„Ich ficke meine Frau!“
Der Wiener Kurt Nachmann trat vorrangig als Drehbuchautor, u.a. der „Wirtin von der Lahn“-Filme, in Erscheinung, brachte es aber auch auf zehn Inszenierungen. Als Regisseur bediente er das Fummelfach ab dem Jahre 1970, als er „Josefine Mutzenbacher“ drehte, gefolgt von dessen zweitem Teil, dem Genre-Höhepunkt „Die nackte Gräfin“ und eben „Mache alles mit“, der stark von „Schulmädchen-Report“ inspiriert zu sein scheint.
„Scheiß Establishment!“
Dagmar Hintze (Marion Forster, „Erotik im Beruf – Was jeder Personalchef gern verschweigt“) ist gerade einmal 17 Jahre alt, hat es aber bereits faustdick hinter den Ohren: Sie studiert sexuelle Kontaktanzeigen und erlebt dadurch so manches Abenteuer, an das die ältere Generation nicht einmal zu denken wagen (oder es zumindest nicht aussprechen) würde. Als sie bei einem Dreier mit einem Ehepaar von der Polizei aufgegriffen zu werden droht, bekommt sie es jedoch mit der Angst zu tun und flieht, landet über Umwege letztlich aber doch bei ihrer frommen Tante Magda (Ellen Umlauf, „Der Mann mit dem goldenen Pinsel“) auf dem Lande, der sie ihre Erlebnisse anvertraut…
„Du verdammte Hure – das hat sie von dir, diese Geilheit!“
Der in München spielende Film beginnt mit dem Besuch der Kripo bei den Gabors (Elisabeth Volkmann, „Zieh dich aus, Puppe“ und Doug Parish, „Paragraph 218 – Wir haben abgetrieben, Herr Staatsanwalt“), die per Zeitungsannonce jemanden für einen Dreier gesucht haben – man verdächtigt sie der Verführung Minderjähriger. Frau Gabor schleust daher unbemerkt die 17-jährige Dagmar raus, die notdürftig bekleidet über die Straße fliehen und sich dumme Sprüche anhören muss. Sie eilt zur Kommune Trash, wo ihre Freundin Rosy (Roswitha Randl, „Eros-Center Hamburg“) ihr nackt die Tür öffnet und sie anschließend zu überreden versucht, nicht mehr auf diese „scheiß Anzeigen“ zu antworten, sondern der Kommune beizutreten. Zudem macht sie ihr Angst, indem sie Vergleiche zwischen Erziehungsheimen und KZs zieht. Dagmars daraus resultierende Horrorvisionen werden kurz visualisiert.
„Eine unmoralische Sauerei!“
Die Kripo sucht Dagmars Mutter (Astrid Boner, „Wie sag ich's meinem Kinde?“) auf, die aus allen Wolken fällt. Hektische Schnitte fokussieren Sexzeitungen und ähnliche Journaillen, die in Dagmars Zimmer herumliegen. Dagmars Vater (Harry Kalenberg, „Paragraph 218 – Wir haben abgetrieben, Herr Staatsanwalt“) kommt nach Haus und schreit Zeter und Mordio, während nebenbei Sport im Fernsehen läuft, für den sich die Kamera ebenfalls interessiert. Dagmars Mutter nennt ihren Mann „Vati“… Dieser beschimpft seine Frau und misshandelt sie, begattet sie aber dann, als habe es sich davor um ein Vorspiel gehandelt. Daraufhin landet Dagmar bei Tante Magda in Laubingen, die wissen will, was bei den Gabors losgewesen sei. Dagmar druckst herum, doch leicht psychedelisch und mit Jumpcuts aufbereitete Rückblenden zeigen ihre wahren Erinnerungen (ohne Sexszenen). Eine weitere kurze Rückblende zeigt sie beim Lesen in der Zeitung, die die schicksalhafte Kontaktanzeige enthielt.
„Halten Sie das für eine Lösung unserer Probleme?!“
Ein Bauernlümmel (Rinaldo Talamonti, „Graf Porno und seine Mädchen“) beobachtet sie beim Umziehen, zum Unmut ihrer Tante, die bald mehr wissen will. Eine ausgedehntere Rückblende illustriert nun, wie alles anfing: Dagmar befand sich mit ihrer Mädelsclique auf einer Bootsfahrt, wo sie sich auszogen und dabei von zwei sich ebenfalls auf dem Boot befindenden Männern beobachtet wurden – eine in ihrer ästhetischen Gestaltung recht gelungene Szene. Damit ist’s jedoch rasch dahin, denn einer der Männer versucht, eines der Mädchen zu vergewaltigen. Die Kamera wechselt zwischen Totalen und Nahaufnahmen auf Schambereichshöhe. Es kommt zum Tumult, an dem sich alle beteiligen; miteinander ringende nackte Körper, und die Kamera mittendrin. Es gelingt, einen der Männer zu überwältigen, Dagmar aber hat sich versteckt. Nach einer seltsamen Schnittabfolge darf der Lüstling nun doch ran (ächz…), während sein Kumpel über Dagmar herzufallen scheint, was aber nicht mehr gezeigt wird.
Der örtliche Pfaffe (Uli Steigberg, „Deep End“) kommt‘s Tantchen besuchen, Dagmar lernt bei ihr einen Typen kennen, beides bleibt ohne Folgen. Anlässlich einer herumliegenden Zeitung mit „Sex-Skandal in der Kaserne“-Schlagzeile wird das neue Lieblingsthema der neugierigen Tante wieder aufgegriffen: Dagmars sexuelle Eskapaden. Tatsächlich war Daggi auch in jenen Skandal verwickelt, wie die nächste Rückblende aufdröselt: Eine Orgie mit vier Gefreiten befindet sich in Form alberner Nacktfangenspiele in Vorbereitung, sittsam beobachtet von Dagmar. Bevor es losgehen kann, wird die Party jedoch von den Vorgesetzten unterbunden. Einer aber läuft Dagmar nach. Dass sie Sex mit ihm hatte, wird indes lediglich angedeutet. Umso verstörender der plötzliche Gewaltausbruch Magdas: Das frömmelnde Landei zeigt sein wahres Gesicht, beschimpft ihre Nichte als Hure und peitscht sie aus!
Dann darf sie sich auch nicht wundern, dass ihre Schutzbefohlene Reißaus nimmt, ausgerechnet zu einem als Spinner verschrienen Studenten (Henner Quest, „Die jungen Ausreißerinnen“), der sich in einer alten Mühle eingenistet hat. Offenbar ist Dagmar es gewohnt, sich gleich in aller Körperlichkeit vorzustellen und will sofort Sex mit ihm, er jedoch weist sie zurück. Sie reagiert empört und berichtet von ihren in eingangs erwähnter Kommune gesammelten Erfahrungen, was die nächste Rückblende einläutet. Diese zeigt lediglich eine Hippiekiffparty mit ekstatischem Tanz, da der Student mehr gar nicht hören will. Er fährt sie am nächsten Tag zur Tante zurück, die sich gerade dem Pfaffen anvertraut. Da erinnert sich Dagmar an die Drohungen ihrer Eltern mit einem Erziehungsheim, was ihre Horrorvision vom Beginn zurück auf den Schirm holt – diesmal deutlich länger. In dieser spielen nackte Mädels mit Klopapierrollen, bis die strenge Aufseherin dazwischengeht. Eine bizarre Bildabfolge suggeriert, dass ihre Fantasie mit ihr durchgeht, wodurch Nachmanns Werk ein bisschen was von einem Fetischfilm bekommt.
Ihrer Tante berichtet sie von einer weiteren Reaktion auf eine Annonce, die sie zu einem perversen Antiquitätenhändler führte, dem einer abging, als sie in dessen Sexheftchen und Fotos wühlte – grotesk. Schließlich kommt der Student sie wieder abholen. Man unterhält sich nett miteinander und er hätte schon Lust auf sie, will’s aber romantischer. Die sexuelle Freizügigkeit sieht er kritisch. Dann liegt sie nackt bei ihm. Er schwingt weiter wütende reden gegen Sexualisierung und Triebhaftigkeit, hadert mit seiner eigenen Libido und will, dass Dagmar sagt, dass sie ihn liebe. Er ist eindeutig nicht ganz dicht. Dagmars Vater macht sich Sorgen; seine Putzfrau im Büro beginnt ihn vollzuquatschen und berichtet von spontanem Sex im Treppenhaus, den sie einst beobachtet habe und den wir in halbwegs erotischer Visualisierung zu sehen bekommen, ferner von Sex in der Kantine einer Asiatin mit dem Wirt (Nico Vogler, „Der neue Hausfrauen-Report – 2. Teil“). Diese schien ihn unterm Tresen mit dem Mund zu verwöhnen, was man aber nicht sieht. Das ist zu viel, Dagmars Paps bekommt den nächsten Tobsuchtsanfall.
Zu Hause erwischt er seine Frau dabei, wie sie mit Magda telefoniert, nachdem sie bisher so tat, als wisse sie auch nicht, wo Dagmar sei. Es folgen kitschige Szenen, in denen Dagmar liebestrunken und glücklich mit dem Studenten durchs Unterholz läuft. Ihr Vater will sie bei der Kripo anzeigen. Zusammen mit seiner Frau fährt er nach Laubingen, wo es zum Showdown kommt, nachdem der Student Dagmar gerade seine Liebe gestanden hat. Aus dem reißerischen „Schulmädchen-Report“-Abklatsch ist ein Drama geworden.
Dagmar ist süß und sexy, keine Frage, der Film auf rein visueller Ebene dabei recht harmlos. Er enthält so gut wie keine Sexszenen, dafür umso mehr nackte Haut. „Mache alles mit“ ist eine oft interessant und aus ungewöhnlichen Perspektiven, beispielsweise durch halbtransparente Materialien hindurch, gefilmte Mischung aus Altherrenfantasien in Bezug auf die noch jungen sexuellen Freiheiten der Jugend, einer Exploitation der Ängste der Elterngeneration angesichts ebendieser und einem Generationskonflikt-Drama. Zugleich beschleicht mich das Gefühl, dass Nachmann nichts von alldem ernstnahm und stattdessen gegen dauergeile Nymphchen ebenso augenzwinkernd und karikierend austeilte wie gegen bigotte Erwachsene und prüde angehende Akademiker und sich am Schluss gar am Melodram vergreift. Ein etwas eigenartiger Film also, verglichen mit damaligem Genreausschuss aber in einer anderen Liga angesiedelt. Übrigens: Musik von Gerhard Heinz.