Dr. Santos: "It's not enough to discover who did it or to understand why. Behind these deaths there's a ritual, which is part of an ancient legend where anything is possible."
Maya, Marcello Avallones zweite Regiearbeit im Horrorgenre, beginnt mit einem dem Ethnologen und Schriftsteller Carlos Castaneda (1925 – 1998) zugeschriebenen Zitat: "Twilight is the fracture between the worlds..." Inwieweit diese Aussage auf die folgenden Ereignisse zutrifft, darf jeder gerne für sich selbst beurteilen. Aber schwammige Zitate und das italienische Horrorkino, das paßt irgendwie zusammen wie Dick und Doof. Wie schon bei seinem Horrorfilmdebut Spettri (Specters ...Mächte des Bösen, 1987) gehen auch in Maya seltsame, mysteriöse und mörderische Dinge vor sich, denen weder mit Rationalität noch mit Logik beizukommen ist. So dunkle wie geheimnisvolle Mächte strecken ihre abscheulichen Fühler aus, um damit die Realität, wie wir sie kennen, zu penetrieren und unschön darauf Einfluß zu nehmen. Unbarmherzig tasten diese Fühler nach ihren ahnungslosen Opfern, für die es, erst einmal auserwählt, kein Entkommen mehr gibt. Sie werden zum hilflosen Spielball dieser garstigen Mächte, die recht kreativ und abwechslungsreich zu Werke gehen und die kein Pardon kennen.
Die Geschichte beginnt mit dem gewaltsamen Ableben von Salomon Slivak (William Berger), der in einem kleinen mexikanischen Dorf in der Nähe der Pyramiden der Mayas seinen Forschungen nachgegangen ist. Jetzt liegt er gekühlt in der Pathologie, und seine extra angereiste Tochter Lisa (Mariella Valentini) ist ob seiner ungewöhnlichen Verletzungen natürlich geschockt. Kaum hat sich der Schock gelegt, erwacht die Neugier. Da ihr Vater nicht das erste Opfer dieser Art ist und die Polizei die Verbrechen nicht aufklären kann (oder will), beginnt sie auf eigene Faust mit Nachforschungen. Doch so richtig können (oder wollen) ihr die hiesigen Leute nicht weiterhelfen; weder der in den Tag hineinlebende Hallodri Peter (Peter Phelps) noch der Arzt des Dorfes, Dr. Santos (Cyrus Elias), liefern brauchbare Spuren. Während die entschlossene Frau tiefer und tiefer gräbt, erhöht sich die Sterblichkeitsrate im Dorf rasant. Ob diese Häufung der mysteriösen Todesfälle etwas mit der Tag-der-Toten-Feier zu tun hat, die in wenigen Tagen bei Vollmond auf der Pyramide stattfinden wird?
Ähnlich wie Spettri funktioniert auch Maya in erster Linie aufgrund der dichten, verunsichernden Stimmung, wobei hier natürlich ein dicker Bonus in Form des exotischen Schauplatzes hinzukommt. Zwar bekommt man von den Hinterlassenschaften der Mayas nicht so viel zu sehen, wie man gehofft hatte, aber das Lokalkolorit des auf der Isle of Margarita in Venezuela (und in den Elios Studios in Rom) gedrehten Streifens ist dennoch beachtlich. Das authentische Ambiente ergibt sich nicht nur aus der tollen und unverbrauchten Location, sondern auch aus der in ärmlichen Verhältnissen lebenden Bevölkerung, der drückenden Hitze, die für das Publikum spürbar gemacht wird, sowie den schaurigen Legenden, an die Teile der abergläubischen Dorfbewohner glauben. Und es ist eine dieser Prophezeiungen, die sich nun zu erfüllen droht und die den Helden, welche ins undurchsichtige Geschehen hineingezogen werden, zum Verhängnis werden könnte. Avallone beweist hier einmal mehr sein Gespür für eine faszinierende Atmosphäre der latenten Bedrohung, nicht greifbar und doch allgegenwärtig.
Interessant ist, daß Avallone den Spagat zwischen Rip-Off und Originalität erstaunlich gut bewältigt. So sind einige Szenen seines Filmes offensichtlich von Klassikern der jüngeren Genrefilmgeschichte "inspiriert", wie zum Beispiel von Dario Argentos Profondo Rosso (Rosso - Die Farbe des Todes, 1975), Richard Donners The Omen (Das Omen, 1976), Clive Barkers Hellraiser (Hellraiser - Das Tor zur Hölle, 1987) oder auch Lucio Fulcis ...E tu vivrai nel terrore! L'aldilà (Über dem Jenseits/Die Geisterstadt der Zombies, 1981). Gleichzeitig ist seine eigene Handschrift jedoch stark genug, sodaß dieser "Klau" nicht stört und im Grunde keine Rolle spielt. Die diversen Murder-Set-Pieces sind sorgfältig und behutsam aufgebaut, wobei das eine oder andere Mal sogar etwas Suspense aufkommt. Die Umsetzung ist stylisch und wuchtig, wodurch die Tötungen auch ohne exzessiven Blutfluß - dafür mit zwei, drei derben Gewaltspitzen wie der zerschmetterten Nase eines unglücklichen Opfers - ihre Wirkung nicht verfehlen. An Rosario Prestopinos und Franco Casagnis Spezialeffekten gibt es nichts auszusetzen.
Die Schwachstelle des Filmes sind die Figuren. Nicht nur, daß die Charakterisierung ebendieser viel zu wünschen übrig läßt, mit Ausnahme von Lisa, Salomon, Maria (Antonella Angelucci) sowie einem alten Mann und seinem Enkel kommen die alle ziemlich unsympathisch rüber. Selbst unser Held Peter ist ein ziemliches Arschloch, wenn man ehrlich ist. Den Vogel schießen aber zwei junge Texaner ab, die mit Sicherheit zu den nervtötendsten Figuren zählen, die je in Filmen ihr Unwesen trieben. Diese Punks sind verhaltensgestörte Witzfiguren der abstoßenden Art, wo selbst Pazifisten nicht umhinkönnen, in ausufernden Gewalt- und Folterphantasien zu schwelgen. Der einzige Grund, diese irren Vögel zu ertragen, ist die Erwartung ihres schmerzhaften Ablebens, das man voller Vorfreude herbeisehnt. Silvano Ippolitis Bildgestaltung ist wie schon bei Spettri erste Sahne, und auch Gabriele Ducros' stimmiger Score ist ganz famos. Wer mit gemächlich erzählten Mood Pieces, bei denen sich die Handlung erst langsam und sehr zögerlich herauskristallisiert, etwas anfangen kann, der ist bei Maya definitiv an der richtigen Adresse.