... Freiheiten erhält, um einen Film über Sibirien zu drehen, fällt des Resultat kaum wie ein Dokumentarfilm aus: Es ist - wie Jahre später "Sans Soleil" (1983) ein bebilderter Brief aus der Fremde, höchst subjektiv und vertraulich. Ein Brief an - unter anderem - Yves Montand (und Simone Signoret), auf deren umstrittene, wenngleich nicht unkritisch durchgeführte UdSSR-Reise nach dem Ungarnaufstand Marker anspielt. Wie Montand setzt sich auch Marker, der ebenfalls erst Ende der 60er ernsthaft Kritik an der UdSSR übte, dem Vorwurf aus, nicht kritisch genug gearbeitet zu haben: Bilder vom Tierleben, Bilder von Landschaften, Alltagsszenen... Allerdings setzt Marker auch nicht auf die Verherrlichung, sondern auf die zutiefst ironische Kontrastierung, die den Zuschauer nötigt, sein in Berichterstattungen und Dokumentarfilme gesetztes Vertrauen zu reflektieren: ein Bus fährt in Jakutsk ein... mehrfach! Und jeweils legt Marker eine andere Kommentarspur über die Bilder, das Geschehen mal propagandistisch auf-, mal abwertend kommentiert. An anderen Stellen legt er einen neu angefertigten, vermeintlichen Originalton (der freilich als Fälschung zu entlarven ist) über die Bilder, bisweilen suggeriert er über die Montage Zusammenhänge, die eindeutig nicht vorhanden waren. Zwischendurch webt er Opernarien, Werbespots und Zeichentrickfilme ein und legt über alles den stets ironisch gefärbten Kommentar, der oft genug den Bildern, teilweise sich selbst widerspricht und schließlich sogar das eigene Konzept in Frage stellt. Als Sibirien-Film eher interessant als lehrreich, ist dieser Film, den Bazin als ersten Film überhaupt als 'essai documenté' bezeichnete, vor allem ein Werk, das etwas über die Beschaffenheit und Manipulationsmöglichkeit des Dokumentarfilms aussagt - und zugleich witzig, schön, geistreich und poesievoll zu sein bemüht ist.