Man weiß ja seit geraumer Zeit, dass Amerika äußerst prüde ist (und wohl immer bleiben wird). Deshalb verwundert es kaum, dass es lange gedauert hat, bis so ein Tabu-Thema-Film wie es "Philadelphia" offensichtlich ist, gedreht wurde.
Das angesprochene Tabu-Thema sind in Wirklichkeit 2 Themen: Homosexualität und Aids.
Vereinigt werden diese beiden Themen von dem schwulen und HIV-positiven Anwalt Andrew Beckett (grandios dargestellt von Tom Hanks), der von seinem Arbeitgeber -einer Anwaltskanzlei- wegen angeblicher Inkompetenz entlassen wurde. In Wahrheit handelt es sich aber bei der Anwaltskanzlei um konservative Teilhaber mit einer homophoben Einstellung. So will Beckett mithilfe des erst ablehnenden, später engagierten schwarzen Rechtsanwalts Joe Miller (genial inszeniertes Beispiel und Plädoyer für Zivilcourage und Toleranz: Denzel Washington) seinen Arbeitgeber auf Schadensersatz verklagen.
Hier möchte ich die Szene in der Bibliothek erwähnen, die die Ablehnung und Isolierung von Aidskranken auf den Punkt bringt. Ebenso das Einschreiten von Miller, welches in der dargestellten Situation ein hohes Maß an Courage erfordert.
Neben dem Prozess wird auch das Privatleben der beiden Hauptakteure gezeigt, so dass der Film in 2 Teile zerfällt: dem Aidsdrama und dem Gerichtsfilm.
Becketts körperlicher Verfall wird in quälend kalten und klinisch anmutenden Bildern eingefangen, die maßgeblich zur aufwühlend-bitteren Stimmung des Films beitragen. Hierfür kann man Kameramann Tak Fujimoto nur ein dickes Lob aussprechen. Ebenso ein großes Lob gilt Regisseur Jonathan Demme ("Das Schweigen der Lämmer"), dass er sich an ein solches Thema herangetraut hat und sowohl Bruce Springsteen als auch Neil Young, welche genial-traurige Songs zum Film beisteuerten.
Es wird zwar nicht jedes Schwulen-Klischee vermieden, aber der Film ist darauf bedacht sich der Materie ernsthaft zu nähern und Klischees zu umschiffen.
Zurück zur Handlung: Der Fall löst eine gesellschaftliche Debatte aus, die dazu führt, dass man Miller angesichts seiner Toleranz (aber nicht Akzeptanz) von Homosexuellen ebenfalls für schwul hält. Ebenso wird gezeigt, wie sich gegen Ende des Prozesses die gesundheitliche Lage von Andrew immer weiter verschlechtert.
Das ist es, was den Film so ehrlich und wahrhaftig macht und nicht zu einem oberflächlichen Blockbuster.
Der Film wartet mit einer großartigen Besetzung auf. Allen voran natürlich Tom Hanks und Denzel Washington. Aber auch Jason Robards als reaktionärer Konservativer und Mary Steenburgen ("Zurück in die Zukunft 3") als ehrgeizige Anwältin überzeugen. Die kurioseste Rolle hat sicherlich Beau Antonio Banderas als Andrews schwuler Geliebter (!).
Alles in Allem kann man "Philadelphia" als ein intelligentes Sozialdrama bezeichnen, dass jeden meiner 9 Punkte verdient.