Review

"Low Life" ist kurz nach "The President´s Barber" der zweite Film aus Südkorea der sich mit der jüngeren Vergangenheit auseinandersetzt. Während "The President´s Barber" das Thema mit viel Selbstironie und bitterem Witz angeht, kommt "Low Life" ernster und auch ernsthafter daher. Der Film umspannt einen zeitlichen Bogen von 1957 bis zum Jahr 1972 und erfasst damit die gleiche turbulente politische Zeit wie "The President´s Barber".
Die Wirrungen und Irrungen dieser Zeit werden durch den Charakter von Choi Tae-woong ( gespielt von Cho Seung-woo ) beschrieben ; er geht wohl stellvertretend für viele seiner Landsleute durch den bebilderten Reifeprozess. Dabei schafft es Regisseur Im Kwon-taek zwar nicht immer den narrativen roten Faden zu behalten, doch er schafft ein optisch beeindruckendes und filmisch sehr reifes Werk.

Bei einem Konflikt zweier Schulen kommt es zum tragischen Aufeinandertreffen von Choi Tae-woong und Park Seung-mun ( gespielt von You Ha-jun ). Park Seung-mun sticht mit einem Messer hinterrücks in Choi´s Bein und muss diesen feigen Akt später vor seinem Vater und seiner Schwester sühnen. Der verletzte Choi schleppt sich nämlich zum Haus des Feiglings und zwingt ihn vor seiner Familie das Messer ehrenhaft wieder zu entfernen. Sowohl Park´s Vater als auch seine Schwester Park Hye-ok ( gespielt von Kim Min-sun ) sind gewaltig beeindruckt und Choi wird adoptiert bzw. angenommen. Seine eigene Familie ist durch eine Trennung der Eltern gespalten.
Choi lernt allerdings auch schnell die politischen Aktivitäten seines neuen Vaters kennen ; dieser ist Ende der 50´er Jahre ein unabhängiger Kanditat und wird von der Regierung als Kommunist verdächtigt und behindert. Sein neuer Bruder beginnt ein Studium und schliesst sich der Studentenbewegung an ; seine ältere Schwester wird Lehrerin und ist als Frau im Korea dieser Zeit unmündig. Choi selber wird Gangster bzw. Kleinganove und arbeitet für Oh Sang-pil ( gespielt von Kim Hak-jun ).
Stetig ist bei Choi nur sein Interesse an Park Hye-ok ; schliesslich schwängert er seine ältere Stiefschwester und erzwingt die Heirat. Sein übriges Leben verläuft nämlich zur Schande der Familie recht unstet und politisch völlig unmotiviert. Choi ist zwar ein ehrenhafter aber dennoch am Ende korrupter Mensch ; er bringt es weit und arbeitet dabei sowohl als Filmproduzent als auch als Besitzer einer Baufirma. Er macht Geschäfte mit der CIA und schmiert Agenten und Politiker ; immer nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht sich aber schön aus der politischen Schusslinie haltend, schlängelt sich Choi mit seiner eigenen Familie durch diese "Raging Years".

Diese kurze Zusammenfassung macht es schon deutlich, "Low Life" oder auch alternativ "Raging Years" ist ein episch angelegter Film über eine sehr grosse Zeitspanne und verliert sich oftmals in dem Problem zuviel zu wollen. Der Film will zuviel Sichtweisen darstellen und zuviel Begebenheiten einbinden. Fast schon zwangsläufig führt dieser Versuch zur Konfusion, vieles wird nur in ganz kurzen Szenen beleuchtet und taucht nie mehr wieder auf, anderes ist für den Handlungsverlauf nie richtig wichtig.
Der Abschnitt als Filmproduzent ist wohl mehr eigenbiographisch gedacht und kommt ein wenig unglaubwürdig daher. Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende Einbindung der anderen Personen ; der Film erschöpft sich nahezu gänzlich in der Charakterstudie von Choi und vernachlässigt nach und nach die anderen Personen des Films völlig. Die Einbindung noch weiterer Personen hätte ihn aber wohl nur noch mehr überladen.
Nimmt man diese Kritikpunkte hin, so erblickt man allerdings optisch eine wahre Perle von Film. Von der Ausstattung und den Kulissen bis hin zu den Kostümen der Schauspieler kommt man sich vor wie in einer Zeitreise. Es gibt knackige und absolut rauhe Kampfszenen, zeitgemässe Unterkünfte und Raumlichkeiten und die passende Musikuntermalung.
Die Schauspieler sind passabel wenngleich mich Kim Min-sun in ihrer Rolle am meisten überraschte. Kannte ich sie bisher nur in ihrer flippigen Rolle aus "A.F.R.I.K.A.", so spielt und stellt sie hier eine reife und auch intelligente junge Frau sehr glaubhaft dar. Sie hat zum Ende des Films leider aber auch die heftigste und für mich übelste Szene im Film zu überstehen.
Kurz nachdem Choi mit seiner Familie sehr bildhaft durch die Schneise zwischen dem Militär und den Demonstranten ein Restaurant zum Speisen betritt, wird dieses von der CIA betreten und es kommt zu einer sehr unschönen Konfrontation. Einer hochschwangeren und wehrlosen Frau durch brutale Tritte in den Bauch ihr Kind zu nehmen ist für mich nur schwer verdaulich gewesen. Es gibt suggestive Szenen dieser Art die still und leise inszeniert dennoch grässlich brutal sind. Aber es zeigt sich dadurch auch dass jeder am Ende seinen Preis zu zahlen hat und sich niemand immer aus allem heraushalten kann.

Somit ist "Low Life" mit Sicherheit ein optisch gelungener und filmisch reifer Film, allerdings ist er narrativ manchmal zu verworren und in seiner Charakterzeichnung zu einseitig. Mir hat bzgl. der Aufarbeitung der koreanischen Geschichte "The President´s Barber" besser gefallen, dennoch ist mir "Low Life" 7 Punkte wert.

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