Review
von Leimbacher-Mario
Grauer Wolf trifft schwarzen Mann in gelbem Auto
"Collateral" ist einer von Michael Manns feinsten Würfen. Konzentriert auf eine packende Story, inszeniert mit der Präzision eines Regiechirurgen, aufgepeppt mit einer audiovisuellen Hypnosewucht. Die Geschichte von Max, dem sympathischen Taxifahrer in Los Angeles, der mit "Vincent" einen grau melierten Auftragskiller durch die neonbeleuchtete Nacht chauffieren "darf", zieht von der ersten Sekunde in seinen Bann. Simpel und höchst effektiv, dunkel doch immer stilvoll, actionreich doch nie hohl, mit einem Bösewicht, der es in sich hat und dessen Charisma uns genauso gefangen hält wie er seinen Fahrer. Sowohl Jamie Foxx als auch Tom Cruise befinden sich hier auf einer Karrierehöhe und stacheln sich gegenseitig an, wie man es gerne öfters sehen würde. Die Nacht ist schwarz, der Rest ist voller Graustufen. Die Welt ist voller Wölfe. Aber wirft man sich ihnen deswegen kampflos zum Fraß vor? Ganz sicher nicht!
Ein Neo-Noir-Brett, das dermaßen cool, hochstilisiert ist und optisch verwöhnt, muss inhaltlich flach bleiben. Sollte man meinen. "Collateral" beweist das Gegenteil und stellt in das nächtliche L.A., bedrohlich und beruhigend zugleich, zwei Figuren in ein Psychoduell, denen man gerne zuguckt, mit denen man mitfiebert, die man sogar beide mag. Egal wie sinister und hart Vincent auch erscheinen kann. Das ist ein Verdienst von Cruise, der kaum überbewertet werden kann, da ein Film bekanntlich mit seinem Bösewicht fällt oder steigt. Immer wieder wird der Puls durch harte, realistische Actionszenen in die Höhe getrieben und bis zum Ende bleibt der Film unberechenbar, bleibt unklar wer die bleihaltige Nacht lebend übersteht, wie sich die ungewöhnlich "Freundschaft" entwickelt. Während sich Mann in späteren Werken seiner Karriere ganz klar eher Richtung Style over Substance ausrichtetet, ist "Collateral" der perfekte Mittelweg aus "Miami Vice" und "Heat", aus Straße und Club, aus Hollywood und Hood, aus Blut und Schönheit, aus Angst und Mut.
Fazit: eiskalt, stylisch, auf den Punkt - "Collateral" ist Thrillerkino, wie man es aus Hollywood nicht oft sieht, das die Atmosphäre der Stadt der Engel einzigartig einfängt und an dem kein Gramm Fett zu viel ist. Cruise in einer seiner coolsten, erbarmungslosesten Rollen. Wer hier meckert, erwartet Unmenschliches. Für mich ein nahezu perfekter Ritt, in dem man sich verlieren kann.