Lange hat es gedauert, bis Hollywood sich an das Tabuthema „AIDS“ gewagt hat. Genauer gesagt bis 1993, als Jonathan Demme („Das Schweigen der Lämmer“) „Philadelphia“ inszenierte, was gleichzeitig den internationalen Durchbruch für Tom Hanks bedeutete. Der spielt hier einen schwulen Anwalt, der seiner Ansicht nach aus der Kanzlei fliegt, weil er sich mit HIV infiziert hat. Gemeinsam mit dem Rechtsanwalt Joe Miller (Denzel Washington) klagt er gegen seine ehemaligen, mächtigen Bosse.
Erfreulich, dass man versucht, die Thematik möglichst vorurteilsfrei an den Zuschauer zu bringen, was „Philadelphia“ natürlich zu einem eindrucksvollen Plädoyer für mehr Toleranz gegenüber Homosexuellen macht, eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema ist jedoch nicht gegeben. Zwar wird kurz angeschnitten, dass Beckett möglicherweise selber unvorsichtig und verantwortungslos gegenüber seinem Freund gehandelt hat, doch sein Gesamtbild ist immer noch viel zu positiv, als dass es irgendeine Angriffsfläche bieten würde. Beckett verkörpert das Idealbild eines Schwulen, wie es in die Gesellschaft integriert werden muss, genauso wie seine Familie als perfektes Beispiel im Umgang mit ihm dienen kann.
Ergreifend sind die Gerichtsszenen, einerseits äußerst packend inszeniert wurden, andererseits zeigen sie auch, wie die Gesellschaft immer noch Vorurteile gegenüber Homosexuellen hegt.
„Philadelphia“ steht und fällt mit seinem Hauptdarsteller Tom Hanks, der mit einer Superleistung alle übrigen Darsteller in den Schatten stellt. Obwohl seine Figur eher vordergründig geschrieben ist, verleiht er ihr Tiefe, indem er das ganze Spektrum menschlicher Gefühlslagen überzeugend darstellen kann. Zunächst kämpft er als aufstrebender Yuppie nur für seinen Job, nach Bekanntwerden der Krankheit für Gerechtigkeit, bis ihn sein Körper im Stich lässt und er wegen seines kaputten Immunsystems stirbt. Hanks agiert in jeder Entwicklungsstufe glaubwürdig, wobei er auch von den Maskenbildnern profitiert, die den körperlichen Verfall auch nach außen hin nachvollziehbar machen. Denzel Washington meistert seine Rolle ebenfalls mit Bravour, denn auch er schafft es, sich vom vorurteilschnellen Rechtsanwalt zum erbitterten Kämpfer für mehr Gerechtigkeit zu wandeln.
Darüber hinaus weiß man seit diesem Film, dass selbst ein schlichter Vorspann, der im Grunde nur Impressionen der Stadt Philadelphia zeigt und mit dem großartigen Springsteen-Song „Streets of Philadelphia“ unterlegt ist, Gänsehaut-Feeling in seiner schönsten Form erzeugen kann. Einfach wunderbar!
Hanks hat seinen ersten Oscar auf jeden Fall redlich verdient und auch ansonsten ist „Philadelphia“ in jeder Hinsicht bemerkenswert. Das erste Drama überhaupt, das dieses heikle Thema so offen behandelte und immer noch sehr betroffen macht, obwohl Demme an manchen Stellen den Sachverhalt etwas zu sehr vereinfacht.