(Achtung, das Review enthält starke handlungsentscheidende Spoiler!)
Agata und der Sturm (Agata e la tempesta)
von Silvio Soldini
Italien, Sommer, Sonne, Meer und natürlich la Dolce Vita. Soldini schafft es in den zwei stündigen Werk immerhin dieses zu vermitteln.
Nur warum wird 10 Minuten vor Schluss einer der sympathischsten Charaktere Romeo (ganz toll - Giuseppe Battiston) sinnlos - Dramaturgisch gesehen - durch einen Verkehrsunfall getötet?
Silvio Soldini ging 1979 in die USA und studierte an der New York University Film. Nachdem er 1982 nach Italien zurückgekehrt war, gründete er 1984 mit gleichgesinnten Filmenthusiasten die Firma Monogatari und machte sich einen Namen als Dokumentar- und Kurzfilm Regisseur. Seit 1990 fing er auch an Kinofilme zu drehen. Sein Debüt hatte er mit „L’ARIA SERENA DELL’OVEST“. Erst im Jahr 2000 hatte er den Internationalen Durchbruch mit „Brot & Tulpen - Pane e Tulipani“. Der im Jahre 2002 entstandene Film „Brucio nel vento“ ging unbemerkt an der Kinokasse unter und wird auch momentan nicht auf DVD verwertet.
2004 meldete sich Soldini mit der charmanten Hauptdarstellerin aus „Brot & Tulpen“ - Licia Maglietta zurück.
Licia Maglietta spielt Agata eine Frau im Zenit ihres Lebens, die zusammen mit ihrer Kollegin Maria Libera (Giselda Volodi) eine Buchhandlung führt und sobald die Dame emotional gefordert wird passieren erstaunliche Dinge. Erst brennen in Ihrer Nähe Glühbirnen durch und als Sie von einem 13 Jahre jüngeren Mann (verheiratet natürlich) umworben wird, folgen elektrischen Geräten und zuletzt Autos und ein Straßenzug voller Straßenlaternen.
Ihr Bruder Gustavo (Emilio Solfrizzi) führt ein renommiertes Architektur Büro und ist so viel unterwegs und im Stress, dass er seine Ehe vollkommen vernachlässigt und seine einziger Sohn von Tag zu Tag immer mehr aus der Bahn gerät, da ihm ein männliches Vorbild fehlt.
Mit Romeo (Giuseppe Battiston) wird ein Italienischer Lebemann in bester Tradition von Marcello Mastroianni oder Anthony Quinn eingeführt, der mit seiner querschnittgelähmten Frau Daria (Monica Nappo) eine harmonische Ehe führt, auch wenn er genötigt ist Sie fortlaufend zu betrügen. Am Sterbebett seiner Mutter erfährt er, dass noch ein Bruder existiert – Gustavo – und natürlich ist dieser von einem anderen Vater gezeugt.
Da Mutter ihren verlorenen Sohn nochmal sehen möchte, konfrontiert er den Architekten damit dass er adoptiert ist.
Für Gustavo & Agata (die sich sehr nahe stehen) geht eine Welt unter. Nicht nur dass Sie über Nacht ihren Bruder verliert – Nein – Sie findet heraus dass ihr Freund verheiratet ist und der Ausfall von elektrischen Geräten tritt vermehrt auf.
Gustavo zieht von seiner Familie fort und bezieht in der Nähe von Romeo und Daria ein Haus. Er vernachlässigt seine Ehe nun total, was zur endgültigen Trennung führt und Beruflich lässt er auch alles sausen.
Mehr sei an dieser Stelle von dem Sturm, der über die Protagonisten hinweg zieht nicht verraten.
Das ganze ist sehr sympathisch Inszeniert, wenn auch mit einigen Längen. Soldini wirft seine Charaktere aus ihren gewohnten Bahnen und lässt Sie – mit viel Italienischen Charm – neue Ufer erklimmen.
Das wird untermalt mit einem Reigen von Urlaubs tauglichen Landschafts- und Stadtaufnahmen des Kameramanns Arnaldo Catinari und wird gekonnt von der Musik von Giovanni Venosta untermalt.
Kann Agata „Brot & Tulpen“ dass Wasser reichen?
Nein; Denn leider hat Silvio Soldini sein Werk nicht im Griff. Er mutet an einigen Stellen dem Zuschauer doch schon sehr viele Zufälle (des Lebens) und einige Längen zu.
Ein paar Beispiele: (Vorsicht SPOILER!!!!)
Agata trifft auf einer belebten Strasse Ihren Lover zusammen mit einer gutaussehenden jungen Blondine. Emotional geschockt lässt Sie die Ampelanlage ausfallen und verursacht einen schweren Unfall. Sie trennt sich von Ihrem Freund. Dieser lässt nicht locker und schafft es einen Mann zu finden der Ihm wie ein Zwilling gleicht. Das beste - Sie sind weder verwandt noch verschwägert!
Und ihre Kollegin Libera hat ein Problem mit Ihrem Alkoholsüchtigen Vater der sich bei ihr einquartiert hat. Derselbe wird in den von Agata verursachten Unfall verwickelt, wird verletzt und türmt später aus dem Krankenhaus, um auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
Romeo träumt von einer Forellenzucht mit angeschlossener Bar in seiner Nachbarschaft. Dort hat ein alter Bauer ein passendes Grundstück auf dass Romeo schon lang ein Auge geworfen hat. Er kann seinen Bruder Gustavo dazubringen bei ihm Geschäftlich mit einzusteigen. Bei den gemeinsamen Verhandlungen stellt sich heraus das der Bauer der gesuchte Vater von Gustavo ist!
Gustavo fährt zu beginn des Films nach Schweden um dort einen Entwurf für eine städtische Sportarena vorzustellen. Die Bürgermeisterin der Stadt verlässt später ihr Heimatland um Gustavo zu umwerben, just als dieser sich von seiner Frau getrennt hat. Beide finden zu einander. Klingt schön ist aber ohne Liebe & Funkenschlag zwischen den beiden Protagonisten in Szene gesetzt.
Als alles Läuft und alle gemeinsam dass neue Ufer gefunden haben, stirbt Romeo durch einen Autounfall! Meine Reaktion : war ein lautes WAS?
Konnte man mit den oberen schwachen Punkten noch leben, zerstört der Tod den letzten Rest von Dolce Vita den er sich bewahrt hat und erleidet an dieser Stelle so schwer künstlerisch Schiffbruch dass es einem den ganzen Film verleiden kann..... Schade.