Review

"Sonata" ist bestimmt nicht das, was man sich geläufigerweise unter einem Horrorfilm vorstellt. Nun könnte man zwar sicherlich Kriterien erstellen, welche "Sonata" per Definition dennoch zu einem Horrorfilm machen, aber eine entsprechende Kategorisierung würde letztendlich bei vielen Zuschauern lediglich für enttäuschte Erwartungen sorgen. "Sonata" ist ein kleines aber feines, kammerspielartiges Psychodrama mit sehr augenscheiniger Märchensymbolik und (etwas) emotionalem Tiefgang. Beim Anschauen kamen mir desöfteren die Werke von Angela Carter in den Sinn, wobei deren Gehalt, Intensität und Vielschichtigkeit nicht erreicht wird (fairerweise muss man anmerken, dass Neil Jordans - im übrigen sehr sehenswerte Umsetzung - "Die Zeit der Wölfe" diesbezüglich bereits 1984 gescheitert ist).

Boris Undorfs Film zeichnet sich auffällig durch eine enorm ruhige und langsame Inszenierung aus. Dies stellt aber m.E. kein Defizit dar, weil das geradezu schlafwandlerische Tempo in dem sich die Handlung vollzieht absichtlich gewählt ist und also nicht etwa aus Unvermögen heraus resultiert. Dies stellt zugegebenermaßen wohl eine Herausforderung an den einen oder anderen Zuschauer dar, wobei eine halbwegs normale Aufmerksamkeitsspanne und die Bereitschaft, sich auf "Sonata" einzulassen ausreichen sollte, damit das Ansehen nicht zur Geduldsprobe wird.

Ferner könnte man kritisieren, dass die gewählten Symbole und Versatzstücke aus diversen bekannten Märchen eher plump und vordergründig eingesetzt werden, jedoch sollte man diesbezüglich auch den Gesamtkontext betrachten. "Sonata" gibt dem Zuschauer insgesamt keinen realistischen Rahmen vor. Es gibt zwar Verweise auf eine Realität außerhalb der puppenhausartigen Umgebung in der sich das Leben von Mutter und Tochter abspielt, jedoch wirkt die gesamte Atmosphäre sehr irreal, so dass man sich an der wohl gewollten Überzeichnung der einzelnen Charaktere und der teils recht plakativen Symbolik nicht unbedingt reiben sollte.

"Sonata" ist in seiner Gesamtheit skuril, grotesk und auch etwas morbide - behauptet jedoch mitnichten die Illusion einer für den Zuschauer vertrauten, alltäglichen Wirklichkeit. So sollte man die Zusammenhänge und den Hintergrund am besten auch nicht auf rational überprüfbare Plausibilität hin untersuchen, sondern das Gezeigte einfach als die (für den Zuschauer Fremd-)Wahrnehmung der Protagonistin zulassen und sich den Stimmungen des Films ganz ausliefern. Wenn man sich dann noch von der Erwartungshaltung befreit, dass "Sonata" am Ende einen tieferen Sinn oder eine Moral bereithält, dann kann man dem Film sicherlich einiges abgewinnen - und sei es nur die traumhafte Ästhetik der Bilder und ein wirklich schauerhaftes, überraschendes Ende.

Fazit: 7 / 10 Punkten für einen ungewöhnlichen, aber unbedingt sehenswerten Film.

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