Regisseur Rainer Simon war bereits über 50 Jahre alt, als er 1993 mit FERNES LAND PA-ISCH einen Film inszeniert, der genau so wild ist wie der Jugendliche Protagonist selbst. Denn Umbertos Weg von der Enge der erzgebirgischen Kleinstadt zu einem anderen, sehnsüchtig herbeigetäumten Land in Afrika verläuft anders als gedacht. Kommt er im Westen an, blickt er in eine Welt voller bunter Lichter, Verlockungen, Zerrbildern und Abgründe. Die Odyssee des Jugendlichen auf der Suche nach seiner Identität wird in starken Bildern und fast fragmentarischen Szenen erzählt, unterstützt von intensiven Klängen. Seine Mutter wird gespielt von Renate Krößner, die im gleichnamigen Film SOLO SUNNY (1980) noch sagte „Hinfallen, heulen ja, auch mal ein paar Tabletten zu viel, aber dann aufstehen und weitermachen.“ Hier im Film ist sie hingegen hilflos, mit der neuen Situation zurechtzukommen, so dass ihre Kinder allein die neue Zeit bewältigen müssen.
Simons Film ist nicht so handzahm wie das fast schon dokumentarische Kino der Nachwendezeit, weshalb der Film so viel mehr ist als seine bloße Inhaltsangabe verheißt. Wir tauchen hier ein in aufregende, überhöhte filmische Welten, die in ihrer Zügellosigkeit etwa an Enzo G. Castellaris THE RIFFS – DIE GEWALT SIND WIR (1990) erinnern. Kreuzberg wirk hier so endzeitlich und dystopisch wie das dortige Booklyn der Motorradgangs.
Simon arbeitet hier neben einem Staraufgebot aus alten DEFA-Zeiten mit Laiendarstellern und lässt auch zu, dass sie ihre Dialoge abändern, was den Film erfrischend lebensecht wirken lässt. Hier erklingt – anders als heute – keine sterile Theatersprache, sondern echter Dialekt mit allen Ausprägungen.
In einem Interview von 1993 sagte Simon: „Bei den Vorbereitungen zu 'Fernes Land Pa-isch' war ich zum Glück sehr naiv. Heute weiß ich leider schon ziemlich genau, was machbar ist und was nicht, wie meine Kollegen aus dem Westen. Da weiß man dann, welches Risiko Sinn hat und welches nur Zeitverschwendung ist. Die Zensur findet wieder in den Köpfen statt. Man bescheidet sich.“
Die FSK verstand den von Studio Babelsberg produzierten Film völlig falsch und gab ihn zunächst als FSK18 frei. Erst im Widerspruchsverfahren wurden die Intentionen des Films verstanden und mit der Entscheidung „ab 16“ akzeptiert. Leider erfuhr der Film 1993 keine große Kinoauswertung und wurde erst 2000 im Fernsehen gezeigt. Das ist schade, denn Simon ist hier ein fulminanter Beitrag über die deutsche Wende-Wirklichkeit gelungen, der echtes, kraftvolles Kino ist und gesehen werden muss.