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Im Sommer 1976 wurden im Abstand von nur wenigen Tagen zwei Filme über interkontinentale Autorennen in die amerikanischen Kinos gebracht, Die verrückteste Rallye der Welt im Vertrieb von den Warner Brothers und Cannonball, witzigerweise neben New World Pictures co-produziert von Run Run Shaw, dessen Shaw Brothers Logo sich ja kaum merklich an Warner anlehnt. Beide müssen sich dabei eine Nähe zu Paul Bartels Film Frankensteins Todesrennen vorwerfen lassen, stützen sich viel mehr aber auf das echte Cannonball Rennen, welches der damals beim amerikanischen Automagazin Car and Driver angestellte Brock Yates 1971 als Tribut an den Rekordfahrer Erwin "Cannonball" Baker ins Leben gerufen hatte.
Zusätzlich inspiriert von Asphaltrennen diente die illegale Veranstaltung auch der Feier des US Interstate Highway Systems und sollte als Protest gegen die neue Geschwindigkeitsbegrenzung von 55 mph verstanden werden. Yates schrieb später das Drehbuch zu Auf dem Highway ist die Hölle los (The Cannonball Run), welches vom Regisseur Hal Needham verfilmt wurde, der zuvor selbst mit Yates in dem aufgemotzten Krankenwagen aus dem Film an einem seiner Rennen teilnahm. Doch mit der Produktion war die Konkurrenz hier schneller. Nicht ganz zu Unrecht, war das echte Cannonball Rennen dem Time Magazine doch erst wenige Tage nach dem US Kinostart von Frankensteins Todesrennen eine Story wert.

Paul Bartel hatte sich dort gegenüber dem Produzenten Roger Corman durchgesetzt und die Geschichte, die eigentlich ernst hätte sein sollen, als Komödie angelegt. Doch Bartel, gebranntmarkt durch den Erfolg, wollte sich gar nicht auf Autofilme festlegen lassen. Sein Herz schlug für den Stil seines respektablen Eating Raoul, den er erst Jahre später umsetzen konnte. Wenn schon ein Streifen über Autos, dann sollte Corman doch bitte seinen Entwurf Frankencar finanzieren, der jedoch nie das Licht der Welt erblicken würde. Corman setzte sich durch, es wurde der Rennfilm Cannonball, erneut mit David Carradine in der Hauptrolle und einigen bekannten Gesichtern aus der New World Familie, darunter auch Cameos von Joe Dante, Jonathan Kaplan, Martin Scorsese und Sylvester Stallone. Bartel hat natürlich versucht sich Mühe zu geben, doch mangelnde Ambition und eine gewisse Genreinkompatiblität scheinen sich im Gesamtbild niedergeschlagen zu haben.

Es geht um Coy "Cannonball" Buckman, einem ehemaligen Rennfahrer, traumatisiert, da ihm der Fluch nachhängt, seine Mitfahrer oftmals dem Sensemann zu überbringen. Irgendwie ähnelt diese Figur also schon der des Frankenstein aus dem vorangegangenen Werk. Buckmann nimmt an besagtem Transkontinental-Rennen teil und mit ihm eine gute Hand voll überzeichneter Karrikaturen, darunter ein rein weibliches Team und eine Figur, die einen Wagen überführen soll und mit diesem am Rennen teilnimmt. Beides bemerkenswerterweise auch ähnlich im wohl zeitgleich entstandenen Die verrückteste Rallye der Welt verarbeitet. Doch es gibt deutliche Unterschiede zwischen den beiden Produktionen, abgesehen davon, daß Cannonball eher als B-Movie zu klassifizieren ist.
Anstatt nur das Rennen als kurzweiliges Katz- und Maus-Spiel ablaufen zu lassen, versucht Bartel mit teils subtiler Ironie, die besonders in seinen Gesangspassagen wohl nur im englischen Original harmonisch funktioniert (ich kenne den Film allerdings nicht in der Synchronfassung), über den psychologischen Ansatz zu Coy Buckman weitere Nebenstränge wie eine Wette, ein Fernsehteam, dem die Ausstrahlung erst nach dem Rennen erlaubt ist und die den Gesetzenhütern zugehörige Freundin Buckmans, die jener erzwungermaßen mitschleift, unterzubringen.
Manche dieser Plots fungieren leider nur zur Ermöglichung einzelner der späteren Geschehnisse oder verlaufen ins Leere, was Cannonball nicht gut tut. Wenn der sympathische Dick Miller als Buckmans Bruder zum Beispiel eine Bombe im Fahrzeug des deutschen Teilnehmers platziert, dann wissen wir von vorn herein, daß dieser bei einer gewissen Geschwindigkeit explodieren wird. Das ist zwar um den Effekt bemüht, nur keine wirkliche Überraschung.

In der übrigen Gestaltung kann der Film dann aber einiges gut machen. Cannonball wirkt weit weniger billig, als es noch Frankensteins Todesrennen tat. Das liegt an der allgemeinen Optik, die sich nicht auf beschleunigte Bilder stützt, sondern einige gut arrangierte Aufnahmen zu bieten hat, die auch so ein gutes Gefühl von Geschwindigkeit vermitteln. Eine Kamera im Hubschrauber sorgt für Abwechslung zwischen Perspektiven vom Wegesrand und Wageninneren. Ferner wurden aber auch einige ganz hübsche Fahrzeuge eingesetzt. Carradine, selber zu der Zeit Ferrarifahrer, gab sich gar begeistert über den Trans-Am, dieser hätte bis zu 100 mph einen wesentlich besseren Anzug als sein Italiener.
Während man über den Unterhaltungswert des schief singenden Countrybarden noch streiten kann, sorgt Beutell (Stanley Bennett Clay) in seinem coolen Lincoln für manches Späßchen und zündet ein echtes Feuerwerk, als die um erotische Anspielungen nicht herum kommende Frauentruppe um Mary Woronov ein paar sie kontrollierende Polizisten kurzerhand abschleppen. David Carradine fällt in einer improvisierten Kampfszene kurzzeitig zurück in alte Kung Fu Tage, ruft damit allerdings auch Erinnerung wach, wie wenig Ästhetisch die Serie in den Actionszenen manchmal im Vergleich zu echten Eastern wirkte. Auch Davids Halbbruder Robert Carradine ist mit von der Partie und darf sich mit seiner Beifahrerin von einem Polizisten beim Entwenden eines Keilriemens für ihre Corvette behilflich sein lassen.

Obschon Cannonball sich auf den exakten Inhalt bezogen vornehmlich gegen eine Konkurrenz zu behaupten hat, die es zu dieser Zeit noch nicht gab, so waren doch vom Hot Rod Film bis zu früheren Referenzen der Siebziger einige Werke dabei, die man als Alternative in Betracht ziehen muß. So würde man für den ultimativen Drive In Spaß sicherlich Frankensteins Todesrennen bevorzugen, während die Komödie für sich an der direkten Konkurrenz zu Die verrückteste Rallye der Welt wie an den angesprochenen kleinen Makeln leiden muß. So deutlich in die zweite Liga abgedrängt, eignet sich der Film deshalb weniger für den Gelegenheitsglotzer, der vermutlich mit einigen wenigen Perlen zufrieden ist. Cannonball hat durchaus seine Momente und ist insbesondere enthusiastischen Fans der siebziger Cormanepoche ans Herz zu legen, kann hier sogar im zweiten Durchlauf noch an Qualität gewinnen. Dieser Genuß ist aber nur einer speziell ausgerichtetn Gruppe von Filmrezipienten zugänglich, so daß man den Film eingeschränkt einem eher vorbelasteten Publikum empfehlen kann.

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