten anschießt.

Tja, Spannung nun mal schon völlig weg, und auch die Tatsache, dass der Haupttäter Lossak immer mehr durchdreht und sogar einen Kumpanen erschießt, der auspacken will, kann die Handlung nicht mehr retten. Aber am Schlimmsten sind das Verhalten der Protagonisten und die „Moral“. die man uns hier vermitteln will.

Die Beteiligten verhalten sich sämtlichst unlogisch. Trotz Lebensgefahr verraten die beiden, die zwar Bescheid wissen, aber nichts mit der Sache zu tun haben, ihre Kumpels NICHT, sondern einer haut sogar nach Kiel ab und lässt seine Freundin zurück. Der dümmste der Vergewaltiger, der keine Probleme hat, auf dem Rummel Mädels böse anzumachen, bekommt im Krankenhaus plötzlich Gewissensbisse und bringt sich um. Lossek erschießt seinen Verräterkumpel mit einer Pistole und denkt, die Polizei würde das nicht merken und glauben, es sei der Gewehrschütze gewesen. Und obwohl der Unfall und die Vergewaltigung der 16jährigen schon über ein Jahr her ist, interessiert sich Lossak erst jetzt dafür, wen sie eigentlich missbraucht haben. Obwohl der Name im Zeitungsartikel erwähnt wurde. Wie wahrscheinlich ist das denn? Die Liste solcher merkwürdiger Verhaltensweisen ließe sich noch lange fortführen...

Und dann die Frauendarstellung bzw. die der Ehe. Ich muss gestehen, ich bin kein Feminist oder ähnliches, aber das ist selbst mir zu viel: Die Frau von Thomas Brass hat nichts dagegen, dass er mal hier die eine oder da die andere hat, weil „er ist ja so ein guter Mann, er gibt mir 200 DM Haushaltsgeld in der Woche“. Und Brass selber verlangt immer von ihr Bier oder beschwert sich, dass es nur lauwarm sei. Entschuldigung, ich komm aus der Zeit. Das war da schon nicht mehr angesagt bei jüngeren Leuten, das klingt nach Fünfziger oder Sechziger, aber nicht 1978! Alle Frauen übrigens werden nur dämlich oder unterwürfig dargestellt. Bestes Beispiel die Dame vom Rummel, übrigens eine Pornodarstellerin!

Kommen wir zum Täter-Duo. Der Gärtnereibesitzer ist also ein Astrophysiker aus Innsbruck (müssen die nicht irgendwie schlau sein?), der nach dem Krebstod seiner Frau eine Gärtnerei in Dithmarschen aufmacht, um dort Blumen zu züchten, die er mit dem Namen seiner Tochter betitelt. Alles klar? Und der Schütze, ein Typ namens „Robbi“, macht munter beim Rachefeldzug mit, Konsequenzen egal.
Obwohl er nur ein Angestellter ist und noch nicht einmal eine engere Beziehung zu Isa hat. Auch in der Schlussszene fragt man sich (wie eigentlich immer in dem Film), was das soll: Lossak fährt zur Gärtnerei hin um... ja, warum eigentlich? Um die beiden und das Mädchen zu erschießen? Sofort wüsste jeder, wer es war... Alles Unsinn. Ich hab gar keine Lust mehr, diesen Schwachsinn weiter auszuführen.

Und nun die Moral: Ich hatte den Eindruck, uns Zuschauern soll der Rachefeldzug als „verständlich“ und letztendlich „nicht so schlimm“ verkauft werden. Schließlich haben die Täter ja darauf geachtet, dass die Vergewaltiger nicht ums Leben kommen. Und der Krebstod der Frau, die Vergewaltigung der Tochter... ist doch verständlich, oder? Jedenfalls werden die Erklärungen des Astrophysikers fast ohne richtigen Widerspruch hingenommen. Finke lässt sich sogar genau das Gewehr und die Übungen zu den Morden erklären und wirkt dabei eher interessiert denn angewidert. Irgendwie alles sehr schwarz-weiß. Die oberflächlich guten aber eigentlich bösen Vergewaltiger, die an sich guten und nur scheinbar bösen Täter - etwas mehr Differenziertheit wäre hier sicher angebracht gewesen.

Fazit:

Dieser Tatort bietet inhaltlich nur Müll. Eine hanebüchene Story, eigentlich immer unlogisch agierende Akteure und null Spannung, da der Film gleich zu Anfang Geschichte und Täter verrät.
Bleiben noch die guten darstellerischen Leistungen von Klaus Schwarzkopf und Diether Krebs. Und das nette Gefühl, dank Schwarzkopf die ganze Zeit einem Columbo zu folgen. Aber jeder Columbo ist besser als dieser Tatort. Jeder.

Hatte wohl seinen Grund, dass das der letzte Tatort mit Finke war.

Dafür dann gerade noch 3 Punkte.



Details
Ähnliche Filme