Review

DER DOPPELGÄNGER war mir noch als ganz netter expressionistisch-komischer Genrefilm mit Uwe Ochsenknecht in Erinnerung, doch je mehr ich mich mit seinen Rahmenbedingungen befasse, desto mehr Rätsel gibt er mir auf. Das mag an meinen Lücken im Wissen um die deutsche Kultur in bestimmten Bereichen liegen, jedoch gehört diese Randerscheinung vom meines Wissens in Tübingen geborenen Emanuel Boeck, der dann aber mit vornehmlich niederländischen Titeln in seiner Filmographie glänzt, weder zu den klamaukigen Klamotten vom Schnittmuster Gottschalk, Krüger oder Otto, noch zu den aus unterschiedlichen Gründen kultig verehrten Ausnahmen wie MACHO MAN, BABY, DIE KATZE oder ABWÄRTS. Tatsächlich würde ich eher noch eine relative Nähe zum Grachten-Giallo VERFLUCHTES AMSTERDAM attestieren, zumal in der deutsch-schweizerischen Co-Produktion dann wundersamerweise sogar erstaunlich viele niederländische (und internationale) Darsteller mitwirken. Die Produktion fand neben Hamburg und München allerdings auch in Amsterdam statt.
Die Faszination an DER DOPPELGÄNGER baut sich für mich sicher nicht durch Uwe Ochsenknecht auf, der in einer seiner beiden Rollen sein wohl durch MÄNNER geprägtes und in Filmen wie OPERATION DEAD END wiederholtes Schluffi-Image aufleben lässt. Andererseits benötigt ein formal spürbar am Film Noir und auch generell Expressionismus orientiertes Werk um eine Verwechslungsgeschichte natürlich diese extremen Kontraste. Sein von sich selbst dargestellter Gegenspieler ist entsprechend derb angelegt.
Im Vorspann zur zweiten Single "Dirty Job" der Eurobeat-Formation SWEET CONNECTION, die von Bohlen-Co-Produzent Luis Rodriguez in Schwung gebracht worden war, gibt es gleich eine Überdosis der extremsten 80er-Mode. Kräftige Farben und breite Schulterpolster bestimmen die wilden Kreationen der blankziehenden Mädchen, die den Wohnsitz des gerade aufgabenlosen Studenten bevölkern, dessen musikalisches Interesse den Hauptteil des Films eher in eine latein-amerikanische Richtung rückt. Geldnot und optische Verwechselbarkeit führen sein Schicksal in einen Film Noir typischen Sog des Schicksals, welches auch das amerikanische Model Angie Hill in ihrer ersten Filmrolle als verführerische Femme Fatale seinen Weg kreuzen lässt.
Als Produzent war spannenderweise der ebenfalls zum Teil in Tübingen aufgewachsene Jurist Lothar Müller-Güldemeister eingesetzt, der in der Filmbranche sonst scheinbar kaum bis gar nicht in Erscheinung trat. Auch der Autor Wolf Christian Schröder hat nach DER DOPPELGÄNGER nur noch am Drehbuch zu DER GESCHICHTENERZÄHLER gearbeitet, bis er nach einer langen Pause im Jahre 2010 plötzlich noch einmal für EIN FALL FÜR ZWEI in seiner schreiberischen Tätigkeit zu finden war. In der Zwischenzeit beschäftigte der ebenfalls nach Tübingen verbundene Schriftsteller sich eher mit Romanen, Bühnenstücken und Übersetzungen. Der Komponist Jacques Zwart vertonte zuvor ABWÄRTS und auch die Müllerschön-Werke OPERATION DEAD END und ORCHIDEEN DES WAHNSINNS. Auch sein Schaffen endet mit den 80ern relativ abrupt.
Die für mich entscheidende Zutat dürfte allerdings der aus Wien stammende Kameramann Karl Kases sein, der in den 80ern an Fernsehfilmen wie dem großartigen IM ZEICHEN DES KREUZES und natürlich am TATORT gearbeitet hat. Während nämlich das Nacheifern der Zynismen vergangener Kriminalfilmverstrickungen das eine ist, begeistert mich vor allem die Übersetzung des Stoffes detailfreudig in tv-kompatiblem, aber auch von puristischen Cineasten der alten Schule bevorzugten 1,37:1 ausgestaltete Szenenbilder, die jedes für sich ein optisch starkes Fragment bedeuten, welches zu einer fast schon traumartigen Atmosphäre beiträgt und in ein zeitgenössisches Gewand übersetzt. Ich denke da an ähnliche inspirierende Obskuritäten wie Peter Ily Huemers KISS DADDY GOODNIGHT, der Uma Thurman als mordende Nymphe vorstellte, ja, vielleicht eine internationale Welle an sperrigen Filmen, die seinerzeit auch Quentin Tarantino und Kevin Smith zum Filmemachen anregten, nur eben als teutonischer Ableger. Wie Ochsenknecht mit einem Katana seinen Gegner durchbohrt könnte man vielleicht sogar augenzwinkernd als Steilvorlage für Bruce Willis in PULP FICTION erachten.
Und genau da verlaufen sich die Spuren dieses im Videoverleih von ASCOT, als Kaufkassette von ASCENT und vom DVD-Billigheimer CINE PLUS als spartanischer Silberling veröffentlichten Mysteriums. Von IMPERIAL, LATE SHOW und STARLIGHT produziert, soll DER DOPPELGÄNGER laut IMDb tatsächlich auch von LATE SHOW 1989 in die Kinos gebracht worden sein. Aber in welcher Verbreitung und mit welchem Erfolg er lief, davon lässt sich im Internet scheinbar nichts aufspüren. Im Gegenteil, es scheint bisher nicht einmal ein Amazon-Kunde genötigt gewesen zu sein, den Erhalt der DVD mit einem am Thema vorbeilaufenden Kommentar zu quittieren. Es gibt scheinbar einfach gar keine Stimmen zu diesem Werk, das möglicherweise mit seinem Bezug zum DDR-Geheimdienst vom Zeitgeschehen überrollt und dann jenseits der öffentlichen Wahrnehmung verschoben wurde, schließlich macht das den Film noch entrückter, als man ihn so schon auffassen könnte.
Aber wo bleiben sie, die Liebhaber genau dieser Perlen, die im Sande verlaufen, aber eigentlich so erquickend eigenwillig und unterhaltsam ausfallen? Wir haben uns doch längst die Wiederentdeckung des deutschen Genrefilms auf die Fahnen geschrieben und ich behaupte hiermit steif und fest, DER DOPPELGÄNGER, das ist so einer, der die Brücke vom klassischen Film Noir bishin in Ansätzen zur Stilisierung des Giallo schlagen kann, der düster genug ist, um nicht im fröhlichen Mainstream durchzustarten und der mit seiner Nachsynchronisation und überzeichneten Soundeffekten zusätzlich altmodisch genug ist, um den Geschmack der Kultfilmfans zu treffen. 1988 produziert ist DER DOPPELGÄNGER nicht ein einfacher Abklatsch, sondern ein zeitkoloriertes Neubeleben dessen, was schrullige Filmkenner zum tirilieren bringt. Schnappt ihn euch!

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