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Der Trailer zu „the Village“, dem neusten Film von M.Night Shyamalan, war einfach genial: Selten erweckte eine Kinovorschau größere Neugier und bot schon in seinen wenigen Minuten ein derart hohes Maß an Spannung und Atmosphäre … die sich aufdrängende Frage war jedoch nur, ob das Gesamtwerk mit dem Appetitanreger mithalten könnte – meiner Meinung nach ist die Antwort schlussendlich nicht ganz klar, denn alles läuft auf die Erwartungshaltung heraus, mit der man sich auf den Film einlässt.
Ein geradliniger Verlauf war bei Regisseur Shyamalan ohnehin nicht zu erwarten – wer also einen stringenten Horror-Thriller erwartet, der wird das Kino enttäuscht verlassen. Filmfreunde, die sich von komplexeren Handlungsstrukturen und poetischer Subtilität nicht abschrecken lassen, werden hingegen auf ihre Kosten kommen, denn der Film ist weniger ein direkter Horrorfilm, vielmehr ein gruselig-atmosphärisches Psychodrama oder eine Allegorie auf gesellschaftliche Gefüge und Werte.

Bei einem „einfachen“ Horrorfilm (um es noch einmal zu betonen: dies ist keiner!) könnte man die Handlung wie folgt zusammenfassen:
Ein kleines Dorf auf einer Lichtung wird von Kreaturen des umschließenden Waldes belagert. Die Menschen gehen nicht in den Wald und dürfen die „böse“ (= anlockende) Farbe Rot nicht tragen – im Gegenzug werden sie von den Kreaturen in Ruhe gelassen. Dieser Pakt wird gebrochen, als es zu einigen Grenzüberschreitungen kommt, worauf die Belagerer nachts ins Dorf eindringen, Warnungen auf die Türen malen sowie Tiere häuten und töten. Als ein Unglück geschieht, muss jedoch medizinische Hilfe aus der Stadt geholt werden, zu der man nur durch den Wald gelangen kann…
Soweit zum Story-Grundgerüst, nun zu den Feinheiten: Das 60-Seelen-Dorf Covington ist eine friedliche Gemeinde im 19.Jahrhundert. Die Bewohner haben sich mit der Gefahr und den Belagerern in den Wäldern arrangiert, leben ihr Leben möglichst unbekümmert im Rahmen der Situation an ihrem verwunschenen und schönen Ort. Die Dorfältesten treffen die Entscheidungen auf das Wohl der Gemeinschaft ausgerichtet, während nicht nur die jüngere Generation mit allen Vor- und Nachteilen des Heranwachsens (Liebe, Herzschmerz etc) zu kämpfen hat. Gerade als die blinde Ältestentochter Ivy (Bryce Dallas Howard) den wortkargen Lucius (Joaquin Phoenix) heiraten möchte, kommt es jedoch zu einem Zwischenfall, worauf nur noch Medikamente aus der großen Stadt jenseits der Wälder helfen können. Trotz Zweifel des Ältestenrates macht sich schließlich Ivy zusammen mit zwei Begleitern auf die gefährliche Reise…

Die Ausgangssituation (mit den Kreaturen) dient zum größten Teil nur als Vehikel der tatsächlichen Kernpunkte, denn Shyamalan analysiert in seinem Werk die komplexen Gefüge einer Gemeinschaft in Anbetracht stetiger Bedrohung. Hauptaugemerk wird dabei auf die Figuren und ihr Innenleben gerichtet: Alle haben Geheimnisse – offensichtliche, wie sie die Ältesten besitzen, die jeweils eine Truhe in ihren Häusern hüten oder weitere Hintergründe über „Die, von den man nicht spricht“ und der „Hütte, die man nicht benutzen darf“ kennen, oder auch verborgene, wie die blinde Ivy, die „auf eine andere Art sehen“ kann.
Keine der Hauptfiguren ist „glatt“ oder „makellos“ – Ivy ist blind, Lucius zurückhaltend und schweigsam, Noah (Adrien Brody) geistig zurückgeblieben, andere einsam, verbittert oder voller Trauer. Der Regisseur nimmt sich viel Zeit für seine Charaktere, was Sympathien aufbaut und die stetige Bedrohung auch für den Zuschauer zusätzlich verstärkt.

Ein tragender Aspekt ist die gelebte Liebe zwischen Ivy und Lucius, sowie die unausgesprochene Zuneigung zwischen den Ältesten Alice (Sigourney Weaver) und Walker (William Hurt). Jene Schlüsselszenen bleiben in Erinnerung – sie sind intensiv, von Dialogen getragen: „Manchmal tun wir Dinge nicht, damit andere nicht merken, dass wir sie tun wollen“, heißt es einmal, und später „Er liebt sie. – Woher weißt Du das? – Er berührt sie nie.“ Die Liebe ist ein wichtiges Motiv, und die unerfüllten Gefühle von Noah lösen schließlich auch tragisch die entscheidenden Handlungen (den Gang in den Wald) aus.

Shyamalan ist seiner eigenen Formel treu geblieben: Langsamer Einstieg, Spannungsaufbau im Mittelteil, überraschendes Ende. In „the Village“ gibt es sogar drei Wendungen – die erste betrifft überraschend eine Hauptfigur, die zweite offenbart Hintergründe über das Dorf und den Wald, die dritte zieht dann den Vorhang komplett zur Seite und legt das Gesamtbild frei. Letztere Wendung ist die entscheidende – sie kommt für viele unerwartet (ich persönlich habe den Ausgang trotzdem schon im Vorfeld geahnt) und verpasst den Zuschauererwartungen einen erneuten heftigen Dämpfer, bleibt dabei aber stimmig und zur unterschwelligen Botschaft des Films passend. Das Problem liegt bei der zweiten Wende, denn die dort preisgegebenen Informationen rauben dem Film die allgemeine Spannung (trotz einiger folgender Spannungssequenzen). Die Formel funktioniert zwar, doch man weiß als Zuschauer, dass man sich in einem Shyamalan-Film befindet, weshalb man ständig nach Hinweisen auf den „überraschenden Ausgang“ sucht – schade, denn auch ohne dieser Tatsache man kann das Ende nur lieben oder hassen (ich mochte es sehr).

Die Darsteller sind allesamt sehr gut – wobei Ron Howards Tochter (Bryce Dallas Howard) herausragt und eine unglaubliche Entdeckung darstellt, denn sie spielt die blinde Ivy mit einer derartigen Gefühlskraft, dass sie allen die Schau stiehlt. Aber auch Joaquin Phoenix („Gladiator“), Sigourney Weaver („Alien“), William Hurt („A.I.“), Brendan Gleeson („M:I 2“), Adrien Brody („Pianist“) und die anderen Akteure spielen auf hohem Niveau.
Score und Kameraarbeit sind ebenfalls großartig – sie erzeugen eine düster-bedrohliche Spannung (gerade im ersten Teil), fördern die dichte Atmosphäre des Films und kaschieren kleinere Logikschwächen.

Nach dem hoffnungslos überschätzen „the 6th Sense“, dem unterschätzten „Unbreakable“ und dem absolut mäßigen „Signs“ ist Regisseur Shyamalan mit „the Village“ ein sehenswerter Film gelungen, der sich gekonnt über Horror-Konventionen hinwegsetzt und sich auf tiefer gehende Elemente konzentriert, was viele „reine Horror-Fans“ verärgern dürfte. Wer sich einen Film des Regisseurs ansieht, sollte ja ohnehin keinen gradlinigen Verlauf erwarten, sondern vielmehr ein ungewöhnliches, vielschichtiges Werk, das nicht auf ein Genre allein reduziert werden darf.

Fazit: „the Village“ ist ein ungewöhnlicher und mehrschichtiger Film, der konstant mit den Erwartungen des Zuschauers spielt und viele dadurch enttäuscht. Er ist atmosphärisch, spannend, toll gespielt und schön bebildert, jedoch mit einigen Schwächen in der Art, mit welcher die Auflösung präsentiert wird … 7 von 10.

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