Review

[Achtung: auf Youtube.com unter „GINGER (1970)“ zu finden (posted by bmuvisvr! Das bin nicht ich.) !]

Ginger = Ingwer; ginger = rothaarig.

Ginger ist nicht rothaarig. Und hat nix mit Ingwer zu tun. Auch sonst nimmt es der Film nicht allzu genau mit herkömmlichen (d.h. heutigen, d.h. 2013/14) Anforderungen an einen Spielfilm: ob Schauspielkunst (nicht vorhanden), Stunts (nicht vorhanden, nicht mal in den Prügelszenen), Beleuchtung (kein Licht bei wichtigen Rückblenden), Sex (ein nackter Körper liegt, wie ein verlorener Bettvorleger, auf einem anderen anderen nackten Körper – das erinnert an ED WOOD: „Wir haben den Motor vergessen: Schüttele den Kraken, als erwürge er Dich!“ / *), oder politische Korrektheit (die blonde Heldin genießt ihre Vergewaltigung): von all dem keine Spur. Okay, vielleicht wurde das alles vor 43 Jahren noch nicht von einem Spielfilm verlangt. Also sollte ich nicht mosern.

Zur weiteren Inspiration schlug ich also bei IMDB nach. Dort ist eigentlich alles gesagt, jedoch auf Englisch, z.B.: „Like a pornographic film, GINGER has absolutely no redeeming social value. And I enjoyed every minute of it!“ [Wie ein Porno-Film hat GINGER absolut keinen moralisch erhebenden Mehrwert. Und ich genoss jede Minute davon!] oder „It is a guilty pleasure to be sure but one that I found very entertaining and was laughing with and about it from start to finish.“ [Er ist ein sündiger Genuss, auf jeden Fall, aber einer, den ich sehr unterhaltsam fand, so dass ich von Anfang bis Ende mit und über ihn lachte.] oder „Ginger could easily be mistaken for a transsexual.“ [Die Frau Ginger könnte leicht als transsexueller Mann durchgehen.] Wegen meiner mangelhaften Übersetzungskünste noch ein paar der Ideen gleich auf Deutsch:
GINGER entstand während eines „glücklichen“ Zeitfensters für das Genre „Sexploitation-Kacke“. 1970 hatte die sexuelle Revolution die deutliche Darstellung von Sex, Sex und Gewalt, Sex in der Sprache, Sex beim Poledance und Bondage-Sex ermöglicht, aber Political Correctness und Frauenbewegung waren noch nicht stark genug, um all das wieder in die Schranken zu weisen. Und solche „Filme“macher wie die von GINGER nutzten dieses kurze Zeitfenster voll aus, gaben zu obigen Zutaten noch Rassismus und Frauenpower mit rein...

Erstaunlich, die Ähnlichkeiten des ganzen aufgesetzten Dramas zu Blaxploitation-Krachern um „Starke (schwarze) Frauen“ **, zufälliger Weise auch alle mit den Namen der Heroinen im Titel, wie COFFY (1973), FRIDAY FOSTER (1975), CLEOPATRA JONES (1973, 1975) oder FOXY BROWN (1974), die aber alle erst kurz nach GINGER rauskamen.

Weitere Ähnlichkeiten gibt es zu „echten“ (= Hardcore) Pornofilmen – naja... Ich meine halt die Schauspielkunst und das Budget. Jedenfalls beginnt immerhin auch DEEP THROAT (erschien auch erst 1972, ein Jahr später – GINGER, so wissen wir heute also, war der totale Trendsetter!!!) mit einer Autofahrt, und dann gibt es auch irgendein Rudelbums-Video, mit vielen Männern und drei Heldinnen, die ebenfalls kichernd und gackernd auf Kaliforniens Straßen zum Einsatzort fuhren (wo es dann in der Mittagspause ein Barbecue gab. Aber das nur nebenbei. Keine Ahnung, wie der Film hieß. Es soll ja recht viele Bumsfilme geben.).

Wobei ich zugeben muss, dass es GINGERs anfängliche Autofahrt war, die mich in den Bann des Films zog. Alles extrem sinnlich-attraktiv: Zu dynamischer Jazz-Mucke („Music: Robert G. Orpin“) fährt ein gelber Sportflitzer („cars courtesy Derio Oldsmobile, Inc.“) auf leeren überbreiten Highways durch weite Landschaften, eine attraktive Fahrerin (ja, die Hauptdarstellerin Cheri Caffaro sieht so lange gut aus, bis sie ihre Sonnenbrille absetzt) (danach sieht sie leider aus wie Paris Hilton. Irks! Wrgs! ***), der Frau am Steuer wehen die langen blonden Haare wild im Wind („Miss Caffaro's Hair Styles: Larry Kolber“!): Faszinierend! Und weit besser, dynamischer und magischer als das unentschiedene Hin- und Hergeschneide in DEEP THROAT, das einem auch noch jegliche Übersicht raubt.

Dann ihr erster Auftritt auf eigenen Füßen, vor einem „hypermodernen“ Bürohaus, mit in Beton einquadrierten Minibäumen und viel Glas. Wir sehen von hinten blondes Haar, das offen bis zu den Ellbogen weht; schwarzes Top; weißer Minirock; weiße kniehohe Stiefel. Während sie durchs Haus stöckelt, verrät uns ein Off-Sprecher ihre Maße (amerikanische Maßangaben, also für mich unverständlich), Augenfarbe, Alter (23), Status (Single), ihren Uni-Abschluss (Geschichte und Politikwissenschaften) und den Flugzeugtod ihrer reichen Eltern vor 8 Monaten, dazu noch Weltreisen, Cheerleaderin... Also perfekte Zutaten, wie sie der Drehbuchschreiben-für-Schundfilme-Workshop lehrt!

Dann Rückzoom von ihren Augen (Alarm: „Paris Hilton überschminkt!“ Wrks!) und Einstieg (d.h. trauriger Abstieg) in einen der billigsten Dialoge der Filmgeschichte, der dem Namen der Produktionsfirma „Monterey Home Video“ alle Ehre macht: genau so sahen in den Super 8-Schülerfilmen der 80er Jahre die Dialoge aus! (Hoppla, „Monterey Home Video“ vermarktete den Film nur auf VHS, also auf „Home Video“ 1988, ich muss also die boshafte Bemerkung eigentlich zurücknehmen, aber sie gefällt mir zu gut.) - Eigentlich war „Ginger Productions“ für die Produktion verantwortlich, d.h. ein gewisser Ralph T. Desiderio (übrigens: desire = Begierde. Und seine Familie stellte auch die „Grips“ im Team.). Viel Begierde, wenig Erfolg.

Puh, und auf solchem Schülerfilm-Niveau geht es weiter... doch das alles will ich nicht verraten. Jedenfalls waren bald schon die fiesen Bösewichte meine Lieblinge, so richtig krasse Lachnummern, vor allem weil sich sonst nichts tat. Der erste Konflikt (Prügelei) ließ über 23 Minuten auf sich warten... (puh, die zogen sich!) Gähn! Prima Gangster also immerhin, z.B. das augenrollende Mastermind Rex, schick mit albernem Halstuch und Streifenhemd, oder Rodney, der farbige Fan von weißhäutigen Hinterteilen „It's ass, I want. You promised me all the ass I wanted. White ass...“ Übrigens, nach 23 Minuten: Gingers erste Prügelei wird super verkorkst durch einen Rücksprung in die Totale, wodurch der Dilettantismus erst so richtig sichtbar wird. Und warum wehrt sich die böse Brünette eigentlich nicht? Damit die Heldin Ginger gewinnt. Glück für Ginger.

Die so also nicht nur dieses Problem mit der Rivalin überlebte, sondern später noch den ganzen Film. Der dann sogar so erfolgreich wurde, dass er noch zwei Fortsetzungen nach sich zog, beide angeblich „besser“ (wieder laut IMDB), sowohl bezüglich Qualität, als auch bzgl. Budget. (In all diesen Punkten Teil 1 zu übertreffen, war allerdings nicht schwierig.) Jetzt bleibt uns nur noch, auf das Remake zu warten. Wird es 300 Millionen Dollar kosten? Regie: ein Videoclip- oder ein Werbefilmregisseur? Wird eine Gurke oder ein Genie die Hauptrolle spielen? Paris Hilton oder Jennifer Lawrence? Ihr seht, „Ginger“ bleibt bis heute spannend!

7 Punkte für den Spaß beim "Review"-Schreiben und Recherchieren. Sonst nur 3 Punkte!

* Zum Thema „Nacktheit“ übrigens auf Youtube folgender genialer Kommentar zu den nackten Frauen in GINGER: „these girls so clean no tatoos all over their bodies with senseless messages for some. Really clean? wow.“ [diese Mädchen so sauber keine Tätowierungen auf ihren ganzen Körpern mit sinnlosen Botschaften für einige. Wirklich sauber wow“] Diese Sprachgewandtheit läßt an den Drehbuchautor denken. Ob er den Kommentar beigetragen hat?

** Merkmal all dieser Spektakel: „Die […] Geschichte entwickelt sich bald zum mit Grausamkeiten gespickten "Law and Order"-Spektakel, das jedes Mittel im Kampf gegen das organisierte Verbrechen als gerechtfertigt darstellt.“ [Yeah!] [Film-Dienst 1987 über FOXY BROWN] Inklusive selbstbestimmter Sexualität der Heldinnen, mit Männern und Frauen, selbstbestimmter Lynchjustiz, und selbstbestimmter Gewalt gegen Männer und Frauen, inkl. Explosionen, Kastrationen, fieser Sprüche und böswilligem Verlassens. Fies!

*** Paris Hilton: geb. 1981. Von Beruf (Hotel-) Erbin. Geschmackssache, aber nicht mein Geschmack. Bei ihrem Gesicht denke ich an einen verunglückten Preisboxer. Ihr größtes Talent ist die Selbstvermarktung, die mit einem privaten Sexvideo begann. „Quietschbuntes Modepüppchen“, Landplage, im Knast wegen Kokain und Fahrens unter Alkohol oder ohne Führerschein. Also ein richtiges Vorbild für die Jugend und folgerichtig in 2005 „It-Girl des Jahres“ (sagt ein Musiksender). Weitere Preise:

2004: „Dümmste Frau des Jahres“; gewählt von World Stupidity Awards.
2005: „Schlechtest gekleidete Prominente“; gewählt von PETA (wegen Hiltons Vorliebe für Pelzbekleidung).

Folgende Goldene Himbeeren (Filmpreis, der als Negativpreis für die jeweils schlechteste Leistung des Jahres verliehen wird):

2006 / schlechteste Nebendarstellerin / Film: „House of Wax“
2009 / schlechteste Hauptdarstellerin / Film: „The Hottie and the Nottie“
2009 / schlechteste Nebendarstellerin / Film: „Repo! The Genetic Opera“
2009 / schlechtestes Leinwandpaar (mit Christine Lakin oder Joel David Moore)
2010 / schlechteste Schauspielerin des vergangenen Jahrzehnts.

Das soll natürlich, auf jeden Fall, klar, rein gar nichts über Cheri Caffaro aussagen, gar nichts, nur über Paris Hilton. Die Cheri Caffaro sehr ähnlich sieht. Extrem ähnlich. Meine ich. Das ist die einzige Ähnlichkeit.

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