"Patch Adams" ist definitv eine Attacke auf den guten Geschmack, die geistige Gesundheit und das zentrale Nervensystem, ein überzuckertes, klebriges Toffee von Film. Daß dieses Etwas trotzdem in den USA mit 120 Mio. USD ein Bombenhit wurde, spricht nicht für den Film, sondern gegen die Amerikaner.
Familienkompatibles Bio-Pic mit reichlich Möglichkeiten zur Improvisation für Robin Williams + Weihnachtsstarttermin = Monster-Box-Office. So in etwa dürfte die Rechnung ausgesehen haben, die die Produzenten hier aufgestellt haben und leider Gottes ist sie auch noch aufgegangen. Es ist kaum erträglich, wie platt, kitschig, klebrig und vor allem aufdringlich dieses Gutmenschen-Portrait daherkommt, um mit Zuckerstangenpower auf sein argloses Publikum einzudreschen.
Leider ist nicht bekannt, inwieweit die hier geschilderten Ereignisse dem Leben des wahren Hunter Adams gleichen, oder ob sie hollywoodgerecht aufgepeppt wurden. Sind sie identisch, darf sich Adams rühmen, ein Leben wie nach dem dicksten Klischee gelebt zu haben. Der Film jedenfalls rollt mit einer Vorhersehbarkeit vor unseren Augen ab, als ginge es darum, ein Handlungsschema vorzuführen. Das Ganze holpert von Episödchen zu Episödchen auf dem Weg vom Selbsteinlieferungspatienten über den Medizinstudenten bis zum Arzt, der durch die Krakt der Menschlichkeit und des Lachens (es tut wirklich weh, so was zu schreiben) Kranke behandelt.
Dabei ist der Film-Adams soooo gut, sooo rein und sooo offenherzig, daß dem Zuschauer die Schamesröte ins Gesicht schlägt. Natürlich beschäftigt sich sein eigener Arzt mehr mit dem Kaffee als mit ihm, natürlich sind die Medizinstudiumsanforderungen ein Appell an die Unmenschlichkeit, sind beinahe alle Mitstudenten geldgeile Arschlöcher oder eiskalte Hundeschnauzen, die nur dem Wunsch ihrer Familien entsprechen. Der Dekan mag seine Methoden nicht, die Patienten finden ihn alle toll und daß wir am Ende bei einer Anhörung oder Verhandlung landen, bei der unser Held triumphieren darf, ist ebenso klar.
So gerät ein thematisch interessanter Film zu einem undurchsichtigen Haufen finsterster Klischees aus der Mottenkiste, die uns so gefühlvoll eingetrichtert werden, daß nur eine sofortige Magenspülung vor der Überzuckerung rettet. Besonders eklatante Beispiele für geschmackloses Verhalten bieten diverse todgeweihte Kranke, die Adams noch einmal aufheitern darf, die widerborstige Mitstudentin, an die er sein Herz verliert (unnahbar, da wohl mißbraucht) und die dann den der Handlung entsprechenden Märtyrertod stirbt, damit ganz klar definiert wird, daß psychisch Gestörte und Krebskranke, nicht nur durch Showeinlagen gesunden können, sowie der Aufmarsch von Schwestern, Eltern und kleinen kranken Patienten auf dem Höhepunkt der Uni-Anhörung (wer bei dieser Szene aufschreit, ist zumindest noch nicht ganz tot).
Das Script versucht ganz offensichtlich, das Schmalztopf-Gefühl von "Hinter dem Horizont" mit den Comedysequenzen aus "Aladdin" und den Lebensweisheiten von "Club der toten Dichter" zu mischen, ohne zu ahnen, daß sich die drei keinesfalls verstehen würden.
Williams ist deutlich zu alt, selbst für diese Rolle macht sein Gesicht diese Verjüngung nicht mehr mit. Darüber hinaus spielt er bisweilen, als hätte er seinen Kiefer ausgerenkt (und zwar wenn er sich normal gibt), eventuell etwas, was den echten Adams auszeichnete. Ansonsten ist diese Angewohnheit extrem irritierend.
Was jetzt nicht heißen soll, Williams wäre durchgängig schlecht. Im Gegenteil, die Comedy-Sequenzen sind bisweilen absolut bombig und es wäre wesentlich unterhaltsamer gewesen, einfach eine 90-Minuten-Nonstop-Performance für krebskranke Kinder zu drehen. Hier zieht sich der Film immer wieder für Momente an den eigenen Haaren aus dem Sumpf, wenn Williams offensichtlich von der Kette gelassen wird. Leider verkommt der wahre Adams in seinen Händen mehr zu einem begabten, einfühlsamen Clown und hat so gar nichts mehr von einem richtigen Arzt (obwohl ihm als einziges Indiz die Supernoten nur so zuzufliegen scheinen). Und außerdem folgt auf jede Comedy wieder eine Gefühlsszene...
Tom Shadyac ist zwar ein passabler Comedy-Regisseur, hatte aber schon bei "Liar, Liar" zu oft das Herzschmerzpedal gedrückt, um die Jim-Carrey-Komödie unbedenklich zu machen. Hier versuppt er alles zu einer kariesverursachenden Masse, die den geistig wachen Zuschauer im Zustand völliger Ungläubigkeit über soviel Dreistigkeit zurückläßt. Das Drehbuch ist holprig und reiht nur nötige Sequenzen schnell hintereinander.
Prädikat "besonders ärgerlich" geht an den Score, der es sich nicht nehmen läßt, superaufdringlich auf das nötige Gefühl hinzuweisen und das schön dick in jeder Szene. Die Musikstücke sind dermaßen penetrant auf Wirkung gedrückt, daß man sich als Zuschauer manipuliert fühlt.
Es ist traurig, daß sich Williams, ein wirklich ernstzunehmender Schauspieler, in letzten Jahren zu oft auf so eine Schluchz-Grütze eingelassen hat, die er stets mit diversen Lachern hochhält. Dies hier dürfte neben "Hinter dem Horizont", "Hook" und "Flubber" der absolute Tiefpunkt in seinem Schaffen sein, worüber auch der kommerzielle Erfolg nicht wegtäuschen kann.
Die Punkte für dieses "Machwerk" gehen samt und sonders an Williams Fähigkeit, aus dem Nichts einen Lachsturm zu entfachen, was dieses Manifest der Gefühlsmanipulation wenigstens schnell vorbeigehen läßt. (3/10)