Curd Jürgens und Eva, das nackte Kommunardenfräulein
Wer kennt diesen Film? Wohl nur jene, die damals Kinogänger waren, Curd Jürgens-"Komplettisten" (die gibt es bestimmt, es gibt so viele interessante Nischenexistenzen in dieser pluralistischen Gesellschaft) oder Leutchen die sich mal im TV-Spätprogramm unvermutet konfrontiert sahen.
Ich habe oft Lust auf abseitige Filme und ich muss sagen, dass dieses merkwürdige Filmchen abseitig genug ist...
"Ohrfeigen" ist eine obskure („obskur“ steht u.a. auch für „dunkel“, dunkel ist hier aber zugegeben wenig) Erotik-Komödie mit Bezugnahme auf die 68er-Bewegung und ihre freizügigen Kommunardenfräuleins, gedreht wohl für ein männliches Zielpublikum; vermutlich besonders für jene, denen das alles (die 68er-Libertinage) zu wild oder fragwürdig erschien, die aber wenigstens aus dem sicheren Kinosessel heraus entspannt (damals hätte man sogar im Saal noch dazu rauchen können) der „sexuellen Revolution"/ neuen Freizügigkeit der damaligen Tage und den entsprechenden Anschauungsobjekten teilhaben wollten.
Man ist nicht unbedingt auf dem Holzweg mit der Annahme, "Ohrfeigen" sei in manchem auch eine lüsterne Spießerfantasie: Die Kamera folgt schon in den ersten Minuten (und der zugegeben einprägsamsten Szene, was auch immer das über „Ohrfeigen“ aussagt) des Filmes unbeirrt der nackten (jawohl: auch tadellos geformten) Kommunardin Eva (Gila von Weitershausen) auf ihrem Weg in den Konferenzsaal einer Großbank, wo sie eigentlich den Banker Terbanks (wie immer stattlich: Jürgens) zu Ohrfeigen gedenkt, um ein Zeichen gegen „Ausbeutung“ (= Kapitalismus) zu setzen; letztlich klatscht sie aber dem Falschen eine (und nennt – nebenher bemerkt - geerbte Aktien in großer Zahl ihr eigen...).
Ein bissel Altmänner-Phantasie ist bei "Ohrfeigen" dabei: Der wirklich nicht mehr so junge Jürgens und die gerade dem Teenager-Stadium entwachsene von Weitershausen nähern sich schon sehr an (auch politisch), aber es kommt dann wohl nicht zum Äußersten...
In "Ohrfeigen" erscheint der Kapitalismus schon auch mal böse oder zumindest fragwürdig, aber Jürgens ist ein recht ehrenwerter "Bonze", mit allen Wassern gewaschen und über seinen Stand (den Geldadel), moralisch auch schon längst erhaben. Ein Großer, dem zu Unrecht manches angekreidet wird. Und von Weitershausen (also Eva) kann man eigentlich verzeihen, dass sie über die Hälfte des Plots hinweg verquaste, wirr-weltfremde Kommi-Phrasen auswendig runterleiert, denn nackig sieht sie klasse aus und auch angezogen ist sie kokett und eigentlich ja nicht dumm und nur ein wenig fehlgeleitet (kurzum: sie ist jung). Auch wenn es mitunter eine Bildzeitungsphrasen-Darstellung der jungen revolutionär bewegten Leute ist - Gilas Revoluzzerinnen-Gefasel wurde nur wenig variiert der Mao-Bibel entnommen und insofern zeigt der Film doch sehr schön, wie bekloppt und weltentrückt doch so manche Kommunarden-Vorstellung von einer neuen Gesellschaft war.
Ein revolutionär bewegter Student jener Tage, der "Ohrfeigen" im Kino sah, muss diesen Film (von Gilas Nacktauftritt mal abgesehen – ja, ich komme immer wieder gerne auf ihn zurück) gehasst haben, denn es wird sich über die Bewegung eigentlich nach Spießermanier lustig gemacht (besser formuliert: Ein Entlarvung soll stattfinden). Konservative haben sich sicherlich in ihre Distanz zur linken Aufbruchsstimmung bestätigt gefühlt, schlaue Konservative haben die Intention des Filmes schon nach Minuten durchschaut.
Das Dekor ist so super Endsechziger/ 70er wie es nur ein Film von 69 bieten kann. Schon allein die Eröffnungsszene, in der vor Discokulisse getanzt wird, entführt einen in eine Welt, die dermaßen verschütt gegangen ist, man glaubt es kaum (jede Retro-Party wird grandios scheitern, beim Versuch, dies zu reproduzieren). Ansonsten ist alles etwas richtungslos, nicht zum Lachen, sondern eher zum Schmunzeln oder Staunen und übrigens meilenweit von einer 70er-Sexklamotte (SPOILER - Es wird nicht gepoppt – SPOLER ENDE) entfernt.