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„Jetzt brauch‘ ich wirklich ‘n Schnaps!“

Der am 4. August 1990 erstausgestrahlte, jedoch bereits 1989 gedrehte 13. Fall des Hamburger „Tatort“-Ermittlers Paul Stoever (Manfred Krug) – für seinen Kollegen Peter Brockmöller (Charles Brauer) ist’s der zehnte – entstand nach einem Drehbuch Detlef Müllers unter der Regie Pete Ariels, der mit „Zeitzünder“ seinen sechsten von insgesamt neun Beiträgen zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe ablieferte.

„Ich mag Menschen, die so schnell begreifen.“

Der vorbestrafte Karl Wollek (Diether Krebs, „Kir Royal“) sucht nach einem neuen Job, hat jedoch Schwierigkeiten, einen zu finden. Er könnte sich auch vorstellen, sich als Kneipier selbständig zu machen, doch sein Bewährungshelfer Heinz Maurer (Franz Boehm, „Tatort: Einzelhaft“) rät ab. Daraufhin nimmt er den nicht ganz legalen Auftrag an, zusammen mit seinem Kumpel Horst Kehrmann (Ronald Nitschke, „Otto – Der neue Film“) eine Lkw-Ladung im Hamburger Freihafen abzuliefern. Dabei werden sie von Verbrechern abgefangen, die das Feuer auf die Männer eröffnen. Kehrmann überlebt den Angriff nicht, Wollek entkommt verletzt und taucht unter. Der einzige Mensch, bei dem er sich meldet, ist Maurer. So finden sich beide ungeahnt und ungewollt inmitten eines großangelegten Verbrechens wieder, bei dem es um den Schmuggel elektronischer Impulsgeber geht, von dem durch diesen Hinterhalt abgelenkt werden sollte. Aufgrund der Brisanz – mittels dieser Elektronik ließen sich Atombomben zünden, woran ein islamistischer Kalif Interesse haben soll – ist das BKA involviert, mit dem die Kripo-Beamten Stoever und Brockmöller nun zusammenarbeiten…

„Scheiß Bullen! Hier wird nicht geschnüffelt, hier wird gebumst!“

Eine ganz große Nummer in diesem „Tatort“ also, der mit dem hörenswerten ‘80er-Pop-Rock-Song „Could It Be Me“ Cees Mermans beginnt und seine noch unbekannten Figuren zunächst wortlos eine Hausdurchsuchung durchführen lässt. Der Lkw-Transport in den Hafen mündet in überraschend wildem Schusswaffeneinsatz und eröffnet somit diesen Kriminalfall. Wollek lässt sich von Lisbeth, der Tochter (debütierend: Kerstin Gähte, „Die Anrheiner“) seines Bewährungshelfers, verarzten und wird anschließend von einem Herrn Liebscher (Hans Putz, „Die Halbstarken“), dem er angeblich Geld schuldet, ebenso gesucht wie von der Polizei. Mit dem Einschalten des BKAs schließt sich der Kreis zur Hausdurchsuchung im Prolog und den Zuschauerinnen und Zuschauern wird klar, dass beide Fälle zusammenhängen. Der fiese Liebscher hängt sich an Maurers Fersen, verwickelt ihn in einen Autounfall und beginnt, seine Familie zu terrorisieren – womit nun ein eigentlich völlig Unbeteiligter ins Visier der Verbrecher geraten ist.

Dieser Drehbuch-Kniff appelliert besonders stark ans Gerechtigkeitsempfinden des Krimipublikums, zumal Maurer als Spitzentyp, der für seinen Schützling Wollek alles Menschenmögliche tut, charakterisiert wird. „Zeitzünder“ arbeitet zudem mit der einen oder anderen Spannungsszene sowie Überraschungsmomenten wie einer unerwartet problemlosen Festnahme Liebschers und einem kurzen, eher unmotivierten Abstecher in Bordelle in Hamburgs Bahnhofsviertel. Schauspielerisch sticht besonders Diether Krebs als gebeutelter, bemitleidenswerter Ex-Knacki heraus. Der blonde der beiden Killer hingegen sieht – offenbar unfreiwillig – wie ein Idiot aus. Für Auflockerung sorgt wieder „Meyer 2“ (Lutz Reichert) als komödiantisch angelegte Polizistenfigur, die den Maurers in den Garten pinkelt. Brockmöller gibt hier etwas unglaubwürdig den Schwerenöter, der sich die sexy Tankwartin Petra (Gabriele Fischer, „Die Pawlaks – Eine Geschichte aus dem Ruhrgebiet“) aus Bielefeld zum Vögeln mitnimmt.

Der Epilog ergänzt den abgeschlossen geglaubten Fall um eine gelungene Sequenz, in der es wieder um Leben und Tod geht. Wenn in diesem Zuge aber suggeriert wird, Maurer hätte von vornherein bereitwillig mit der Hamburger Polizei zusammenarbeiten sollen, schließlich hätten weder Wollek noch er etwas zu befürchten gehabt, erhält dieser „Tatort“ eine Fantasy-Note – und die Figur Paul Stoever, triumphierend, lehrmeisternd und drohend, etwas reichlich Unangenehmes. Zum Abspann ertönt Mermans Lied erneut, dessen „Could It Be Me“-Refrain sich nun direkt an Maurer zu wenden scheint…

Leider erlebte Franz Boehm die Ausstrahlung dieses „Tatorts“ nicht mehr, er verstarb bereits 20. Juli 1989. R.I.P.

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