„Garfield: His 9 Lives“ war ursprünglich ein gleichnamiges Comicbuch aus dem Jahre 1984, das es etwas später auch nach Deutschland schaffte und in dem neben Jim Davis auch einmal ganz andere Zeichner Katzengeschichten verfassen durften, die so ganz anders sind als die Garfield-Comics, die man kennt. Die lose Klammer dabei war, dass es sich um Garfields hier nicht nur sprichwörtliche neun Leben handeln sollte, die Geschichten demnach in Vergangenheit und Zukunft spielten.
Der US-Fernsehsender CBS beauftragte die Produktion einer Verfilmung, die als 48-minütiger Episodenfilm im Jahre 1988 erstausgestrahlt wurde. Dabei wurden nur Teile des Buchs übernommen: Vier Geschichten wurden durch neue ersetzt und das Ende abgeändert. „Babes and Bullets“ aus dem Comic wurde ein Jahr später als eigenständiger Kurzfilm produziert und ausgestrahlt. Ich habe mir das US-Original ohne Untertitel angesehen und dabei sicherlich nicht jede Textzeile verstanden. Eine deutsch synchronisierte Fassung ist aber leider unauffindbar.
In der Rahmenhandlung erschafft (ein absichtlich unscharf und schemenhaft gezeichneter) Gott die Katze und gibt ihr neun Leben, die fortan als Episoden unterschiedlicher Zeichner, Regisseure und Länge zu sehen sind. „Cave Cat“ zeigt einen Säbelzahn-Garfield zur Zeit der ersten Menschen – und wie er sich domestizieren ließ. Ein prähistorischer Odie ist natürlich nicht weit und getreu dem Höhlenmenschen-Klischee wird sich viel mit Keulen auf den Kopf gehauen. In „King Cat“ lebt Garfield im alten Ägypten, wo Katzen verehrt werden und er sich Odie zum Sklaven hält – bis sich das Blatt wendet. Eine sehr spaßige Episode um übertriebenen Herrscherkult und das Für und Wider eines Systems aus Herrschern und Sklaven. Völlig aus dem Rahmen fällt anschließend „The Garden“, wo ein Mädchen namens Cloey mit seinem an Garfield erinnernden Babykätzchen in einem überkitschten Wunderland-Garten spielt und man, offenbar angelehnt an den biblischen Sündenfall, einer Versuchung widersteht, die für beide die Vertreibung aus dem Garten bedeuten könnte. Also passiert hier… nichts, außer der absoluten Überdosis quietschbunten Kitschs. „Alice im Wunderland“ in der besonders frommen Evangelikalen-Variante; vermutlich eine Parodie auf ernstgemeinte, ähnlich aussehende Formate.
Im sich ebenfalls von Jim Davis‘ Zeichenstil gänzlich unterscheidenden „Court Musician“ steht Komponist Georg Friedrich Händel (!) unter dem Druck, ein Konzert für den König fertigzuschreiben, bei dessen Finale seine Katze hilft und damit den Jazz erfindet, der dem König sehr zusagt. Garfields Auftritt in „Stunt Cat“ ist äußerst kurz, denn er ist das Stunt-Double für Krazy Kat – eine tolle, ultrapointierte Hommage an die Comickatzenpionierin in exakt deren Stil. „Diana's Piano“ ist wieder eine längere Geschichte in einem erneut komplett anderen Stil. Es handelt sich um die sentimentale, melancholische Geschichte eines klavierspielenden Frauchens und deren musikbegeisterter Katze, die sehr anrührend, aber auch frei von Humor ist und nicht im Entferntesten an Garfield erinnert – was nicht negativ gemeint ist. Auch „Lab Animal“ sieht anders aus, beinahe wie ein Disney- bzw. vielmehr ein Don-Bluth-Film. Hier entkommt eine Katze einer Tierversuchsstation und mutiert zu einer Art Werwolf. Die schlicht „Garfield“ betitelte Episode wiederum hätte auch ein eigenständiger Garfield-Film sein können, handelt es sich doch in erster Linie um seine Origin-Story um die Geburt im italienischen Restaurant, wie er zu Jon kam und wie er Odie kennenlernte, erweitert um nette Gags und einen Blick in den Altersruhestand Garfields und Odies.
„Space Cat“ orientiert sich schließlich lange an der Buchvorlage, in der ein Raumfahrer-Garfield in der Zukunft eine Schlacht verliert, hat hier aber ein anderes Ende, das zurück zur Rahmenhandlung führt, in der sowohl Garfield als auch Odie neun weitere Leben erhalten und der Verdacht genährt wird, dass Gott vielleicht doch eher die Katzen anstelle der Menschen nach seinem Vorbild geschaffen habe… Mit dieser gelungenen Pointe endet dieser Episoden-Kurzfilm, der neben viel Garfield-Spaß auch sehr prominent zeigt, wie unterschiedlich Zeichentrick aussehen und sein kann und der damit vor allem als Ehrerbietung an die Katze generell zu verstehen ist – nicht nur an Garfield.