Da gibt es so ein paar Filme, die so ziemlich jedem geläufig sein dürften. "Die Reifeprüfung" von Mike Nichols gehört zweifelsohne zu jenen. Nicht zuletzt aufgrund der Beteiligung von Simon & Garfunkel, die den Soundtrack dazu lieferten und mit "Sound of Silence" oder "Mrs. Robinson" ebenfalls 2 Werke geschaffen haben, die auf audielle Weise den meisten Menschen nicht mehr aus dem Kopf gehen werden.
Besagtes "Sound of Silence" ist es dann auch, das den Film sozusagen eröffnet. Ben Braddock, der gerade die Schule absolviert hat, sitzt im Flieger nach Hause. Am Flugplatz fängt die Kamera in seitlich ein, wie er über ein Rollfeld gleitet. Ben, gespielt von Dustin Hoffman, wird rechts an den Bildschirm gedrückt, links neben ihm erscheinen die Credits. "Sound of Silence" setzt ein. Die Kamera fährt langsam mit ihm mit. Kommt das nicht bekannt vor ? Genau, das erinnert sofort an Quentin Tarantinos "Jackie Brown", bei dem Pam Grier zu Beginn des Filmsn ebenfalls neben den Credits platziert, sich auf den Weg in die Tiefgarage macht.
Daheim angekommen, erwartet Ben eine Willkommensparty mit vielen Gästen. Ihm ist jedoch nicht wohl dabei. Schnell merkt der Zuschauer, dass es sich bei Ben um einen recht unsicheren, zurückhaltenden Adoleszenten handelt, der seinen Weg noch nicht gefunden hat und von einer endgültigen Reife meilenweit entfernt ist. Ihm ist unwohl dabei, sich mit den Menschen auf der Party unterhalten zu müssen, stets die gleichen Fragen über seine Zukunft gestellt zu bekommen oder in irgendeine Schublade gesteckt zu werden. Von ihm und seinen 20, bald 21, Jahren wird erwartet, seine Zukunft auf die Reihe zu bekommen und sich zu entscheiden, wohin sein Weg führt.
Verunsichert und schüchtern ist er auch in Bezug auf Mrs. Robinson, die Frau des Chefs seines Vaters. Sie bittet Ben, ihn von der Party heimzufahren, da ihr Mann selbst mit dem Auto unterwegs sei. Diese Bitte ist der Anfang einer Affäre, die Mrs. Robinson und Ben verbindet. Sie, die dominierende, erfahrene und extrovertierte Dame und Ben, der verklemmte Schulabsolvent, der anscheinend noch keinerlei sexuelle Erfahrungen gemacht hat. Immer wieder wird sein Wesen bildlich dargestellt. Sei es anfangs, als er von den Credits geradezu ins Eck gedrückt wird oder als er in seiner Taucherausrüstung eingesperrt auf seiner Geburtstagsparty herumstolpert und schließlich minutenlang einsam und verlassen unter Wasser gezeigt wird. Ständig ist Ben eingeschlossen und eingeengt zu sehen, das spiegelt sein Wesen und sein Verhalten wieder, seine Unerfahrenheit und Unentschlossenheit, mit der er sein weiteres Leben dennoch irgendwie steuern soll.
Bens Eltern, die Braddocks, wollen ihren Sohn allerdings mit Elaine Robinson, der Tochter seiner Affäre, verkuppeln. Als Mrs. Robinson davon Wind bekommt, wird sie zur eifersüchtigen, besitzergreifenden Furie, die um alles in der Welt verhindern möchte, dass Ben sich mit ihrer Tochter abgibt. Oder andersrum.
Ben verspricht ihr das auch, doch schon bald merkt man, wie er sich für Elaine interessiert. Sie ist mehr für ihn als diese Mrs. Robinson, mit der er sich jeden Abend verabredet hat, um mit ihr zu schlafen. Doch dabei ging es auch nur um diesen Sex, um mehr nicht. Ben merkt, dass ihm das nicht genügt, er fühlt sich schlecht dabei, nur die Körperflüssigkeiten auszutauschen und so gar nicht mit Mrs. Robinson zu reden. Diese ist da auch gar nicht davon angetan und davon gelangweilt, mit Ben irgendetwas zu reden. Ihr geht es lediglich um den Sex und um die Tatsache, von einem jüngeren Mann begehrt zu werden.
Verabreden sich Elaine und Ben einmal, ist von Anfang an zu spüren, dass das etwas ganz anderes ist Bens Liaison mit deren Mutter. Sie unternehmen gemeinsam Dinge, verabreden sich immer wieder, gehen miteinander essen oder unterhalten sich auch nur mal. Als Mrs. Robinson jedoch genug davon hat, versucht sie alles ihr Mögliche, diese Zwei auseinander zu bringen.
"Die Reifeprüfung" stellt, wie der Name schon sagt, einen Film dar, mit dem man sich jetzt vielleicht nicht unbedingt identifiziert, doch er spricht zumindest jedermann an. Man kommt von der Schule und hat Nichts zu tun und weiß auch nicht wirklich, wie es weitergeht. Bei Ben kommt hinzu, dass er noch gänzlich unerfahren ist, was die Mädchen angeht und somit lässt er sich auf Mrs. Robinson ein, die sichtlich Interesse an ihm zeigt. Doch bald merkt er, dass ihm das Nichts bringt, er etwas Anspruchsvolleres und Tiefgründigeres braucht.
Dass dabei Manches etwas altmodisch erscheint, liegt wohl ganz einfach am Erscheinungsjahr des Filmes. Auch wird meines Erachtens der Werdegang von Ben nicht unbedingt nachvollziehbar geschildert. Man ahnt zwar, was ihm bei seiner Entscheidungsfindung und seinem Weg zu einer reiferen Person behilflich war, doch ich finde, das hätte subtiler und eindringlicher behandelt werden können als dass es letztendlich hier in diesem Film der Fall war.
Bens Entwicklung in schauspielerischer Hinsicht ist hingegen umso erkenntlicher. Dustin Hoffman versteht es perfekt, zunächst den schüchternen, unsicheren Ben zu mimen, der aber nach und nach doch etwas Selbstvertrauen entwickelt und auch so etwas wie eine eigene Meinung hat, sich über die Anweisungen oder Befehle seiner Authoritätspersonen zu seinen Gunsten hinwegsetzt, bis hin zum, naja, sagen wir mal vorhersehbaren Ende, das wohl wirklich ärgerlich gewesen wäre, wäre da nicht wieder das brilliante "Sound of Silence" zu hören.
Der Soundtrack hat die Lobpreisungen, die überall zu lesen sind, vollkommen verdient. Er passt perfekt zum Film, am Anfang des Filmes werden besinnlichere und traurige Stücke ausgewählt, währenddessen gegen Ende mit dem ebenfalls sehr bekannten "Mrs. Robinson" ein Lied zu hören ist, das etwas positiver stimmt.
Alles in Allem ist "Die Reifeprüfung" sicherlich zeitlos, wenn auch teilweise altmodisch, doch der Klassiker, als der er überall bezeichnet wird, ist er in meinen Augen nicht. Da ist er doch noch zu herkömmlich. Für damalige Verhältnisse mag er wohl noch ganz innovativ gewesen zu sein, denn auch die Kameraführung macht einen sehr fortschrittlichen Eindruck, doch ein Meilenstein der Filmgeschichte stellt er nicht dar. Dennoch ein guter und sehenswerter Film.
7,5/10 Punkte