Review

1973 war ein sensationelles Jahr für originelle und ungewöhnliche Genrefilme, die mit zum Besten und Interessantesten zählen, was die Siebziger diesbezüglich zu bieten haben. Eine kleine Auswahl gefällig, zum Staunen, Träumen, Genießen und sich Wundern? Sehr gerne. Death Line (Tunnel der lebenden Leichen) von Gary Sherman. Cannibal Girls von Ivan Reitman. La Comtesse Noire (Entfesselte Begierde) von Jess Franco. Theatre of Blood (Theater des Grauens) von Douglas Hickox. El Jorobado de la Morgue (Die Stunde der grausamen Leichen) von Javier Aguirre. Don't Look Now (Wenn die Gondeln Trauer tragen) von Nicolas Roeg. Malatesta's Carnival of Blood von Christopher Speeth. La Rose de Fer (Friedhof der toten Seelen) von Jean Rollin. Lemora: A Child's Tale of the Supernatural von Richard Blackburn. The Wicker Man von Robin Hardy. Messiah of Evil (Messias des Bösen) von Willard Huyck. Und Invasion of the Bee Girls (Invasion der Bienenmädchen) von Denis Sanders. 1973 erschien auch Don Sharps Psychomania (Der Frosch), und der fügt sich in diese illustre Runde nahtlos ein. Müßte ich Psychomania mit zwei Worten beschreiben, meine Wahl fiele ohne lange zu überlegen auf 'einzigartig' und 'saucool'.

Die Motorradgang The Living Dead, ein Haufen rebellischer Tunichtgute, macht schon seit geraumer Zeit die Gegend unsicher, doch ihrem Anführer Tom (Nicky Henson) gelüstet es nach mehr. "Let's cross over. To the other side!" verblüfft er seine Freundin Abby (Mary Larkin) beim Knutschen auf dem Friedhof. Gesagt, und wenig später auch getan. Nach einer wilden Verfolgungsjagd crasht Tom in selbstmörderischer Absicht von einer Brücke in den Fluß, wird aufrecht auf seiner Maschine sitzend in voller Lederkluft begraben, nur um wenig später als Untoter aus dem frischen Grab zu brausen. Seinen staunenden Anhängern offenbart er kurz darauf, daß man nur ganz fest an eine Wiederkehr glauben muß, wenn man die Grenze zum Jenseits überschreitet, dann klappt's auch mit dem Zurückkommen. Und außerdem: "You can only die once. After that, nothing and nobody can harm you." Jane (Ann Michelle), die Nummer zwei in der Gang-Hierarchie, reagiert darauf ausgesprochen enthusiastisch: "Oh man, what are we waiting for?" Und auch die anderen müssen sich nicht lange bitten lassen, werfen sich vor Trucks, springen von Hochhäusern oder ertränken sich in einem See. Mach dich fit - mit Suizid, scheint das Motto zu sein. Wer soll The Living Dead, die ihrem Namen nun alle Ehre machen, daran hindern, bis in alle Ewigkeit Terror und Schrecken zu verbreiten?

Schon der atmosphärische Beginn rockt die Hütte! Die Gang kreist auf ihren Motorrädern um eine nebelverhangene Okkultstätte, und zwar in Zeitlupe, was sofort Erinnerungen an Amando de Ossorios "reitende Leichen" weckt, die in etwa zur selben Zeit in Spanien ihr Unwesen trieben. Das war es dann aber auch schon mit den Parallelen zu den Zombietemplern, denn Psychomania ist, wie schon erwähnt, anders. Der schrille Mix aus Biker-Movie und Zombiefilm ist unverkennbar ein Produkt der 1970er und wird mit viel Energie, einem Gespür für eine unvergleichliche Atmosphäre und mit Unmengen an kauzigem, unwiderstehlichem Charme serviert, angereichert mit dem typisch britischen, so staubtrockenen wie pechschwarzen Humor, und garniert mit einer großzügigen Portion Camp.

Begleitet wird das bizarre Geschehen von John Camerons brillantem Rock-Score, der nicht nur einer der genialsten Soundtracks der Siebziger ist, sondern auch die dichte, unwirkliche Stimmung entscheidend mitprägt. Für das schwarzmagische Flair sorgt Toms Mutter (Beryl Reid), die sich als Medium verdingt und ihrem Sohnemann den Weg weist, und ihren sinistren Butler Shadwell spielt niemand Geringerer als Oscar-Preisträger George Sanders (All About Eve). Für Sanders, der seit 1934 im Filmgeschäft tätig war, war es der letzte Auftritt vor der Kamera; er nahm sich kurz nach Ende der Dreharbeiten das Leben. Böse Zungen behaupten, daß er sich umgebracht hätte, nachdem er eine Rohschnittfassung von Psychomania gesehen hätte, aber das ist purer Nonsens. Die deutsche Fassung dieser schrägen Perle hört auf den Namen Der Frosch, doch knapp vorbei ist leider auch daneben, denn nicht Frösche spielen in den okkulten Vorgängen eine gewichtige Rolle, sondern Kröten.

Psychomania geizt nicht mit großartigen Momenten. Wenn The Living Dead mit ihren gruseligen Helmen ohne Rücksicht auf Verluste über die Straßen brettern, dann hat das einfach was. Die Sequenz, in der Tom mit seiner Maschine durchs Erdreich pflügt und sein Grab auf spektakuläre Weise verläßt, ist schlichtweg genial. Die lebenden Toten crashen mit ihren Maschinen eine Polizeistation und sorgen auch in einer Leichenhalle für Unruhe. Ann Michelle ist als Rockerbraut Jane eine Augenweide und treibt zwischendurch auch mal bösen Schabernack (so knüpft sie sich just for fun an einem Ast auf und läßt sich eine Weile baumeln). Es bleibt jedoch nicht bei solch harmlosen Spielchen, denn später rammt sie mit diebischer Freude in einem Supermarkt einen besetzten Kinderwagen! Das Ende ist sehr schön, obwohl die billig-trashigen Spezialeffekte schon in den frühen Siebzigern alles andere als State of the Art waren.

Am Regiestuhl saß der gebürtige Australier Don Sharp (The Kiss of the Vampire), und geschrieben wurde der bizarre Spaß von Arnaud d'Usseau und Julian Zimet. Psychomania ist der seltene Glücksfall eines Filmes, der wunderbar funktioniert, obwohl er eigentlich gar nicht funktionieren dürfte. Die Figuren sind wenig bis gar nicht charakterisiert, Spannung kommt zu keiner Zeit auf, Blut ist Mangelware, Nuditäten sind ein No-Go, und mitreißend ist das Geschehen auch nicht wirklich. Und trotzdem... der kultige Streifen ist einfach nur toll, da mörderisch unterhaltsam, göttlich schräg, irre cool und verdammt groovy.

Wie eingangs schon erwähnt: 1973 war ein sensationelles Jahr für originelle und ungewöhnliche Genrefilme. Psychomania untermauert diese Behauptung auf eindrucksvolle Weise.

Details
Ähnliche Filme