Am Anfang war die Stimme. Die Stimme in der Nacht. Und diese Stimme war die Inspiration für einen der schönsten japanischen Monsterfilme aller Zeiten. Matango basiert lose - sehr, sehr lose - auf William Hope Hodgsons schaurig-schöner Kurzgeschichte The Voice in the Night. Diese tolle, im wahrsten Sinne des Wortes haarsträubende Short Story aus dem Jahre 1907 war der sprichwörtliche Funke, der das Feuer entfachte. Das lodernde Flammenmeer, das sich daraus entwickelte, hat mit der Vorlage fast nichts mehr gemein... da haben die Autoren ihrer Phantasie freien Auslauf gewährt.
Matango ist ein hinreißend bizarrer Überlebenstrip auf einer mysteriösen Insel im Südpazifik, inszeniert vom Vater des Kaiju Eiga, des japanischen Riesenmonsterfilmes: Ishirô Honda (1911 - 1993). Honda ließ unter anderem Godzilla durch Tokio toben (Gojira, 1954), machte mit einer knuffigen Riesenmotte die Lüfte unsicher (Mosura, 1961), und sorgte 1968 mit Kaijû Sôshingeki (Frankenstein und die Monster aus dem All) für die vielleicht herrlichste und gelungenste Monsterklopperei der Filmgeschichte. Doch fünf Jahre, bevor es soweit war, ließ er für die Toho Company die "Mushroom People" aufmarschieren, die - wie könnte es anders sein - ihre Existenz der Radioaktivität verdanken (kaum ein japanischer Monsterfilm ohne Anspielung auf Hiroshima und Nagasaki).
Ein verheerender Sturm setzt dem fröhlichen Segeltörn von sieben höchst unterschiedlichen Menschen ein jähes Ende. Die Schiffbrüchigen, das sind: der Kapitän Naoyuki Sakuta (Hiroshi Koizumi), sein Maat Senzô Koyama (Kenji Sahara), der millionenschwere Schiffsbesitzer Masafumi Kasai (Yoshio Tsuchiya), der junge Psychologieprofessor Kenji Murai (Akira Kubo), der Schriftsteller Etsurô Yoshida (Hiroshi Tachikawa), die hübsche Studentin Akiko Sôma (Miki Yashiro) sowie das trällernde Filmsternchen Mami Sekiguchi (Kumi Mizuno). Als nach einiger Zeit eine kleine, unbekannte Insel vor ihnen auftaucht, ist die Freude groß, und die Gruppe findet sogar Unterschlupf in einem alten, gestrandeten Schiffswrack, welches fast zur Gänze von einer seltsamen Pilzkultur überwuchert ist. Von der ehemaligen Besatzung fehlt jede Spur. Und nicht nur das: eine Fauna ist praktisch nicht existent; selbst Vögel meiden die von einem allgegenwärtigen Nebel umhüllte Insel wie der gemeine Vampir die Knoblauchsuppe. Dafür gibt es Pilze. Unmengen von Pilzen. Als der knappe Proviant dann langsam zur Neige geht, schürt das die aggressive Stimmung unter den Überlebenden, und nach und nach kommen deren unschöne Charaktereigenschaften zum Vorschein, was bald zu einer Eskalation der Lage führt. Und dann entdeckt man auch noch, daß es draußen, inmitten der üppigen, überwiegend aus Pilzen bestehenden Vegetation, doch irgendeine Art von Leben gibt.
Matango zählt zu der Art von Monsterfilm, der nicht eindeutig Stellung bezieht. Tatsächlich deutet einiges darauf hin, daß die Pilzmenschen - auch wenn man die vage Bedrohung, die aufgrund ihrer unheimlichen Andersartigkeit von ihnen ausgeht, nicht leugnen kann - keinesfalls die Bösen sind. Diese "Ehre" gebührt eher den Überlebenden des Unglücks, die überwiegend ziemlich unsympathisch gezeichnet sind. Ein harmonisches Zusammenleben der Gruppe scheint unmöglich, und so ist es nicht verwunderlich, daß die Männer und Frauen nach und nach den süchtig machenden Pilzen verfallen. Denn deren Verzehr setzt nicht nur eine Metamorphose in Gang, sondern sorgt auch für schräge Halluzinationen und einen Zustand der absoluten Glückseligkeit. Der unvergeßliche Auftritt der "Mushroom People" gegen Ende des Filmes (unterlegt mit einer irrwitzigen Geräuschkulisse, einer Kakophonie des Wahnsinns), die mit weit ausgebreiteten Armen unbeholfen durch die Botanik tapsen, als ob sie den letzten Menschen nicht töten, sondern umarmen und Willkommen heißen wollen, ist dann der fantastische Höhepunkt dieses wunderbaren Streifens.
Die mit viel Liebe zum Detail gestalteten Sets sind ebenso atemberaubend wie das exzellent komponierte Breitwandbild (Tohoscope) und die charmanten Ganzkörpermonsterkostüme (an vorderster Front bei den Spezialeffekten: der legendäre Eiji Tsuburaya). Das sehr bedächtige Tempo, mit dem sich das Szenario entfaltet, fällt kaum ins Gewicht, da Matango optisch viel zu bieten hat und auch die schauspielerischen Leistungen sehr gut sind. Dazu kommt, daß Honda einige nette Suspense-Szenen gelingen und daß er - sobald sich das Geschehen auf die Insel verlagert - eine dichte, unwirkliche Stimmung etabliert, die den Zuseher schnell in ihren Bann zieht. Auch wenn man es aufgrund des amerikanischen Titels vermuten könnte... Matango ist kein alberner Trash-Knaller, sondern ein toller, düsterer und faszinierender Horrorfilm, der sich sehr ernst nimmt und der auf pulpige Weise großartig unterhält. Eine ganz dicke Empfehlung!