Review

„Verliebt, hm? Das ist ‘ne Krankheit...“

Wie bereits die zweite und dritte inszenierte Schimanski-Intimus Hajo Gies auch die fünfte Episode des „Tatort“-Spin-offs. Geschrieben wurde „Rattennest“, eine Mischung aus Actionkrimi und Jugenddrama, von Horst Vocks, die Erstausstrahlung erfolgte am 15. November 1998. Trivium: Bereits Georges zweiter „Tatort“-Auftritt in Prä-Schimanski-Zeiten trug diesen Titel.

„Den Dreck, den du hier in einer Stunde anfasst, den kannst du in einer Woche nicht abwaschen!“

In Duisburg werden zwei Straßenjungen getötet aufgefunden. Am Tatort wurde neben den Leichen Schimanskis Hundemarke zurückgelassen, woraufhin man ihn aus Belgien zurück an die Ruhr beordert. Als sich unweit der Toten auch noch sein alter Sessel mit Geld darin anfindet, gerät er selbst in den Kreis Verdächtiger. Dennoch ermittelt der Kripo-Beamte Schrader (Steffen Wink) zusammen mit Schimanski unter Straßenkindern, zu denen auch Janni (Tobias Schenke, „Knockin' on Heaven's Door“) gehört, Sohn einer Ex-Freundin Schimanskis, dessen er sich zu Duisburger Zeiten angenommen hatte – und findet eine Spur, die zur Drogenmafia und zu einem Stahlkonzern führt.

„Wo ist die Revolution?“ – „Ich bin die Revolution!“

Es beginnt feierlich: Schimmi feiert seinen Geburtstag in Belgien feuchtfröhlich zusammen mit einer Rockerbande. Parallel gehen in Deutschland Deals und Erpressungen um Heroin und Fotos über die Bühne, die Todesopfer fordern. Schimanski, der kurz vor seiner Abreise nach Duisburg von seiner Freundin (Denise Virieux) erfährt, dass sie schwanger sei, trifft neben Schrader auf Staatsanwältin Schäfer (Suzanne von Borsody) und deren Männer Krieger (Matthias Redlhammer) und Scholl (Robert Viktor Minich), womit die wichtigsten Personalstandards dieser Reihe abgehakt wären. Eine weitere Personalie wird eigens für diesen Fall konstruiert: Janni, eine Art Ziehsohn Schimanskis, der auf die schiefe Bahn geraten ist. Janni hat es auch zu verantworten, dass sich in Schimmis alter Wohnung obdachlose Jugendliche eingenistet und die Bude in einen Schweinestall verwandelt haben.

„Seid ihr eigentlich noch irgendwie Menschen?!“ – „Nein, Bullen.“

Schrader und Schimmi tun sich also auch für diesen Fall zusammen und trinken Hansa und Diebels aus Dosen. Schrader etabliert sich damit weiter als Partner Schimanskis, wobei Schrader – im Gegensatz zu Thanner zu „Tatort“-Zeiten – Schimanski immer ähnlicher wird. Die gemeinsamen Ermittlungen sind äußerst rabiat; auch miteinander springen die beiden sehr grob um, wobei Schrader immer härter wird. Hart ist auch dieser Fall, das Straßenkinder-Milieu wird ungeschönt dargestellt. Jannis Freundin, die zusammen mit ihm zu Beginn der Episode eingeführt wurde, muss bald ebenfalls ihr Leben lassen. Prügelei, Schießereien, sogar Granaten. Es rummst ordentlich.

„Du musst deine Träume nur oft genug behaupten, bis sie Wirklichkeit werden.“

Doch dabei belässt es „Rattennest“ glücklicherweise nicht. Am Rande werden reißerische Medien parodiert, zudem vermengt man den Fall mit Kritik an gewissenlosen Unternehmern und Arbeitskampf, besinnt sich also auch auf die Schimanski-typischen sozialen und gesellschaftlichen Aspekte. Dennoch ist diese Episode zuweilen völlig drüber: Machismo noch und nöcher, wenn auch nicht gänzlich unreflektiert. Gegenüber seiner Freundin bereitet er (der Machismo) Schimanski beispielsweise durchaus Probleme. So sehr ich manch Härte in Schimanskis Auftreten üblicherweise schätze, so kann ich es hier nicht einfach so durchwinken, wenn auf minderjährige Straßenkinder eingeschlagen wird. Der ‘90er-Jahre-Frust- und -Nihilismus beginnt, sich auch staatlicherseits gegen die Schwächsten zu richten, ohne dass dies entsprechend kritisch gewürdigt würde. Aus der zu Beginn angedeuteten Außenseiterromanze wird hingegen nichts gemacht. Dass sich herausstellt, dass Schimanskis Freundin dann doch gar nicht schwanger ist, verkommt da beinahe zur Randnotiz, passt aber zur unangenehmen Kälte, die „Rattennest“ ausstrahlt.

Schwierig – zumal ich eine solche Inszenierung von Hajo Gies nicht erwartet hätte. Ich bin dennoch gespannt, wie die Reihe weitergeführt wird.

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