Ich habe die Impressionen an diesen Film bewusst ein paar Tage sickern lassen, bevor ich mich an eine Rezension wagte. Dennoch hat sich an meiner Grundeinschätzung nicht viel geändert: leider, leider ist "The Village" bislang Shyamalans schlechtester Film, was ihn aber nicht daran hindert, sich trotzdem in die Reihe der qualitativ hochwertigen Filmbeiträge 2004 einzugliedern.
Dabei war die Story um ein Dorf, das von einer unsichtbaren Gefahr aus den Wäldern bedroht wird, für den indischen Regiestar eine Herzensangelegenheit; ein Projekt, das schon lange Zeit geplant war. Und so mutet die Story auch wunderbar geheimnisvoll und vielversprechend an. Der düstere Trailer verstärkte noch diesen Eindruck, ließ dem potentiellen Kinopublikum nach dem etwas umstrittenen "Signs" schon im Voraus das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Die ersten Minuten vermitteln eine gelungene Mischung aus den ersten drei Filmen. Die Mystik aus "The Sixth Sense", die Symbolik aus "Unbreakable" und sogar ein wenig von dem sauren Humor aus "Signs" werden zu einer wiedermal vielsagenden und perfekten Bildsprache versponnen. Die Kameraeinstellungen und -Fahrten sind einmal mehr so perfekt, dass sie sich fast schon vor die Geschichte drängen.
Bei einem gemeinsamen Mahl unter freiem (mit grauen Wolken verhangenen) Himmel wird uns die bäuerliche Dorfgemeinschaft nähergebracht. William Hurt mimt erneut das väterliche Oberhaupt, dem das Wohl seiner Gemeinde ganz besonders am Herzen liegt. Joaquin Phoenix ist der Außenseiter, der als einziger Mut zu schöpfen in der Lage ist, wo es den anderen verwehrt bleibt. Funktional bekleidet er eine ähnliche Funktion wie Dr. Alexander Hartdegen in "The Time Machine". Dabei ist er ein sehr in sich gekehrter Mensch, der nur dann spricht, wenn er es wirklich für notwendig hält. Er liebt ein blindes Mädchen (Bryce Dallas Howard), das seine Zuneigung spürt und sie erwidert. Nur ist es zunächst eine unerfüllte Liebe. Der Weg, der sie zueinanderführt, ist ein steiniger. Ein nicht unbedeutendes Problem dabei ist der geistig behinderte Bruder des Mädchens (Adrien Brody), der mitunter zu einem Klotz am Bein wird.
Dies ist der Kern der Erzählung, um den sich der Plot strickt. Was wiederum viele Zuschauer abschrecken dürfte, ist die Tatsache, dass Shyamalan sich in den ersten beiden Filmdritteln fast vollständig darauf beschränkt, ein ruhiges Kammerspiel zu inszenieren. Hatte man nach dem Trailer noch auf einen Monsterschocker vertraut, verflüchtigen sich diese Erwartungen mit jeder Filmminute. Sicherlich wird ein zentraler Monsterangriff eingesponnen, nur ist der leider nicht ganz das, was man erwartet hatte. Schockmomente etwa gibt es von ein, zwei Ausnahmen abgesehen überhaupt keine. Alles bleibt sehr subtil, wird nur angedeutet. Natürlich gibt es eine alte Filmweisheit, die besagt, dass das, was man nicht sieht, am meisten schockiert, doch mag sich dieses Gefühl bei "The Village" nur mit Abstrichen einstellen.
Auch die Entwicklung des Plots bleibt auf einer Ebene und will sich zunächst einfach nicht so recht weiterentwickeln. Nun ist das bei Shyamalan nicht ungewöhnlich. In seinen Vorgängerfilmen war das ganz ähnlich, nur da sah man diese eine Sache mit jeder Minute aus einer neuen Perspektive. In "The Village" hingegen hat man manchmal das Gefühl, dass Einiges in die Länge gezogen wurde, um erneut eine Laufzeit von gut 100 Minuten zu erreichen ("Signs", "Unbreakable" und "The Sixth Sense" hatten alle eine Laufzeit von gut 102 Minuten).
So muss ich leider sagen, dass ich mich bei jedem anderen Regisseur phasenweise gelangweilt hätte. Die Langeweile, die teils wirklich schon im Dunkeln lauerte wie die Unaussprechlichen in den Wäldern, wurde lediglich durch die altbekannte brillante Bildsprache abgewendet. Visuell erinnert der Film wieder am stärksten an den Durchbruch "The Sixth Sense", wo eine klare Gräue das Geschehen dominierte. So auch hier wieder, vor allem durch herbstliche Gelb-, Braun- und Beigetöne.
Ein weiterer Altbekannter ist die Symbolfunktion der Farben. Ganz offensichtlich - und das wird nicht nur subtil angedeutet, sondern ganz offen ausgesprochen - steht das Rot für die Gefahr. Es gibt eine Szene, die der Intention Shyamalans wohl am nächsten kommt. Und zwar die, als zwei Frauen des Dorfes fröhlich die Außendiele ihrer Hütte kehren, als ihr Blick plötzlich auf eine einsame, rote Blüte fällt, die aus dem verwaschenen Graubraun des Erdbodens ragt. Sofort wird die Blüte ausgerupft wie die verbotene Frucht und unter der Erde vergraben. Durch die Kameraeinstellung wird dabei dem Zuschauer suggeriert, dass die Blüte etwas Wunderschönes ist und alleine aus Furcht vor den Unaussprechlichen versteckt werden muss.
Im Kontrast dazu stehen die gelben Mäntel, die ähnlich wie in "Unbreakable" eine Art Schutzschild darstellen. Gelb steht für das Positive, für die Kraft, die benötigt wird, um die Wälder zu durchkreuzen.
Insgesamt bleibt aber auch in dieser Kategorie "The Village" hinter seinen Vorgängern zurück. Wie schon die Story scheint nun auch die Bildsprache weniger Tiefe zu vermitteln als etwa noch in der brillanten Metaphorik von "Unbreakable", wo praktisch jede Szene mit tiefergehenden semantischen Elementen durchtränkt war.
Mit dem Vorfall um Lucius ergibt sich dann die erste ernstzunehmende Wende im Plot, der wie gesagt vorher mehr oder minder auf der Stelle trat. Nun gibt es eine nachvollziehbare Rechtfertigung dafür, das Leben zu riskieren und den Wald zu durchqueren. Dafür wird dann natürlich auch wieder das alte Liebesmotiv verwendet, das aber glücklicherweise keineswegs klischeehaft daherkommt wie zum Teil in der Matrix-Trilogie.
Einmal im Wald angekommen, stellt sich zwar immer noch kein Gänsehautgefühl ein, aber doch eine gewisse Spannung. Ab hier dreht und wendet sich der Plot auch wieder. Man könnte fast schon auf die Idee kommen, Shyamalan habe ihn vorher absichtlich eine kleine Ewigkeit lang festgehalten, um ihn dann loszulassen wie ein wildes Tier. So glaubt der Zuschauer auch, nach zwei Dritteln der Spielzeit bereits die berühmte Last-Minute-Wende in seiner ganzen Pracht erfasst zu haben, was sich dann letztlich doch wieder als falsch herausstellt. Dafür ist Shyamalan immer noch gut.
Jedenfalls gibt es eine aufregende Reise durch den Wald, die ein wenig eine Mischung aus "Alice im Wunderland", "Hänsel und Gretel" und "Blair Witch Project" vermittelt.
Und dann sind wir auch schon bei besagtem Storytwist, der wiedermal verblüfft. Wie der große Houdini lenkt Shyamalan die Aufmerksamkeit des Zuschauers während des gesamten Filmes in eine falsche Richtung, um ihn am Ende verblüfft dastehen zu lassen. Zudem denkt man an die Struktur der Twists aus den Vorgängerfilmen, was Shyamalan natürlich berücksichtigt und daher vollkommen andere Kategorien in Betracht zieht. So bekommt man nun schon zum vierten Mal eine Wende, die diesmal auch wieder weniger abstrakt als in "Signs" ist, allerdings auch wie eben der gesamte Film weniger Tiefe besitzt. Die ganze Geschichte wird im Prinzip nur um ihrer selbst Willen erzählt, also ohne weitere Bedeutung.
Fazit: Überzeugen kann Shyamalan auch mit Teil 4 seiner Erfolgsgeschichte. In Anbetracht der wieder einmal zu hohen Erwartungen, insbesondere durch den Trailer hervorgerufen, der auf die falsche Fährte lockt, wird so mancher Zuschauer eine gewisse Enttäuschung aus dem Kino tragen. Teilweise auch zurecht, da der Film für einen Shyamalan streckenweise etwas zu platt bleibt.
Dennoch ist "The Village" perfektes, dezentes Kino, das auf hervorragendste Art gefilmt wurde. Schauspieler und Machart also überzeugen, die Story ist mit gesenkten Erwartungen zu genießen.
7/10